„Nein, mein Sohn, niemand hat etwas von Tscheyesa-win gehört. Keiner der Stämme hat sie gesehen, aber wir fordern alle auf, weiter nach ihr zu suchen.“
Dinge, die dem Herzen nahe stehen, bedürfen keiner großen Worte, und so wussten sie beide, wie tief dieser Verlust den anderen getroffen hatte.
Mit den Augen einer Mutter bemerkte die alte Frau den hageren Körper und die gelbliche Gesichtsfarbe von Keyaschante.
„Irgendwie hast du dir die Krankheit des weißen Mannes zugezogen. Ich muss darauf bestehen, dass du hier bleibst, bis es dem Medizinmann gelungen ist, die Krankheit aus deinem Inneren zu vertreiben.“
„Es ist nicht die Krankheit des weißen Mannes. Diese Krankheit habe ich mir selbst zu verdanken. Indem ich das Land in allen vier Himmelsrichtungen durchkämmte, habe ich meinen Körper ausgemergelt, bis er völlig geschwächt war – nur, um mich vor meinen eigenen Gedanken zu bewahren. Aber es war der Wille des Heiligen Mysteriums, und Er hat mir gezeigt, dass ich die Erde mit blinden Augen abgesucht habe.“
Sein ureigenes Lächeln kehrte in Keyaschantes Gesicht zurück, als er fragte: „Darf ich mit meinem Großvater sprechen? Er ist von viel größerer Weisheit als ich und ich brauche seinen Rat.“
Bei der Erwähnung von Chiefeagles Namen füllten sich die Augen der alten Frau mit Tränen und mit einem erstickten Schluchzen wandte sie sich ab.
„Zwei volle Monde sind vergangen, seit dein Großvater in das Land der Ahnen gegangen ist“, flüsterte sie mit heiserer Stimme. Keyaschante starrte sie mit großen, ungläubigen Augen an.
„Nein! Nein! Nein!“ Jedes Nein hallte als noch stärkeres Echo zurück, als sein Verstand die volle Bedeutung ihrer Worte erfasste. Unwillig schüttelte er seinen Kopf bei dem Versuch, die Tränen zurückzuhalten, die selbst in dieser familiären Umgebung nicht gestattet waren. Aufgewühlt sprang er auf und stürmte aus dem Zelt. Er musste weggehen, um sich wieder in den Griff zu bekommen, konnte die Anwesenheit eines anderen Menschen nicht ertragen. Was hatte er nur getan, um derartiges Unglück über seinen Großvater zu bringen? Der Gedanke, sich selbst zu opfern, schoss durch seinen Kopf, als er blind vor Tränen aus dem Dorf stolperte.
Er lehnte sich mit der Stirn gegen die kalte Rinde eines Baumes und versuchte, die lähmende Trauer zu überwinden. Sein Großvater war tot! Die kalte Luft ließ ihn frieren und schweren Herzens entschloss er sich, zurück zum Lager zu gehen, um einen anderen seiner Verwandten aufzusuchen. Unaufgefordert trat er in das fremde Zelt ein und verlangte in brüsken Worten: „Berichte mir von meinen Großvater. Ich will alles wissen, was geschehen ist. Habe keine Furcht, es mir zu sagen.“
Die Frau in dem Zelt war über diese plötzliche Störung etwas verwundert, fing sich aber schnell wieder, als sie den Enkel von Chiefeagle erkannte.
„Ich werde dir alles erzählen. Aber warum warst du nicht hier, als es geschah?“ Ihre Stimme klang vorwurfsvoll. „Du hättest viel verhindern können, aber du warst weg!“
Der Vorwurf traf Keyaschante bis ins Herz und er senkte betroffen die Augen.
Die Frau sprach nun sanfter und mit mäßigem Tonfall, sie hatte seine Reaktion sehr wohl gesehen.
„Einige der jungen Männer hatten Geister-Wasser von einem vorbeiziehenden Stamm erhalten und wurden dadurch verrückt im Kopf. Sie tranken bis spät in die Nacht und wurden sehr grob. Einige der Familienoberhäupter gingen zu Chiefeagle und beschwerten sich über die Taten der Jüngeren. Das ganze Lager war in Aufruhr. Chiefeagle war sehr verärgert und sprach harte Worte zu den Verrückten.“ Während sie diese Geschichte erzählte, hatte die Frau immer wieder Schwierigkeiten, die Tränen zu unterdrücken, die ihre Stimme erstickten.
„Am nächsten Morgen erschien Chiefeagle nicht und wir dachten, dass er sich nicht gut fühlen würde. Seine Schwester ging in sein Zelt, um zu sehen, ob er noch schliefe. Sie sagte, dass er mit mehr Fellen als üblicherweise bedeckt war und sie hatte angenommen, dass er krank wäre. Später ging sie noch einmal hinein, um ihn zu wecken, und als sie die Felle zurückschlug, fand sie deinen Großvater mit durchschnittener Kehle und herausgerissener Zunge. Deine Tante schrie vor Entsetzen und wir eilten herbei, Wirbelwind-Frau und ich. Als Rote-Feder herausfand, welch entsetzliches Unrecht geschehen war, rief er sofort eine Ratsversammlung ein. Alle Männer waren aufgefordert, dort zu erscheinen und als Zwei-Lanzen und Eiserner-Fuß nicht auftauchten, wussten wir, dass sie die Übeltäter sein mussten! Sie hatten diese Tat aus Rache begangen, weil Chiefeagle sie getadelt hatte. Auch ihre Pferde waren verschwunden und so zeigten die Ältesten des Rates mit dem Finger der Schuld auf sie und schickten die Akitschita aus, um sie zu jagen.“
Keyaschante konnte noch immer nicht begreifen, dass sein Großvater nie wieder zu ihm sprechen würde. Er dachte an die Lanze der Rache, die er nun halten musste, und fragte schroff: „Wurden Zwei-Lanzen und Eiserner-Fuß gefunden und bestraft?“
„Nein! Die Krieger des Hundebundes jagten sie viele Wochen hindurch mit ihren besten Spurenlesern, aber der Regen half den Flüchtenden schließlich zu entkommen.“
Die alte Frau versuchte ihn zu trösten: „Eines Tages wird man sie fangen, und dann müssen sie für ihre Tat bezahlen.“
„Ich werde nun die Lanze für meinen Großvater tragen. Es ist ein schlechtes Zeichen, dass unser verehrter und geachteter Anführer von seinen eigenen Leuten umgebracht wurde. Die Verantwortlichen müssen sterben wie Hunde!“
Nun erst verstand er die Prophezeiung seines Großvaters, als er gesagt hatte: „Ich sehe viele unglückliche Jahre auf die Sioux zukommen.“
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