Braut nahm aber das funkelnde Andenken zu sich und
legte es zu ihrem Gelde. Dies nahm aber nie mehr ab,
mochte sie davon nehmen, so viel sie wollte, und seitdem
war sie die reichste und stattlichste Bäuerin im
ganzen Dorfe.
(U n t e r i n n t a l . )
Fußnoten
1 Speise aus Maismehl. Schöpf, Tirolisches Idiotikon
817.
4. Fischlein kleb an!
Es waren einmal drei Knaben, denen war ihre Mutter
gestorben, und an ihrer Stelle hatte ihnen der Vater
eine recht herbe Stiefmutter in die Hütte gebracht. Sie
mochten tun und treiben, was sie wollten, nie war es
recht. Anstatt des Morgensegens bekamen sie Scheltworte
und anstatt des Brotes erhielten sie Schläge und
nachts konnten sie froh sein, wenn sie vor Hunger die
müden Augen schließen konnten. Da dachten sich die
Knaben wohl oft: »Wenn die rechte Mutter noch
lebte!« Allein keiner wagte es zu sagen; nur der jüngste,
Hans, ließ hin und wieder einen solchen Gedanken
halblaut werden. Aber gerade deshalb konnte ihn
die neue Mutter nicht leiden und ausstehen und bekamen
die übrigen zwei an Festtagen zwei Kuchen, so
bekam er einen; und schnitt den andern die Mutter
alle heiligen Zeiten einmal ein freundliches Gesicht,
so sah er immer nur ein finsteres und saures. Hans
mußte die schwersten Arbeiten tun und konnte er sie
nicht vollbringen, so wurde er verlacht, gescholten
und geschlagen.
Einmal, es war gerade Frühling und die Veilchen
guckten hervor und die Vögel sangen, gab ihm die
böse Stiefmutter eine Reiter (grobes Sieb) und sagte:
»Geh zum Brunnen und hol mir darin Wasser!«
Hans blickte bald das Geflecht, bald die barsche
Machthaberin an und die schwarzen Augen gingen
ihm über; denn er sah die Unmöglichkeit des Befehles
und kannte seine Mutter.
»Willst du gehen oder nicht?« barschte sie den Zögernden
an, daß der arme Knabe zusammenfuhr wie
das zitternde Espenlaub, »oder soll ich den Hund dir
nachhetzen?«
Weinend und trostlos schwankte Hans mit seinem
durchsichtigen Gefäße hin zum Nußbaume, in dessen
Schatten der Brunnen rauschte. Hoffnungslos hob er
die Reiter hinauf und ließ den Wasserstrahl hineinplätschern;
dieser brach sich aber an den Stäbchen
und sprang und sickerte durch – und heftiger weinte
Hans, daß es ihm fast das Herz abstieß. Obwohl er
keine Hoffnung auf ein gutes Ende hatte, stund er
doch, um dem Gewitter, das seiner zu Hause wartete,
solange als möglich zu entgehen: aber das Wasser
sprang und sickerte durch und nicht ein Tröpflein
blieb an einem Stabe hängen. Wie der Arme so dastund,
kam plötzlich an einer Krücke gebückt ein
Mütterchen daher, das er noch nie gesehen hatte und
das ihm fast unheimlich vorkam. Das Angesicht war
runzelig wie ein Apfel im Mai, die pechschwarzen
Augen guckten unstet und durchbohrend hin und wieder
und ihre Nase zog sich hackenähnlich über den
zahnlosen Mund herunter.
»Was machst du da, Hans?« sprach sie mit kreischender
Stimme.
Hans erbebte, als er seinen Namen von der nie Gesehenen
nennen hörte.
»Brauchst dich nicht zu fürchten. Ich mein's gut
mit dir. Was machst du?« frug sie im vertraulichen
Tone.
Hans faßte sich ein Herz und sagte, er müsse hier
in der Reiter Wasser holen, das Wasser laufe aber
immer davon und ohne Wasser dürfe er der Stiefmutter
nicht unter die Augen kommen. Hier brach er ab;
das Weinen erstickte seine Stimme; Tränen rollten
über die blassen, eingefallenen Wangen des Knaben
und netzten das zerlumpte Lodenwams.
»Laß das Weinen!« fiel tröstend die Alte ein. »Ich
will dir helfen, und wenn du immer gut und brav sein
wirst, sollst du ein großer Herr werden, vor dem sich
alles bückt. Ich habe deine Tränen gezählt und will
sie abtrocknen.« »Fischlein, Fischlein«, rief sie darauf
mit erhöhter, fast gebieterischer Stimme; dabei tat sie
einen raschen Griff in den Trog und husch! zappelte
ein winziges, blaues Fischlein mit goldroten Blümlein
betupft in der runzligen Hand der Alten.
»Da nimm das Fischlein kleb an,« begann die Alte
zum verblüfften Knaben, der schluchzend noch die
Hände, mit denen er soeben die Augen ausgewischt,
über die Stirne hielt, – »und bewahre es wohl! Das
Fischlein hat Wunderkräfte und sie sind in deiner
Hand. Benütze sie klug und redlich! – Sprichst du
zum Fischlein: ›Fischlein kleb an!‹, so wird alles, was
es berührt, daran kleben bleiben und niemand, selbst
der Kaiser nicht, könnte sich davon losmachen. Alles
muß dir folgen. Willst du aber jemanden freilassen, so
berühre ihn mit dieser Nadel« – hier zog sie eine funkelnde
Brustnadel aus ihrem Mieder – »und er ist
frei.«
»Aber die Mutter, wenn ich heute kein Wasser
bringe?! – und ich bin schon so lange aus!« seufzte
Hans noch beklommen.
»Dem soll gleich geholfen werden!« erwiderte das
Mütterchen, warf das blaue, goldbeblümte Fischlein
in die Reiter und das Wasser plätscherte und plätscherte
hinein und kein Tropfen rann durch die Spalten,
und bald war das Gefäß voll und das Wasser lief
über.
»Nun nimm dein Zeug und geh!« sprach freundlich
das Mütterchen. Der Knabe sah sie mit halbgeöffnetem
Munde an, hob die Reiter auf den Kopf und wollte
der guten Frau danken; aber Mütterchen und Krükke
waren verschwunden, nur ein rötlicher Dunst entstieg
jener Stelle und verzog sich in die Luft.
Hans trottete nun über Stock und Stein nach Hause.
Die Stiefmutter staunte und staunte, konnte aber dem
Knaben, der ihr die Geschichte erzählte, nur vom
Fischlein schwieg, nicht böse sein, verkochte das
Wasser und gab ein andermal dem Knaben das
Schäfflein, das er bei Lebzeiten der rechten Mutter zu
tragen gewohnt war. Hans trug das Fischlein immer
bei sich im Sacke und in der Nacht ließ er es unter
seinem Strohpolster schlafen und hatte es recht lieb.
So ging es geraume Zeit; der Knabe trug das Fischlein
bei sich, sagte aber nie »kleb an« und das Fischlein
verhielt sich ruhig und klebte nie an. Als einige
Jahre vorübergestrichen und die Stiefmutter schon alterte,
lud Hans, der nun ein weidlicher Bursche war,
die Kohlköpfe auf den Wagen, um sie nach Hause zu
führen. Des Nachbars Gänse leisteten ihm Gesellschaft
und schnatterten ihm vor und schnappten nach
manchem Kohlkopfe. Als er geladen hatte und weiterlenkte,
folgte die Gansherde dem Fuhrwerke und
schnatterte ihr kra, kra, kra und der Gänserich langte
seinen roten Schnabel nach der Fracht. Hans wurde
endlich der Begleitung überdrüssig und dachte: »Ich
will's euch dummen Gänsen schon machen.« »Fischlein
kleb an!« lispelte er und der Gänserich hing am
Kohlkopfe und die Gänse hingen in einer langen
Reihe an ihm, so daß der Schnabel der einen am
Schweife der andern hing. Kra, kra, kra schnatterten
die fünfundzwanzig Gänse. Wie es so weiter ging,
kamen sie zu des Nachbars Hof. Die Bäuerin hörte
das Geschnatter, eilte mit einem Besen heraus und er-
staunte nicht wenig über diesen Zug. Mürrisch wollte
sie die Gänse weg und in den Stall treiben, Hans lispelte
aber: »Fischlein kleb an!« und die Bäuerin hing
mit dem Besen an der letzten Gans und konnte nicht
weiter. Kra, kra, kra ging es nun weiter, Hans voraus,
dann kamen die grünen Kohlköpfe, die weißen Gänse
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