man je auf dieser Erde gesehen hatte, und das Mädchen
nahm eines, das wie die Sonne am Mittag glänzte,
wusch sich am Bächlein, zog das Sonnenkleid an
und ging in die Kirche zur Messe. –
Sie kam gerade zum Gloria. Als die Leute das
S o n n e n k l e i d sahen, machten sie der Kommenden
ehrerbietig Platz, so daß sie bis zum Betstuhle
des Grafen kam. Das arme Mädchen im reichen Sonnenkleide
kniete sich neben ihm nieder und betete.
Der Graf war aber ganz überrascht und sah die schöne
Nachbarin an und wurde immer zerstreuter, je mehr er
sie ansah, denn sie dünkte ihm gar zu schön. Wie die
Messe vorbei war, eilte die Schöne im Sonnenkleide
aus der Kirche, daß es rauschte, und entschwand in
den Wald. Dort zog sie das schimmernde Sonnenkleid
ab, tat das arme, schmutzige graue Kittelchen an und
kehrte als Hennenmädel wieder zum Schlosse zurück.
Der Graf hatte aber seit der Sonntagsmesse keine
frohe Stunde mehr, denn es fehlte ihm etwas und er
getraute sich nicht, es zu sagen. Er war verstimmt und
sah oft Viertelstunden lang zum Fenster hinaus, ohne
ein Auge zu verwenden. Die Wochentage schienen
ihm zu langsam vorbeizugehen und er sehnte sich
nach der Sonntagsmesse. Endlich kam wieder der
Sonntag und die Glocken läuteten zur Messe, da ging
das arme Mädchen wieder in den Wald hinaus und
kam tiefer und tiefer bis zur Eiche. »Graue Eiche,
öffne dich!« sprach es und die graue Eiche öffnete
sich und in ihr waren die schönsten Kleider, so man je
auf dieser Erde gesehen hatte, und darunter war ein
Kleid, das glänzte so licht und blaß und schön wie der
Mond, wenn er am klaren Abendhimmel steht, und
das gefiel dem Mädchen vor allen übrigen, und das
zog es, nachdem es sich an dem klaren Bächlein gewaschen
hatte, an und eilte in die Kirche. Wie das
Mädchen in die Kirche kam, machten alle der schönen
Jungfrau im M o n d k l e i d e ehrerbietig Platz, so
daß sie bis zum Betstuhle des Grafen kam. Sie kniete
sich hinein und der Graf sah die schöne Jungfrau an
und sah das Mondkleid und konnte keinen Blick von
ihr wenden. Als die Messe zu Ende ging, winkte der
Graf den Bedienten, der unbekannten Jungfrau zu folgen
und sie nicht wegzulassen. Als das schöne Mädchen
wieder sich entfernte und das Mondkleid rauschte,
machten sich die Bedienten auf und folgten ihm
auf dem Fuße nach. Es eilte aus Leibeskräften, doch
vergebens. Als es aber sah, daß kein Entrinnen möglich
sei, holte es aus ihrem Beutel blanke Zwanziger
hervor, die sie aus der Eiche mitgenommen, und warf
sie aus. Die Diener machten sich nun gierig über die
Silberlinge her und dachten, wenn sie genug Geld hätten,
könnten sie auch anderswo unterkommen. – Das
arme Mädchen entkam aber im Mondkleide zur grau-
en Eiche, zog das blasse Mondkleid ab, tat wieder das
arme, schmutzige graue Kittelchen an und kehrte als
Hennenmädel zum stolzen Schlosse zurück, wo es die
Hähne, Hennen und Hühnlein auf dem Wiesengrunde
hinter dem Turme hütete. –
Der junge Graf aber hatte nun keine Ruhe und
keine Rast mehr, denn es fehlte ihm die schöne Jungfrau
im blassen Mondkleide und das machte ihn verstimmt
und unzufrieden, so daß sein Antlitz, das früher
wie eine Rose blühte, welkte und seine Stirne nie
mehr heiter war. Stundenlang stand er auf dem Söller
und sah gedankenlos in die blaue Ferne hinaus und in
Gesellschaften wußte er nicht einmal, wovon gesprochen
wurde. Die lange, lange Woche schien ihm gar
kein Ende nehmen zu wollen, so langsam verschlichen
ihm die Tage. Als wieder der Sonntag kam und
die Glocken läuteten, ging der Graf wieder in die Kirche;
das Hennenmädchen aber ging wieder in den
Wald hinaus zur grauen Eiche, wusch sich an der klaren
Quelle und sprach mit hastiger Stimme: »Graue
Eiche, öffne dich!« Die graue Eiche öffnete sich und
das Mädchen nahm diesmal das S t e r n e n k l e i d .
Das war blau und voll goldener Sterne, die glänzten
aber wie wirkliche Sterne, die nachts am Himmel stehen,
und es war, als ob sie sich sachte bewegten und
bald mehr, bald weniger schimmerten. Zugleich steckte
sie viele, viele Goldstücke in die Tasche und eilte
in die Messe. Es war schon das Gloria, als die schöne
Jungfrau im schimmernden Sternenkleide daher kam
und sich an die Seite des Grafen kniete. Der Graf war
wieder froh und sah und sah nur die schöne Jungfrau
an und das schimmernde Sternenkleid und konnte keinen
Blick von ihr wenden, denn er meinte, noch nie
etwas Schöneres gesehen zu haben. Und wie er sie so
selig ansah, wurde ihm das Herz so weich, daß er den
Grafenring von der Hand zog und ihn der schönen
Nachbarin an den Finger steckte. Als die Messe zu
Ende war und die schöne Jungfrau aus der Kirche
ging und das Sternenkleid rauschte, stürzten auf einen
Wink des Grafen die Diener ihr nach und folgten ihr
auf dem Fuße. Sie griff aber in den Beutel und warf
Goldstücke aus, daß es auf dem Boden glitzerte und
funkelte, als hätte es Gold geschneit, und die Diener
warfen sich auf die goldenen Füchse und dachten:
»Wenn wir Geld genug haben, können wir auch anderswo
unterkommen.« – Das arme Mädchen im Sternenkleide
enteilte aber, ging zur grauen Eiche, zog
das schimmernde Sternenkleid ab, tat wieder das
arme, schmutzige graue Kittelchen an und kehrte als
Hennenmädel zum stolzen Schlosse zurück, wo es die
Hähne, Hennen und Hühnlein auf dem Wiesengrunde
hinter dem Turme hütete. –
Der Graf hatte aber keinen frohen Tag mehr, so
ging es ihm zu Herzen, und er sah tagtäglich blässer
aus und alterte zusehends. Man holte Ärzte aus der
ganzen Umgegend, allein sie konnten dem kranken
Grafen nicht helfen, denn es war für diese Krankheit
kein Kräutlein gewachsen.
Da rieten dem kranken Herrn die Freunde, die um
die Sache wußten, er solle sich aufheitern, und ließen
ein großes Mahl veranstalten, zu dem viele lustige
Gesellen geladen wurden. Da gab es in der Küche
vollauf zu tun und das Hennenmädel mußte auch helfen
und die Hühnlein und Hähnlein rupfen, die es früher
auf dem Wiesengrunde draußen gehütet hatte.
Und wie es damit fertig war, mußte es zum Herde und
der Köchin, die gerade Kuchen buk, die Pfanne halten.
Und wenn die Kuchen recht hin und her wogten
und das Schmalz aufbrodelte und wallte, kam das
Hennenmädel auch die Lust an, einen Kuchen hineinzugeben.
Es bat die Köchin darum, aber diese
schnauzte und barschte das Mädchen an und schlug
seine Bitte geradezu ab. Als aber das Hennenmädel
immer von neuem bat, sagte endlich die Köchin: »Da
von diesem Teigreste kannst einen Kuchen machen,«
denn sie dachte, dieser kommt doch nicht mehr auf die
Tafel.
Das Mädchen war voller Freude darob und gab den
Kuchen in die Pfanne, zuvor hatte sie aber schnell den
Grafenring in den Teig gebracht. Wie der Kuchen nun
im brodelnden Schmalze schwamm, wurde er immer
größer und ging so auf, daß er der schönste unter
allen war und auf einem Teller nicht einmal Platz
hatte und alle über den schönen Kuchen staunten. Die
Köchin ließ den schönen Kuchen auf einer besonderen
Tasse zur Tafel tragen und dem Grafen vorstellen.
Als alle den Kuchen genug bewundert hatten, zerschnitt
der traurige Graf den Kuchen – und sank fast
ohnmächtig auf den Sessel zurück. Bald erholte er
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