Außenverteidigung
Zu den wichtigsten Eigenschaften der Außenverteidiger gehört ihre Wandlungsfähigkeit, abhängig vom System, nach dem das Team spielt. Zu den konstanten athletischen Ansprüchen an Außenverteidiger zählen die beträchtliche Laufstrecke und die hochintensiven Läufe während des Spiels. Theoretisch ist dies auf die größere Fläche des Spielfelds zurückzuführen, die der Außenverteidiger in der Regel abdeckt ( Abbildung 1.4).
Seit vor etwa 20 Jahren Sportwissenschaftler begannen, bei ihren Untersuchungen die Rolle der Verteidigung differenziert zu betrachten, herrscht in der Forschung weitgehende Einigkeit darüber, dass die Außenverteidigung mit dem zentralen Mittelfeld vergleichbar ist. Damit zählt sie zu den physisch anspruchsvollsten Positionen auf dem Spielfeld. Die durchschnittliche Laufstrecke für Außenverteidiger beträgt 10 642 Meter, verglichen mit 9871 Metern für die Innenverteidiger ( Tabelle 1.1). Welche Spielposition die schwierigste ist, hängt von den taktischen Vorgaben des Trainerteams ab, und die Rolle der Außenverteidiger wird besonders stark von Aufstellung und Taktik beeinflusst.
1.4 Das Spielfeld der Außenverteidigung
Insgesamt bewegt sich die von Außenverteidigern zurückgelegte Laufstrecke zwischen 10 000 und 11 000 Metern ( Tabelle 1.1). Unter hochintensiver Belastung (Leistungen von mehr als 5,5 m/s) werden – abhängig von der Spielklasse – etwa 1000 Meter zurückgelegt. Bei männlichen Außenverteidigern kommen teilweise deutliche Abweichungen von dieser Standardgröße vor (Rampinini et al. 2007; Bradley et al. 2009). Bei den Frauen liegt der Wert bei ungefähr 650 Metern (Bradley et al. 2013). Anders als bei den Innenverteidigern sind die Zonen der Außenverteidiger üblicherweise nicht so dicht besetzt. Auf dieser Position wird das Spiel typischerweise von der Seitenlinie aus aufgenommen, mit einem Radius von 180 Grad. Dies ist aus zwei Gründen bedeutsam:
1.Bei der Planung von Vorgaben für das Athletiktraining spielt die Wendigkeit auf engem Raum hier keine so große Rolle. Ein Schwerpunkt auf längeren Laufstrecken mit hohem Tempo wird den typischen Ansprüchen an diese Spielposition wohl eher gerecht.
2.Die geringere Spielerdichte im zugewiesenen Aufgabengebiet reduziert die Wahrscheinlichkeit, explosiv Kraft oder Antrittsschnelligkeit für eine hochintensive Aktion abrufen zu müssen. Oder, anders ausgedrückt: Außenverteidiger beginnen hochintensive Aktionen mit einer Anlaufphase. Dies ist ein Schlüsselfaktor bei der Planung von Konditionsübungen, der eine entsprechende Individualisierung der Übungselemente in den ersten Wochen der Saisonvorbereitung nahelegt.
Auch die Abstände zwischen hochintensiven Aktionen verleihen der Außenverteidigung ein deutlich abweichendes Aktivitätsprofil. In einer Studie zur französischen Ligue 1 stellten Forscher fest, dass männliche Außenverteidiger die kürzeste durchschnittliche Regenerationszeit zwischen Tempoläufen aufwiesen (115,8 ± 18,6 Sekunden; Carling/Le Gall/Dupont 2012). Dies unterstreicht, wie wichtig das Verhältnis von Belastung zu Regeneration und die mögliche Belastungssteigerung mittels körperlicher Regenerationsvorgänge auf dieser Position zu Beginn der Saisonvorbereitung sind.
Körpergröße und Gewicht von Außenverteidigern sind in der Regel geringer als bei Innenverteidigern und Torhütern, aber vergleichbar mit Mittelfeld- und Offensivspielern (Boone et al. 2012). Solchen Spielern fällt es gewöhnlich leichter, während eines Spiels lange Distanzen zurückzulegen, weil der Körper unter hoher wie niedriger Belastung mehr Kraft entfaltet. Körpermaße stellen bei Trainingsplanungen für bestimmte Positionen einen denkbar einfachen Ansatz dar. Unter dem Gesichtspunkt, dass ein typischer Außenverteidiger insgesamt rund 10,4 Kilometer zurücklegt, davon 1,2 Kilometer unter hoher Belastungsintensität, empfehle ich angesichts der Gesamtbelastung generell Spieler mit geringer Körpermasse für die Außenpositionen.
Zentrales Mittelfeld
Dies ist wohl die physisch anspruchsvollste Position von allen Feldspielern. Nach Tabelle 1.1legen zentrale Mittelfeldspieler die größte Gesamtdistanz in einem Spiel zurück (durchschnittlich 11 219 Meter, verglichen mit 11 080 bzw. 10 642 Metern für Außenbahnspieler und Außenverteidiger). Die hochintensive Belastung variiert je nach taktischer Ausrichtung erheblich. Die dicht besetzten Räume zwischen den beiden Strafräumen und die Doppelrolle von Angriff und Verteidigung, die fast das gesamte Spielfeld abdeckt ( Abbildung 1.5), erfordern zahlreiche explosive Beschleunigungs- und Abbremsvorgänge.
1.5 Das Spielfeld des zentralen Mittelfelds
TAKTISCHE ERWÄGUNGEN
Bei der schwierigen Einschätzung, welche Aufgaben ein bestimmter Spielstil an das Training stellt, hilft ein Blick in die spanische Primera División. In der Ära von Pep Guardiola 2008–2012 war der FC Barcelona eine stark auf Ballbesitz ausgerichtete Mannschaft, die sich meist lange Zeit im defensiven Drittel des Gegners festsetzte und dort das Spiel bestimmte. Die zentralen Mittelfeldspieler waren für das Verlagern der Bälle nach außen zuständig und stellten im Angriff die Verbindung zwischen linker und rechter Seite des Spielfelds her, immer mit dem Ziel, eine Überzahlsituation zu schaffen. Dank der großen Dichte von Mitspielern in Ballnähe ließen sich die seltenen Ballverluste mithilfe kurzer Spurts oft wieder schnell ausbügeln. Durch die Konzentration auf die Physis glänzten die Spieler dieser BarçaÄra mit schnellen Tempowechseln auf engstem Raum. So setzten sie sich von gegnerischen Verteidigern ab oder verstellten die Passwege, damit der Ball im kontrollierten Umfeld blieb. Dass Spieler wie Xavi Hernández oder Andrés Iniesta mehrere hochintensive Aktionen über eine Distanz von mehr als 20 Metern ausführten, kam selten vor.
Dagegen setzte Real Madrid während fast jeder Trainerära (jedoch am erfolgreichsten zwischen 2016 und 2018 unter Zinédine Zidane) vorwiegend auf überraschende Konter. Für die mit Cristiano Ronaldo, Gareth Bale und Karim Benzema besetzte Offensive bildeten Isco, Toni Kroos und Luka Modric´ die Schaltstelle zwischen Verteidigung und Angriff. Typisch waren deren lange und hochintensive, von der eigenen bis zur gegnerischen Hälfte geführten Aktionen, um ihre Teamkollegen beim Umschaltspiel zu unterstützen. Häufiger als die zentralen Mittelfeldspieler von Barcelona zogen die Madrider Mittelfeldspieler auch in Unterzahl gegen den Gegner hochintensive Aktionen durch.
Taktische Unterschiede müssen daher im Konditionstraining berücksichtigt werden.
Bei zentralen Mittelfeldspielern lassen sich (anders als bei Defensiv- und Außenbahnspielern) sowohl längere als auch kürzere Tempoläufe verzeichnen. Ihre durchschnittliche Regenerationszeit zwischen Phasen hochintensiver Belastung wird mit 134,7 ± 28,5 Sekunden angegeben und nur noch von der Innenverteidigung übertroffen (Carling/Le Gall/Dupont 2012). Verzerrend wirkt, dass in dieser Studie der Beginn von Phasen mit höchstem Lauftempo untersucht wurde, und wir wissen, dass aufgrund der Verdichtung der Spieler im zentralen Bereich des Spielfelds nur selten ausreichend Raum für einen Spieler vorhanden ist, um solche Läufe unter hoher Belastung auszuführen. Das erschwert die Beurteilung zentraler Mittelfeldspieler, weil deren Ergebnisse aus hochintensiven Belastungsphasen möglicherweise nicht korrekt ermittelbar sind. Wir gehen auf die Charakteristiken jeder Position ein, weil wir verstehen wollen, welche Momente besonders ermüdend auf Spieler wirken. Durch bessere Kenntnis der potenziell einschränkenden Faktoren können wir diese Anforderungen am besten trainieren, um die optimale Leistung zu fördern.
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