JOSEF IMBACH
Sternstunden und Schandflecke der Kirchengeschichte
JOSEF IMBACH
Sternstunden und Schandflecke der Kirchengeschichte
Echter
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1. Auflage 2019
© 2019 Echter Verlag GmbH, Würzburg
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ISBN 978-3-429-05353-6 (print)
ISBN 978-3-429-05010-8 (PDF)
ISBN 978-3-429-06420-4 (ePub)
Inhalt
Zur Einführung: Göttliches Feuer und menschlicher Rauch
Machtkämpfe oder Seht, wie sie miteinander streiten!
Papst und Kaiser oder Eine Fälscherwerkstatt am päpstlichen Hof
Die Stunde der Aussteiger oder Gottsuche unter der Wüstensonne
Abschied von der Welt oder Die Grünen sind im Kommen
Isidor von Sevilla oder Der erste »Brockhaus«
Die Leichensynode oder Schändung der Totenruhe
Das »Dunkle Zeitalter« oder Wie es zum Konklave kam
Fußkuss für den Papst oder Canossa und die Folgen
»Deus lo vult« oder Die Gier nach Macht und Geld
Thomas von Aquin oder Ein Leuchtstern am Gelehrtenhimmel
Der mächtige Papst und der bärtige Bettler oder Der Konflikt zwischen Gott und Geld
Klara und ihre mutigen Schwestern oder Eine Adelstochter probt den Aufstand
»Eine höchst verhasste Institution« oder Wie die Verfolgten zu Verfolgern wurden
Ein Kirchenfürst auf Reisen oder Der Bischof nimmt ein Bad
Fürstinnen im Petersdom oder Frauen und Politik
Fijo de mignotta oder Ein Papst erfindet die Musiktherapie
Das Kloster als Alternative oder Das Zeugnis der Frauen
»Concilium superat Papam« oder Das letzte Wort dem Konzil
Jan Hus und Michel Servet oder Ketzerverbrennung auf Katholisch und auf Calvinistisch
Der Mönch und der Mammon oder Ein Kreuz auf dem Kontobuch
Papstkinder oder Das ›Erbe des Petrus‹ geht an den Familienclan
Andere Zeiten, andere Unsitten oder Venus im Kirchenstaat
San Giovanni Decollato oder Trost am Schafott
Zucht und Unzucht oder Blick ins Vatikanische Geheimarchiv
Verurteilt zum Klosterkerker oder Sadismus im Namen des Glaubens
Gaukler oder Mystiker? oder Filippo lacht und Gott lächelt
Freikarten fürs Himmelreich oder Das Geschäft mit der Jenseitsangst
Der Streit um die Bilder oder Die Schandtaten der Reformer
Ein Papst macht Ernst oder Die Römer begehren auf
Bartolomé de Las Casas oder Machtwissen und Dienstwissen
Erasmus von Rotterdam oder Der Satiriker als Seher
»Geh in dein Herz und denke nach …«oder Ein Liederdichter für alle Konfessionen
Neues zum Fall Galilei oder Wie Aristoteles einen Gelehrten beinahe auf den Scheiterhaufen brachte
»Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?« oder Ein Verzweifelter kämpft gegen den Hexenwahn
Klamotten und Küchenzettel oder Die Faszination von Statussymbolen
»Ein Geläute von Narrenschellen und Kirchenglocken« oder Von einem, der aufrichtet statt abkanzelt
»Was ihr einem dieser Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan« oder Weihnachten in Trastevere
Was ist evangelisch? oder Woran christliche Identität sich misst
Literaturhinweis (Auswahl)
Dank
Zur Einführung: Göttliches Feuerund menschlicher Rauch
»Jésus annonçait le royaume, et c’est l’Église qui est venue – Jesus verkündete das Reich Gottes, und dann kam die Kirche.« Diese oft zitierte Äußerung des französischen Theologen und Historikers Alfred Loisy bringt das Problem auf den Punkt. Tatsächlich hat Jesus nicht daran gedacht, eine Kirche zu gründen. Er hat Menschen in seine Nachfolge gerufen. Und die sich ihm beigesellten, bildeten eine Gemeinschaft, die sich bald einmal institutionalisierte. Die Frage ist daher nicht, ob Jesus eine Kirche wollte, sondern ob die Menschen, die sich auf ihn berufen, tatsächlich seine Absichten verwirklichen und entsprechend handeln. Dass es innerhalb der Jesusbewegung schon früh zu Kontroversen kam, was im konkreten Fall dem Willen des Nazareners entspreche, verwundert nicht. Nachdenklich stimmt jedoch die Tatsache, dass bei der Umsetzung des Jesusprogramms längst nicht immer uneigennützige Motive, sondern oft auch Machtgelüste, Geldgier und persönliche Rivalitäten eine nicht zu unterschätzende Rolle spielten.
Was ist die Kirche? Auf diese Frage antwortet der 1566 im Anschluss an das Reformkonzil von Trient herausgegebene Catechismus Romanus: »Die Kirche ist das Reich Gottes auf Erden.« Womit sie sich praktisch gegen jede Art von Kritik immunisierte.
»Kirche? Was ist denn das?« Diese Frage stellt auch Friedrich Nietzsche in seiner Schrift Also sprach Zarathustra . Dort lautet die Antwort: »Kirche – das ist eine Art von Staat, und zwar die verlogenste.«
Auch wenn man Nietzsches Behauptung mit guten Gründen widersprechen kann, bedeutet das noch lange nicht, dass man sich deswegen die erwähnte Katechismusantwort zu eigen machen muss. Ausdrücklich wurde diese quasi häretische Ansicht erst vom Zweiten Vatikanischen Konzil zurückgenommen, wenn es in seinem Grundsatzdokument Über die Kirche lehrt, dass diese auf dem Weg zum Gottesreich ist, bis zum Ende der Zeiten. Weiter unterstreicht das Konzil, dass die Kirche eine »komplexe Wirklichkeit« ist, »die aus göttlichen und menschlichen Elementen zusammenwächst«. Ins Alltagsdeutsch übersetzt: Aus dem von Jesus entfachten göttlichen Feuer züngeln nicht nur geistliche Flammen; vielmehr steigt daraus auch viel garstiger menschlicher Rauch empor. Was das praktisch bedeutet, hat Joseph Ratzinger vor Jahren, als er in Regensburg noch Theologie unterrichtete, so formuliert:
Es ist nicht zu verkennen, dass auch von Amts wegen vieles in der empirischen Kirche geschieht, was, theologisch gesehen, unkirchlich oder gar antikirchlich ist. Die Folgen dieser für unser heutiges Empfinden ob ihrer Selbstverständlichkeit beinahe banal klingenden Aussage sind schwerwiegend. Denn wenn es so steht, und zwar nach kirchlicher Lehre so steht, dann kann und darf gerade die Kirche selbst eine Totalidentifikation mit der jeweiligen empirischen [d. h. konkreten] Kirche nicht wollen.
Kurzum, das göttliche Wesen der Kirche ist an allen Orten und zu allen Zeiten von menschlichem Unwesen durchsetzt. Daraus folgt, dass sich die Treue zur Kirche nicht in blinder Ergebenheit, sondern in kritischer Loyalität manifestiert. Denn nicht mit der Kirche schlechthin, sondern mit Christus (und seiner Vorstellung von Gemeinschaft) können und sollen sich die Getauften vollumfänglich identifizieren. Diese Identifikation bildet gleichzeitig das kritische Korrektiv gegenüber der konkreten Kirche, die (wie schon die Kirchenväter betonten) ständig der Umkehr und der Erneuerung bedarf.
Seit jeher hat es Rufer und Mahnerinnen gegeben, die im Namen Jesu, im Namen des Evangeliums und im Namen Gottes Missstände anprangerten und zu Reformen aufriefen. So wird denn hinsichtlich der Geschichte der römischen Kirche (von ihr ist in diesem Buch die Rede) nicht nur deren Größe, sondern auch ihr Elend augenscheinlich. Dabei kann es nicht darum gehen, Sternstunden gegen Schandtaten aufzurechnen. Vielmehr werden im Folgenden ruhmreiche Ereignisse und Ärgernis erregende Entwicklungen nach Möglichkeit in chronologischer Reihenfolge dargestellt (wobei jedes Kapitel ein Ganzes bildet, sodass mit der Lektüre auch in der Buchmitte begonnen werden kann). Gelegentlich kommt gar beides in ein und derselben Geschichte zur Sprache – etwa wenn Papst Hadrian VI. die Laster der Kurie geißelt und gleichzeitig eine Reform des Klerus anmahnt. Die Blütezeiten verdienen es durchaus, großgeschrieben zu werden, allerdings ohne dass die Skandale im Kleingedruckten verkrümeln. Stets handelt es sich um Momentaufnahmen von Höhen und Tiefen einer Glaubensgemeinschaft, die wie jede menschliche Institution immer wieder hinter ihren eigenen Ansprüchen zurückbleibt.
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