1 ...6 7 8 10 11 12 ...20 Professionelle der Sozialen Arbeit verfügen über folgende Schlüsselkompetenzen:
• Beratungskompetenz: Beratung in der Sozialen Arbeit hat meist eine systemische Sichtweise, ist biografie- und lebensweltbezogen, ressourcen- und netzwerkorientiert; sie bezieht sich auf spezielle Zielgruppen, Aufgaben, Ziele, typische Fragestellungen; sie bedient sich spezieller Methoden und Techniken und stützt sich auf spezielles Wissen und Können der Berater
• Methodenkompetenz: Spezifische Methoden und Techniken (z. B. Krisenintervention, Schnittstellen- und Netzwerkarbeit etc.) werden für den Einzelfall planmäßig ausgewählt und reflektiert angewendet
• strategische Kompetenz: Systematisch, strukturiert und zielführend werden z. B. Ressourcen gebündelt oder unterschiedliche Interessen beachtet
• sozialpädagogische Kompetenz: Bildung, Lehren und Lernen kommen in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern/Erwachsenen zum Tragen (z. B. Weiterbildungsangebote, Angebote für Geschwister) sowie in der Kompetenzvermittlung (z. B. bei der Befähigung von Ehrenamtlichen)
• sozialrechtliche Kompetenz: Kenntnis der gesetzlichen Regelungen des SGB, angrenzender relevanter Rechtsbereiche und die Einhaltung des Datenschutzes sind Grundlage von Beratung und anwaltschaftlichem Handeln
• sozialadministrative Kompetenz: Kenntnisse über verwaltungstypische Grundlagen ermöglichen es, Arbeitsabläufe systematisch und transparent zu gestalten
• personale, kommunikative und mediative Kompetenz: Diskurs- und Diskussionsfähigkeit, Respekt und Achtung gehören ebenso zu den Schlüsselkompetenzen Sozialer Arbeit
• berufsethische Kompetenz: Die Sozialethik beachtet die ethischen Verhältnisse und Pflichten, die sich aus dem Gemeinschaftsleben ergeben (leitende Handlungsregeln, Wertehaltungen und -kanon, Verhaltensnormen)
• Kompetenzen zur Praxisforschung und Evaluation: (Empirische) Sozialforschung und Evaluation befassen sich mit der alltäglichen Praxis der Sozialen Arbeit, mit deren Rahmenbedingungen, Methoden und Zielen
5. Basis für all dies ist eine ethische Grundhaltung, die sich zum einen auf die berufsethischen Prinzipien der International FederationofSocialWorkers (IFSW) und zum anderen auf die ethische Grundhaltung von Palliative Care bezieht. Dadurch wird anerkannt und gefördert, den Tod als natürlichen Teil des Lebens zu betrachten und schwerkranken und sterbenden Menschen und ihren Zugehörigen mit Würde zu begegnen.
Deutlich wird an dieser Darstellung, dass es tatsächlich eine rein rhetorische Frage ist, ob auf Soziale Arbeit im Kontext von Palliative Care in Deutschland noch verzichtet werden kann. Soziale Arbeit in Palliative Care bietet vielschichtige praxis- und handlungsorientierte Ansatzpunkte, die allerdings theoretisch noch fundierter gefasst werden können. Sie ist somit bereits unabdingbarer Bestandteil palliativer Versorgungsstrukturen.
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin – Sektion Soziale Arbeit (2012) Profil Soziale Arbeit in Palliative Care ( https://www.dgpalliativmedizin.de/images/stories/Profil%20Soz.%20Arb.%20in%20Palliative%20Care.pdf, Zugriff am 06.05.2020).
Engelke E (2004) Die Wissenschaft Soziale Arbeit. Werdegang und Grundlagen. Freiburg: Lambertus-Verlag.
International Federation of Social Workers (Hrsg.) (2014) Definition Soziale Arbeit ( https://www.ifsw.org/wp-content/uploads/2019/07/definitive-deutschsprachige-Fassung-IFSWDefinition-mit-Kommentar-1.pdf5, Zugriff am 04.05.2020).
Staub-Bernasconi S (2007) Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft. Bern: Haupt.
WHO (2002) WHO Definition of Palliative Care ( https://www.who.int/cancer/palliative/definition/en/, Zugriff am 06.05.2020).
II Hintergrund
1 Die Anfänge – Cicely Saunders
H. Christof Müller-Busch
Die Gründung des St. Christopher Hospice in London durch Cicely Saunders im Jahre 1967 gilt allgemein als der historische Impuls für die Entwicklung der modernen Hospizbewegung und von Palliative Care. Cicely Saunders hat mit der Definition des multidimensionalen Tumorschmerzes als somato-psychosozio-spirituelles Phänomen (Clark 1999) auch den ersten Impuls gegeben, dass Palliative Care mehr ist als nur die Behandlung körperlicher Beschwerden, nämlich ein umfassendes Verständnis für die existenzielle Situation und das Leiden der Betroffenen und ihrer Familien. Doch was ist Palliative Care genau? Im Folgenden werden historische Entwicklungsprozesse der ganzheitlichen Betrachtung palliativer Situationen und palliativer Einrichtungen skizziert.
Viele Menschen können mit dem Begriff palliativ auch heute nur wenig anfangen, dieser scheint ein neuer Modebegriff zu sein, was jedoch nicht stimmt: Bereits im 17., 18. und 19. Jahrhundert lassen sich in der deutschsprachigen Literatur eine Reihe von Literaturstellen finden, in denen das Wort palliativ in unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen auftaucht, so z. B. bei Matthias Claudius, Friedrich Hölderlin, Friedrich Schiller, Immanuel Kant und Marie von Ebner-Eschenbach (vgl. Müller-Busch 2012). Die Verwendung des Wortes palliativ im Sinne von dämpfend, erleichternd, lindernd und täuschend war bis ins 19. Jahrhundert in gebildeten Kreisen geläufig. Sie lässt sich auch über englische und französische Literaturzitate nachweisen, so bei William Cowper, Jonathan Swift, Nicolas de Chamfort (vgl. Kraska und Müller-Busch 2017). Mit am eindrucksvollsten ist die Verwendung des Wortes palliativ im politischen Kontext. So finden wir das Wort mehrfach bei Karl Marx, später auch bei Rosa Luxemburg im Sinne von: das Übel nicht kurierend, nicht ursächlich, bei der Wurzel packend, oberflächlich bleibend (vgl. Müller-Busch 2012).
Die älteste bisher bekannte Quelle, in der von Palliation gesprochen wird, findet sich bei dem Lehrer von Guy de Chauliac, Henri de Mondeville (ca. 1260–1320)‚ Lehrer der Anatomie und Chirurgie in Montpellier und Leibarzt Philipps des Schönen (Weiss 2003, S. 210–217).
In der vormodernen Medizin (ca. 1500–1850) gab es eine intensive Diskussion zur Cura palliativa, die als unverzichtbare Alternative zu einer radikalen, kurativen Behandlung angesehen wurde. Cura palliativa war dabei auch ein polemischer Begriff in der damals heftig geführten Diskussion um die wahre ärztliche Kunst, die die weniger gebildete Konkurrenz für unfähig erklärte.
Der Begriff palliativ wird in der Regel auf das lateinische Wort pallium (Mantel, Umhang) bzw. palliare (bedecken, tarnen, lindern) zurückgeführt. In althochdeutschen Wörterbüchern wird auch auf die Nähe zu pallere oder pallescere (bleichen, blass sein) hingewiesen. In der vormodernen Medizin verband man das Wort palliareallerdings nicht nur mit Vorstellungen eines bloßen Bemäntelns. Es wurde ebenso zur Bezeichnung einer Maßnahme benutzt, die auch äußere Makel oder gar die Unfähigkeit des Heilkundigen, wirksam zu behandeln, verbergen sollte (Stolberg 2007, S. 7–29). In einem einführenden Kapitel zu seiner Chirurgia (um 1363) nannte Guy de Chauliac drei Ausnahmesituationen, in denen sich der Arzt mit einer cura larga, praeservativa et palliativa begnügen dürfe: erstens bei Krankheiten wie der Lepra, die grundsätzlich unheilbar seien, zweitens wenn der Patient eine mögliche kausale, kurative Behandlung ablehne oder die ärztlichen Anweisungen nicht befolge, und drittens wenn die kurative Behandlung größeren Schaden anrichten würde als die Krankheit selbst.
Die Wiedereinführung des Begriffs palliativ in die moderne Medizin als besondere Form der Betreuung ist auf Balfour Mount zurückzuführen. Er begründete in Montreal im Jahre 1973 die erste moderne Palliativstation, die sich speziell der Behandlung sterbender und an weit fortgeschrittenen Erkrankungen leidenden Menschen widmete. Wenige Monate zuvor hatte er das St. Christopher Hospice in London besucht und dort das empathische Wirken Cicely Saunders kennengelernt. Da im Unterschied zu dem englischen Wort hospice das gleiche Wort im Französischen für Einrichtungen zur Pflege alter und sterbender Menschen negativ besetzt war, suchte Balfour Mount nach einem anderen Begriff und entdeckte dabei das damals im Sinne von lindern in der Medizin nur selten gebrauchte und kaum bekannte Wort palliativ wieder und nutzte die positive Konnotation des Wortes, auch um damit darauf hinzuweisen, dass es in Palliative Care um ein umfassendes Betreuungskonzept für die vielen Probleme bei Sterbenden geht.
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