Hier wird ganz klar unterschieden zwischen dem Gedanken und der Tat, nur Letztere wird als Sünde verstanden. Ein anderes Beispiel:
„Altvater Theodor in der Sketis sagte: ‘Ein Gedanke kommt mir, verwirrt mich und nimmt mir die Ruhe, aber zur Ausführung vermag er nicht fortzuschreiten, doch hindert er mich in der Tugend. Ein wachsamer Mann aber schüttelt ihn ab und erhebt sich zum Gebet.’ “ (Theodor Sketiotes)(Apo 300)
Theodor differenziert hier klar: Der Gedanke beunruhigt, kommt aber nicht zur Ausführung, d.h. er führt nicht zur Sünde, behindert aber das Tugendwachstum. Das Beispiel macht weiter deutlich, daß dieses Offenbaren der Gedanken auch Gott gegenüber geschehen kann, denn als Mittel gegen diese Gedanken nennt Theodor das Gebet. Andere Apophthegmata nennen neben Gebet 282auch Fasten 283und regelmäßige Arbeit bzw. eine gute und maßvolle Ordnung des Tages 284.
Eine andere Möglichkeit ist die „Gegenrede“ (Antirrhetikon) 285, der Mönch beginnt einen Dialog mit seinen Gedanken, er setzt sich auseinander und nimmt die Gegenposition ein:
Abbas Poimen erzählte über den Altvater Isidor:
„Seine Gedanken sagten zu ihm: ‘Du bist ein großer Mensch!’ Und er sprach zu sich: ‘Bin ich etwa von der Art des Antonios? Oder bin ich vollkommen geworden wie Abbas Pambo? Oder wie die übrigen Väter, die das Wohlgefallen Gottes hatten?’ Sooft er sich das vorführte, hatte er Ruhe. Wenn aber die Feindschaft (der Dämonen) ihn mit Kleinmut erfüllen wollte, daß er nach all dem doch in die Strafe eingehen werde, sagte er zu ihnen: ‘Auch wenn ich in die Strafe geworfen werde, werde ich euch doch noch unter mir finden.’ “ (Isidor 6)(Apo 362)
Von einer ähnlichen Form, den Gedanken zu überlisten, erzählt Amma Theodora:
„Da war ein Mönch, den erfaßten, als er in den Gottesdienst gehen wollte, Frösteln und Fieberschauer, und im Kopf spürte er eine Spannung. Da sprach er zu sich: Siehe, ich bin krank, und es kann sein, daß ich sterbe. Ich will mich aufraffen, ehe ich sterbe, und in die Versammlung gehen. Mit diesem Gedanken bezwang er sich selbst und besuchte den Gottesdienst. Als dieser zu Ende war, hörte auch das Fieber auf. Wieder einmal hielt er diesem Gedanken stand und kam in die Versammlung und überwand den Gedanken.“ (Amma Theodora 3)(Apo 311)
Manche Gedanken müssen schließlich ausgehungert werden:
„Abbas Isaak befragte den Altvater Poimen über die schmutzigen Gedanken, und dieser erklärte dazu: ‘Es ist wie mit einer Truhe, die voller Kleider ist: Wenn einer sie drinnen liegen läßt, dann vermodern sie mit der Zeit. So ist es auch mit den Gedanken: wenn wir sie nicht mit dem Leibe ausfahren, dann verschwinden sie mit der Zeit oder verfallen.’ “ (Poimen 20)(Apo 594)
Auch die Nichtbeachtung kann hilfreich sein, Abbas Poimen rät:
„Wenn dir ein Gedanke kommt wegen der Notwendigkeit der leiblichen Bedürfnisse, und du sie einmal in Ordnung gebracht hast, und wenn er dann ein zweites Mal kommt, und du ihn wieder geordnet hast, und wenn er dann ein drittes Mal kommt, dann achte nicht darauf, denn es ist ein unfruchtbarer Gedanke.“ (Poimen 40)(Apo 614)
„Ein Bruder fragte einen Alten: ‘Warum drücken die Gedanken mich nieder? Oft mache ich ihnen Vorhaltungen, aber sie entfernen sich nicht, sondern bleiben da.’ Der Alte antwortete: ‘Wenn du ihnen nicht energisch zurufst ’Verschwindet’, werden sie nicht weggehen. Denn solange sie Ruhe haben, werden sie nicht gehen.’ “ 286
Diese Beispiele unterstreichen die Differenziertheit im Umgang mit den Gedanken und den Unterschied zum Sündenbekenntnis bzw. der Buße im engeren Sinn, wie sie oben dargestellt wurde.
I.1.F.c. Gehorsam in der Beziehung zum Altvater
Die Altväter geben keine Weisung ungefragt, die Frage als Akt der Schaffung von Beziehung muß vom Ratsuchenden ausgehen. Dieser öffnet sich in der Frage vertrauend dem Altvater, muß dann aber auch bereit sein, den Spruch, die ergangene Weisung zu akzeptieren. „In der Bitte tut sich das Herz zum Hören auf und macht sich bereit zum Tun, zum Gehorsam.“ 287
„Die Altväter lehrten: Nichts verlangt Gott von den Anfängern im geistlichen Leben so sehr als die Mühe des Gehorsams.“ (V, 4, 13)(Apo 1164)
„Ein Bruder kam zu Abbas Serapion, und der Greis forderte ihn auf, nach seiner Gewohnheit ein Gebet zu sprechen. Der aber nannte sich einen Sünder und unwert des Mönchgewandes und ließ sich nicht beruhigen. Er wollte ihm die Füße waschen, aber er sprach die gleichen Worte und ließ es nicht zu. Er veranlaßte ihn auch zu essen, und der Greis fing selber an zu essen. Und er belehrte ihn mit den Worten: ‘Kind, wenn du Nutzen haben willst, dann halte in deinem Kellion aus, achte auf dich und deine Handarbeit. Denn das Herausgehen bringt dir für den Fortschritt nicht den Nutzen wie das Stillsitzen.’ Als er das hörte, ärgerte er sich, und sein Aussehen veränderte sich so, daß es dem Greis nicht verborgen blieb. Nun sprach der Altvater Serapion zu ihm: ‘Bis jetzt hast du gesagt: ich bin ein Sünder, und klagtest dich an, des Lebens nicht würdig zu sein. Nachdem ich dich aber in Liebe erinnert habe, bist du so wild geworden. Wenn du demütig sein willst, dann lerne es mannhaft ertragen, was dir von anderen zugebracht wird und halte an dich mit leeren Worten.’ Als der Bruder das hörte, fiel er dem Greis zu Füßen und ging dann mit großem Nutzen weg.“ (Serapion 4)(Apo 878)
„Abbas Mios, der Sohn des Beleos sprach: Gehorsam steht für Gehorsam. Wenn einer Gott gehorcht, gehorcht Gott auch ihm.“ (Mios 1)(Apo 539)
Abbas Rufos „singt“ das Loblied des Gehorsams:
„Wer in Unterordnung unter einen geistlichen Vater verharrt, hat mehr Lohn zu erwarten als einer, der sich aus eigenem Willen in die Wüste zurückgezogen hat. ... Deswegen, Kinder, ist der Gehorsam, der Gottes wegen geleistet wird, gut. Zum Teil habt ihr, Kinder, eine kleine Spur dieser rechten Ordnung kennengelernt. O Gehorsam, Rettung aller Gläubigen, o Gehorsam, du Erzeugerin aller Tugenden, o Gehorsam, Finderin des Königreichs, o Gehorsam, der du den Himmel öffnest und die Menschen von der Erde abziehst, o Gehorsam, Ernährer aller Heiliger, der sie alle zur Vollendung führt, o Gehorsam, der du bei den Engeln wohnst!“ (Rufos 2)(Apo 802)
In manchen Erzählungen hat Gehorsam viel zu tun mit Geduld und Ausdauer in der Beziehung zu sich selbst und zum Altvater:
„Man erzählte vom Altvater Johannes Kolobos: Er zog sich zu einem thebaischen Greis in die Sketis zurück und führte ein Einsiedlerleben in der Wüste. Da nahm der Abbas ein dürres Stück Holz, pflanzte es ein und sagte: ‘Begieße es täglich mit einem Eimer Wasser, bis es Frucht bringt.’ Sie waren so weit vom Wasser entfernt, daß er spät abends fortgehen mußte, um in der Frühe wieder zurück zu sein. Nach drei Jahren kam Leben in das Holz und es brachte Frucht. Der Alte nahm die Frucht, brachte sie in die Versammlung und sprach zu den Brüdern: ‘Nehmt und eßt die Frucht des Gehorsams.’ “ (Johannes Kolobos 1)(Apo 316)
Zeitkritisch heißt es in den Apophthegmata ganz allgemein:
„Jetzt gibt es kein Wort mehr. Als die Brüder früher die Altväter fragten und taten, was diese ihnen sagten, gab Gott ihnen ein, wie sie reden sollten. Heutzutags aber, da man zwar fragt, aber nicht tut, was man hört, hat Gott den Altvätern die Gnade des Wortes entzogen, und sie finden nicht, was sie sagen sollen, weil niemand ist, der es ausführt!” (Philikas [= Felix])(Apo 928)
Der Gehorsam gilt auch gegenüber den heiligen Schriften:
„Ein Altvater sagte: das erwartet Gott von allen Christen, daß jeder den heiligen Schriften gehorche, denn in ihnen findet man Weisung für Reden und Handeln, und so stimmt man auch mit allen Vorgesetzten und rechtgläubigen Vätern überein.“ (V, 4, 13)(Apo 1164)
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