Es ist genauso wie bei den hölzernen Götzenbildern des Psalms, die »Augen haben, aber nicht sehen«. Dasselbe kann man über die Menschen sagen. Es ist so einfach, über Andere zu urteilen, ihr ganzes Leben zu reduzieren auf einen winzigen Fehler. Das ist die Wurzel jeden Vorurteils, sei es nun persönlich oder national wie auch ethnisch. Das ist der Stoff für Witze, die gewöhnlich ihren Grund in einer Karikatur der Wirklichkeit haben. Aber wenn man eine Person trifft und in der Begegnung einen Einblick in ihr Herz bekommt, verschwinden alle Witze, und was bleibt ist das Wunder und die Spur Gottes in dieser Person. So war es bei mir. Superior und später Provinzial zu werden öffnete mir diese Tür zu den Herzen Anderer. Damals erfasste ich, dass ich diese Jesuiten nicht wirklich kannte, bis sie ihr Herz öffneten … und Gott war da, verdeckt hinter manchen Fehlern und Schwächen. Sein Bild war verschwommen und fast unsichtbar geworden aufgrund der oberflächlichen Urteile und der Nachreden, die wir so leicht in Gerüchten verbreiten, ohne nach ihrer Wahrheit zu fragen. Diese Erfahrung, das Unerwartete im Herzen meiner Mitbrüder zu finden, machte mich aufmerksamer auf das Unerwartete in jeder Angelegenheit. Sie ließ mich fragen: Was suche ich in der Welt, in der ich lebe? Beschränke ich mich auf die Produkte, die der Markt als beachtenswert vorschreibt? Dann würde ich Bequemlichkeit, Macht, Sex, Ansehen und Erfolg suchen. Oder suche ich Gott, Güte, Gerechtigkeit, Großzügigkeit und Weite des Herzens? Das macht den Unterschied!
Text: Pedro Arrupe Pedro Arrupe Unser Ziel ist, Männer zu werden, die wie Ignatius in einer langen, nie endenden Erfahrung des Herrn erzogen, ständig auf der Suche nach dem Herrn sind und auf ihn hören und sich einen gewissen übernatürlichen Spürsinn dafür aneignen zu erkennen, wo er ist und wo er nicht ist. Dieser Geist der Unterscheidung mit seinen unumgänglichen Aspekten ist Grundlage und Voraussetzung für jede Evangelistentätigkeit. Ohne diesen Geist ist dieses Wirken nicht mehr authentisch und, statt die Kirche und die Gesellschaft aufzubauen, zerstört es sie. P. Pedro Arrupe SJ, Die Eigenart unserer Gesellschaft. Geistliche Texte SJ, Nr. 6, (München 1982), 37–38. Pedro Arrupe SJ (1907–1991) wurde 1965 zum Generaloberen der SJ gewählt und übte dieses Amt bis zu seinem Schlaganfall 1981 aus .
II. Grundsätzliches II. Grundsätzliches
TONI WITWER SJ
»Gott suchen und finden« in Leben, Praxis und Anweisungen des hl. Ignatius TONI WITWER »Gott suchen und finden« in Leben, Praxis und Anweisungen des hl. Ignatius Leben, eigene Praxis und geistliche Anweisungen für andere hängen eng miteinander zusammen und bedingen sich gegenseitig. Der genauere Blick auf diese drei Aspekte der Gott-Suche und ihre Beziehung zueinander ist jedoch nicht nur wichtig, um dieses Wesensmerkmal ignatianischer Spiritualität tiefer verstehen, sondern auch um andere besser in diesem Geiste begleiten zu können.
Text: Ignatius von Loyola Ignatius von Loyola: In all diesen Zeiten, … war ein Gedanke in mir, der mich innen in der Seele durchdrang: Mit wie großer Ehrerbietung ich, wenn ich zur Messe gehe, Gott unseren Herrn usw. nennen und nicht Tränen, sondern diese Ehrerbietung und Ehrfurcht suchen müsste; … ja ich gewann die Überzeugung, dass dies der Weg war, den mir der Herr zeigen wollte … Während ich die Messe las, gewann ich sogar die Überzeugung, dass ich diese Gnade und Erkenntnis für den geistlichen Fortschritt meiner Seele für wichtiger hielt als alle anderen bisher. (GT, in: GGJ 398–399) In diesem Zeitabschnitt schien mir, dass die Demut, Ehrfurcht und Ehrerbietung nicht furchtsam, sondern liebevoll sein sollte, und dies ging so in meinen Sinn ein, dass ich immer wieder sagte: »Gebt mir liebevolle Demut!« Mir schien, dass 〈dieser Geist〉 es dabei nicht stehen bleiben würde, sondern dass das gleiche danach auch gegenüber den Geschöpfen sein 〈müßte〉 würde, nämlich liebevolle Demut usw. (Ebd. 402–403) Man ermahne sie [= die Novizen] häufig, in allen Dingen Gott unseren Herrn zu suchen, indem sie, so sehr es möglich ist, die Liebe zu allen Geschöpfen von sich entfernen, um sie auf deren Schöpfer zu richten und ihn in allen Dingen zu lieben und alle in ihm, gemäß seinem heiligsten und göttlichen Willen. (Sa 288,3) Ignatius von Loyola (1491–1556) gründete – gemeinsam mit einer Gruppe von Gefährten – den Jesuitenorden, der 1540 von Papst Paul III. bestätigt wurde .
DOMINIK MARKL SJ
»Dein Angesicht, GOTT, will ich suchen« (Ps 27,8) Gottes-Sehnsucht in der Bibel
MARTIN HASITSCHKA SJ
Die Welt sehen, »wie sie gebadet ist im Blute Christi«
Text: Jerónimo Nadal SJ
IGNATIUS VON LOYOLA
Betrachtung, um Liebe zu erlangen (GÜ 230–237) – Text
JOSEF MAUREDER SJ
Betrachtung, um Liebe zu erlangen: Hinweise für ein tieferes Verstehen und Beten mit dem Text
BRUNO NIEDERBACHER SJ
Ist Gott in allen Dingen?
Text: Balthasar Alvarez SJ
JOSEF THORER SJ
Den Willen Gottes suchen: Unterscheidung der Geister
Anleitung: Das Gebet der liebenden Aufmerksamkeit (W. Lambert)
ALOIS RIEDLSPERGER SJ
In der gesellschaftlichen Wirklichkeit nach Gottes Absichten fragen
Text: Louis Lallement SJ
BISCHOF MANFRED SCHEUER
Als Kirche in der Spur Jesu vorangehen: Freiheit und Unterscheidung
III. Beiträge aus der Erfahrung
ANTON AIGNER SJ
Die Spur Gottes in der Kunst des Leitens
REINHOLD ETTEL SJ
Glauben erleben in der Begegnung mit Ehepaaren und Familien
Text: Ägid Van Broeckhoven SJ
MARIA FEHR SSJ
Der innersten Sehnsucht auf der Spur
LUIS GUTHEINZ SJ
Ist es möglich, Gott in China zu finden?
Text: Karl Rahner SJ
MAXIMILIAN HEINE-GELDERN SJ
Wohin führt intensives Fragen?
PETRA HIEMETZBERGER CJ
Gott suchen und finden
MARKUS INAMA SJ
Eine Spiritualität, die verändert
Text: Teilhard de Chardin SJ
ELMAR MITTERSTIELER SJ
Meine Gottesbegegnung in der Geistlichen Begleitung
OTTO MUCK SJ
Gott in den Fügungen des Lebens finden
JOSEF A. PILZ SJ
Gedichte
Text: Jean-Pierre de Caussade SJ
RICHARD PLAICKNER SJ
Gott hält sich gern in unseren Gemeinschaften auf!
BEATE REGENSBURGER
»Das Gewicht der Seele ist die Liebe« (Ignatius von Loyola)
Text: Gerald M. Hopkins SJ
GUSTAV SCHÖRGHOFER SJ
Der Gott der Falten
KLAUS SCHWEIGGL SJ
Gott suchen und sich finden lassen
Text: Alfred Delp SJ
JOSEF THORER SJ
»Ich kreise um Gott, um den uralten Turm« Gott suchen und finden in der Dichtung
Daten zur Geschichte der österreichischen Provinz SJ
Abkürzungen
Anmerkungen
I. Zum Geleit
Was Ignatius von Loyola durch sein Leben, durch die Exerzitien und durch die Gründung des Jesuitenordens angestoßen hat, ist in der Geschichte der Kirche nachhaltig wirksam gewesen und noch immer lebendig. Die Errichtung der österreichischen Provinz der Jesuiten im Jahre 1563, also vor 450 Jahren, ist Anlass zur Besinnung auf einen Wesenszug ignatianischer Spiritualität: Gott suchen und finden in allen Dingen. Es ist das, was Jesuiten zu leben suchen und Anderen vermitteln möchten. Die Texte bedeutender Jesuiten aus der jahrhundertelangen Geschichte des Ordens zeigen dies.
In grundsätzlichen Ausführungen und in Erfahrungsberichten wird das Thema im vorliegenden Band beleuchtet durch Beiträge, die vorwiegend von österreichischen Jesuiten stammen. Weitere Beiträge bezeugen, dass diese Spiritualität über ihren Kreis hinaus inspirierend ist. Dies für Leser erfahrbar zu machen, ihnen Anstoß und Hilfe für die eigene Suche zu sein, dazu möchte das Buch helfen.
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