Leichtfüßig und anmutig bewegte Keyaschante seinen Körper zum Takt der Musik. Seine glänzenden schwarzen Haare waren auf Schulterlänge geschnitten, und ihre Spitzen strichen leicht über seine Nackenmuskulatur. Auf seinem Kopf trug er eine einzelne, gefleckte Adlerfeder, deren Spitze zwischen den Haarsträhnen ruhte. Sein mittelgroßer Körper bewegte sich mit der Gewandtheit eines Hirsches, Zeichen seines athletischen und aktiven Lebens. Sein kupferrotes Gesicht war mit einer männlichen Schönheit ausgestattet, und seine Augen leuchteten vor stolzer Würde.
Als der Tanz beendet war, erfüllten wilde Schreie und Kriegsrufe in allen Tonlagen die Luft. Doch der Ausrufer des Lagers überstimmte sie alle, als er rief: „Schaut euch noch ein letztes Mal die Liebenden an, ehe sie für immer miteinander verschmelzen.“
Die guten Wünsche hallten noch immer in den Ohren von Keyaschante und Tscheyesa-win, als sie in die Dunkelheit eintauchten, die sich nun langsam über die Ebene senkte. Der Tanz würde noch bis Sonnenaufgang weitergehen, aber das frisch vermählte Paar musste sich auf eine andere Reise begeben.
Die Klänge des Festes hinter sich lassend, wanderten sie in die Nacht hinein, und sie hielten nicht eher an, bis die Sterne in der Morgendämmerung ihren Glanz verloren. Sie wählten die Abgeschiedenheit einer schmalen Schlucht, die mit großen Kiefern und üppigem Gras bewachsen war, um dort ihr Eheleben aufzunehmen. Sie legten ihre Decken neben eine sprudelnde Quelle und ließen sich zum Rasten nieder.
Der indianischen Jugend ist eine gewisse Schüchternheit angeboren, und deshalb wagten sie es nicht, sich gegenseitig anzuschauen, obgleich der Wunsch dazu sehr stark war. Nach einem langen Augenblick, der den beiden wie die längste Stille ihres Lebens vorgekommen war, fand Keyaschante endlich den Mut zu sprechen.
„Tscheyesa-win…“, murmelte er, „die merkwürdigste Art von Schüchternheit umklammert mein Herz und raubt mir die Worte. Aber bald wird das wilde Schlagen meines Herzens vorüber sein.“
„Oh Keyaschante, mein Geliebter, auch mein Herz klopft wie verrückt. Nur wegen dir schlägt es auf diese Weise.“
Tscheyesa-wins weitere Worte gingen in Keyaschantes Umarmung unter. Die Stille war gebrochen und die schüchternen Ängste des Paares überwunden.
In glückseliger Abgeschiedenheit teilten die Frischvermählten die folgenden Stunden, bis ein neuer, zunehmender Mond am westlichen Himmel erschien. Gemäß der Legende war dies ein günstiger Zeitpunkt, um etwas Wichtiges zu unternehmen und die Hochzeit war sorgfältig geplant worden, sodass sie an Neumond stattfinden würde. Braut und Bräutigam zu diesem Zeitpunkt zu stören, hatte den Ausschluss aus dem Stamm zur Folge – die höchste Strafe für jede ernsthafte Verletzung der Stammesgesetze.
Der Tag huschte über die Erde und ein leichter Windhauch strich durch die Schlucht, als Tscheyesa-win endlich erwachte. Sie öffnete die Augen und erblickte eines der Wunder der Natur – einen erstaunlichen Sonnenuntergang, der die Erde in glühendes Rot tauchte.
Sie lag noch eine Weile im Halbschlaf, nahm aber trotzdem die wechselnden Farben wahr. Die Wirklichkeit schien so weit weg; weit, weit weg. Es kostete sie einige Überwindung daran zu denken, dass sie Feuerholz sammeln musste, ehe die Dunkelheit die Schlucht umhüllen würde. Völlig zu erwachen bedeutete jedoch, den Bann der Verzauberung endgültig zu brechen, und nur zögernd akzeptierte ihr Kopf diese Tatsache.
Schnell vergingen die Tage, und es wurde Zeit, die Rückreise zu ihrer neuen Heimstatt zu beginnen. Während Keyaschante und Tscheyesa-win ihre Wasserbeutel an der Quelle füllten, bedauerten beide, dass sie diesen schönen Platz nun verlassen mussten. Auf beide warteten ihre Verpflichtungen in der Gemeinschaft der anderen und die schönen, ungezwungenen Tage wären vorbei.
„He ihr! Sioux! Tut was ich sage! Ich hab’ Leute bei mir, also macht nichts, was ihr später bereuen würdet.“ Mit einem Schlag war die Ruhe der vergangenen Tage zerstört, und in Keyaschantes Bewusstsein stieg die harte Erkenntnis hoch, dass dies nur Ärger bedeuten konnte. „Geh von der Frau weg und leg dich da drüben bei dem toten Baum hin!“ Keyaschante erkannte an dem Akzent, dass es sich um einen Santee Sioux handeln musste, und seine Gedanken überschlugen sich in der bitteren Erkenntnis, dass diese Stimme nicht freundlich klang.
Als Keyaschante auf ein Knie herunterging, blickte er über seine Schulter und erkannte, dass die Stimme nicht übertrieben hatte. Drei weiße Männer tauchten aus dem Dickicht der Büsche am Ende des Lagers auf. Keyaschante schaute Tscheyesa-win an, als wolle er mit seinen Augen sagen, dass es keinen Sinn hatte, sich dem Befehl zu widersetzen. Dies zu tun, würde wahrscheinlich mit seinem Tod enden, und ihr würde man wehtun oder gar Schlimmeres zufügen.
Tscheyesa-win war unfähig, ihre Augen von dem Gesicht ihres Mannes abzuwenden. Nach außen hin erschien sie ruhig, aber ihr Herz klopfte wie wild. Geschichten von Leuten, die eine helle Haut wie die ihre hatten, rasten durch ihren Kopf, und sie hatte Angst. Ihre Unterarme und Handgelenke bedeckten sich mit feinen Schweißperlen und ihr Atem kam gepresst. Sie beobachtete, wie die drei weißen Männer Keyaschantes Waffen entfernten, aber sie konnte ihr Gemurmel nicht verstehen. Der Santee stand auf der anderen Seite und beobachtete sie mit Habichtaugen, denen weder die Schönheit des Mädchens noch die feine Machart ihrer Bekleidung entgingen.
Er schritt langsam auf sie zu und fragte: „Sprichst du Sioux?“ Unfähig zu sprechen, nickte sie nur, während sie in Keyaschantes Gesicht nach einer möglichen Anweisung forschte.
Der Santee Krieger wandte seine Aufmerksamkeit Keyaschante zu. „Mein Name ist Dürrer-Vogel. Und als wer bist du bekannt?“
„Man nennt mich Keyaschante“, antwortete der junge Sioux in einem gleichmäßigen Tonfall. „Was wollt ihr von uns?“
„Wir wollen eigentlich nur eure Pferde. Wir brauchen sie, um unsere Reise fortzuführen. Wir wollen weder dich noch deine Frau verletzen, aber nun müssen wir euch eben wegen ihr mitnehmen, bis wir die Paha Sapa, die Schwarzen Berge, überquert haben. Falls du zu deinem Lager zurückkehren könntest, würdest du andere mitbringen, die uns verfolgen. Wir sind auf dem Weg zu dem Ort des gelben Metalls, jenseits der Black Hills, wie der weiße Mann sie nennt.“
„Dies hier ist das heilige Land meines Volkes, der Tetonwan. Warum bringst du diese Männer in das heilige Gebiet? Was für ein Mann bist du, dass du deine Verwandten verrätst?“ Keyaschante spuckte auf den Boden vor Verachtung. „Denk doch mal an dich. Du hast die gleiche Farbe wie wir und du gehörst zu uns, nicht auf die Seite der weißen Leute, deren Herzen und Zungen gegen unser Volk sind.“
„Deine Zunge sollte diese Fragen nicht stellen, Keyaschante!“ Dürrer-Vogel drehte sich auf dem Absatz um und ging auf einen bartlosen weißen Jungen zu, um ihn zu den Pferden zu begleiten. Nach diesem bitteren Wortwechsel entwich kein weiteres Wort mehr den Lippen von Keyaschante und Dürrer-Vogel. Stattdessen wurden in unangenehmer Stille die Vorbereitungen für die Reise getroffen.
Tagelang war die kleine Gruppe unterwegs, immer auf der Hut, entdeckt zu werden. Geschickt vermied Dürrer-Vogel die Indianerlager, die sich entlang der Strecke befanden. Während der ganzen Reise bewegten sie sich hintereinander, wobei Dürrer-Vogel der Anführer war, gefolgt von Tscheyesa-win. Danach kamen die drei weißen Männer und Keyaschante war der Letzte. Diese Anordnung war eine Idee von Jim, dem bartlosen jungen Mann, der bald bemerkt hatte, dass Keyaschante nicht ohne Tscheyesa-win versuchen würde zu fliehen. Außerdem wusste er, dass Keyaschante der beste Mann sein würde, um Angriffe aus dem Hinterhalt abzuwehren.
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