Ignaz und Josef Zingerle
Kinder- und Hausmärchen aus Tirol
53 Märchen zum Vorlesen auf über 200 Seiten: Es war einmal…
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Ignaz und Josef Zingerle Kinder- und Hausmärchen aus Tirol 53 Märchen zum Vorlesen auf über 200 Seiten: Es war einmal… Dieses ebook wurde erstellt bei
Kinder- und Hausmärchen aus Tirol
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Impressum neobooks
Kinder- und Hausmärchen aus Tirol
Vorrede zur ersten Auflage.
Fr. Lentner schreibt in seinen »Geschichten aus den
Bergen«: »Die Zeit ist nicht mehr ferne, wo das Märchen
selbst zum Märchen geworden sein wird und
man sich erzählt, daß es Sagen gegeben habe. Seit
ihre Überlieferung eine schriftliche geworden ist, geriet
ihr eigentlicher Lebenssaft ins Stocken; – das
Lesen macht den Erzähler überflüssig; dabei verstummen
aber auch die letzten Wissenden und dem, der
nicht liest, geht sein lebendes Buch verloren, dessen
Inhalt gewiß nicht einmal vollständig gerettet wurde
ins Gedruckte. Der deutsche Bauer unserer Tage, trotz
seiner Schulkünste, um wieviel weniger weiß er nicht
von jenen Geschichten, Schnurren, Sprüchen und
Märchen, die ihm in erfreulicher, leichtfaßlicher Form
eine Menge leichtfaßlicher Lehrsätze, nutzbare Moral
und echte Volksweisheit an die Hand gaben? – Je seltener
ein wirklicher Geschichten- und Sagenbesitz
beim Landvolk geworden, desto schätzbarer ist das
Wenige, was einzelne Gegenden unter manchen äußeren
und inneren Begünstigungen noch heute bei frischem
Leben erhalten haben.«
Was in dieser Stelle einer meiner geehrtesten
Freunde im Jahr 1851 niederschrieb, schwebte mir
vor, als ich im Jahre 1843 meine Sammlung der
Sagen, Märchen, Volkssprüche etc. begann. Mein
herrliches Vaterland schien mir einer der gesegneten
Winkel zu sein, in dem noch mancher Schatz ruht, der
anderswo nicht mehr zu finden ist. Die echte Volkspoesie
klingt noch in den Bergen und Sagen, die in
andern Ländern lange schon verschollen sind, tönen
noch in unsern von Eisgebirgen umfriedeten Tälern.
Wie sich in unsern Dialekten mittelalterliche Formen
und Redensarten, die wir in den mittelhochdeutschen
Dichtungen lieb gewonnen haben, zahlreich
wieder finden, so wandern noch häufig Sagen und
Märchen im Munde des Volkes, die mit den Götterund
Heldensagen unserer Vorfahren in engster Verwandtschaft
stehen und auf manche dunkle Stelle unserer
alten Dichtungen helle Schlaglichter werfen.
Wie in den Gebirgsländern sich ein festes Anklammern
an das Althergebrachte zeigt und heutige Sitten
noch von d e m Zeugnis geben, was einst in uralter
Zeit gebräuchlich war, so haben sich in unsern Gebirgen
noch Gewohnheiten und Gebräuche erhalten, die
in der Ebene lange schon vergessen und begraben
sind. Wenn aber heute noch ein altes Lied erklingt, so
steht uns niemand Bürge, ob es morgen auch erschallen
werde; wenn heute eine alte Kindsmagd den lauschenden
Kleinen noch ein Märchen erzählt, sind wir
nicht gesichert, ob morgen die alte Dichtung mit der
Erzählerin nicht zu Grabe gehe. Die alte Zeit ver-
schwindet und mit ihr drohen auch ihre Blüten zu
welken und zu verdorren. Je rascher ein neuer Geist in
die Entwicklung des Lebens greift, desto schneller
werden uns die alten Schätze entrückt. Wer steht
dafür, daß unsere einheimischen Volksdichtungen
noch blühen und das Herz erfreuen werden, wenn die
Dampfwagen durch unsere Täler brausen werden und
das bisher Ferne uns nahe liegen wird? Wir können
und dürfen uns derartige Gedanken nicht verhehlen
und müssen sammeln, so lange es noch Abend ist, –
denn sonst dürfte die Reue zu spät kommen, wenn ein
späterer Sammler anstatt der Rosen nur mehr dürre
Halme und stachlichte Hagenbutten finden würde.
Diese Gedanken leiteten mich, als ich meine
Sammlung begann, dieselben erfüllten mich jetzt, da
ich das erste Bändchen meiner Lese in die weite,
fremde Welt sende. Es enthält die Kinder- und Hausmärchen
Tirols, die kindlichen, zarten Dichtungen,
die den Kindern erzählt werden oder die man sich an
langen Winterabenden mitteilt, wenn in getäfelter
Stube das Kienscheit flammt, der Mond durchs Fenster
schaut und die traulichen Räder schnurren. Das
Bändchen zählt 40 solche Kinder unserer Volksmuse.
Es gibt deren wohl ungleich mehrere in unsern Bergen,
allein wir finden sie schon in andern Märchensammlungen
erzählt und deswegen ließen wir sie aus
dem Spiele. Wir haben nur solche Märchen aufge-
nommen, die man in derselben Gestalt in andern Büchern
nicht findet. Dieses hindert uns aber nicht, Erzählungen,
die mit bereits gedruckten Märchen verwandt
sind, aber sich doch durch einzelne Züge davon
unterscheiden, aufzunehmen. Wir haben es sogar
zweckmäßig gefunden, ein und dasselbe Märchen, das
aber in verschiedenen Teilen Tirols verschieden erzählt
wird, in den verschiedenen Fassungen den Lesern
mitzuteilen. Ein Beispiel dieser Art mögen uns
die Märchen »Zistl im Körbel«, »Die drei Schwestern
« und »Das Hennenpfösl« bieten. Stammärchen
ist in allen dasselbe, das eine Thema hat drei Variationen
erhalten und es ist nicht uninteressant, diese
feinen Unterschiede in der Darstellung zu verfolgen.
Das Mütterchen in Passeier erzählt »Das Hennenpfösl,
« die alte Kindsmagd in Meran »Die drei
Schwestern« und bei Bozen hört man »Das Zistl im
Körbel.« –
Was die Darstellung der mitgeteilten Märchen betrifft,
so beflissen wir uns die volkstümliche Erzählungsweise,
so viel als möglich war, beizubehalten.
Mit einer fast kindlichen Pietät bestreben wir uns,
jede fremde Zutat selbst dort ferne zu halten, wo uns
die Erzählung lückenhaft schien. Wir wollen das
Empfangene treu in jener Gestalt wieder geben, in der
wir es empfangen haben. Dies Streben, den Volkston
treu beizubehalten, wird manche Provinzialismen, die
wir geflissentlich einwoben, entschuldigen und rechtfertigen.
Sollte einer unserer Leser um die Quellen
fragen, aus denen wir schöpften, so müssen wir ihn
treu und aufrichtig gestehen, daß wir nur e i n e Quelle,
d i e T r a d i t i o n d e s V o l k e s , benützten.
Möge dieser erste Band unsers Sammelwerkes die
Jugend erheitern, das Volk unterhalten und dem Forscher
eine willkommene Gabe sein! – Sollte dieser
Wunsch erfüllt werden, so werden wir mit doppeltem
Eifer an die Fortsetzung unsers Werkes gehen, dessen
nächstfolgende Bändchen die Sagen, Volkslieder,
Schnaderhüpflen, Rätseln und Sprichwörter unseres
Volkes bringen werden1.
Am Schlusse dieser Vorrede wende ich mich an die
Freunde der Volksdichtungen und der alten Volksgebräuche
in unsern Bergen mit der Bitte, die Reste der
Volkspoesie und Volkssitte zu sammeln und uns mit
ihren Spenden zu beehren. Nur vereinten Kräften und
einem aufrichtigen Zusammenwirken wird das begonnene
Werk gelingen, dem jeder unparteiische Forscher
seine Anerkennung zollen wird. Zum Schlusse meinen
Читать дальше