Zur unmittelbaren pädagogischen Arbeit, der Betreuung, Begleitung und Förderung der Kinder, gehören beispielsweise das gemeinsame Essen, die Unterstützung bei den Hausaufgaben, die Begleitung der Kinder auf dem Weg vom Kindergarten in die Einrichtung, oder die Begleitung bei Freizeitaktivitäten. Schüpbach, Rohrbach-Nussbaum und Grütter (2018) unterscheiden zwischen geleiteten und freien Aktivitäten. Die geleiteten Aktivitäten werden von den Mitarbeitenden geführt, haben einen zeitlichen Anfangs- und Endpunkt, finden in einer festen Gruppe statt und werden regelmässig wiederholt. Weiter sind sie freiwillig, jedoch verbindlich, wenn sie gewählt wurden (Schüpbach et al., 2018). Die Autorinnen zählen dazu beispielsweise gemeinsame Mahlzeiten, Hausaufgabenbetreuung, sportliche Aktivitäten oder gemeinsame Bibliotheksbesuche. Unter freien Aktivitäten «werden Tätigkeiten verstanden, die während der Phase des freien Spiels stattfinden» (ebd., S. 148). Die Kinder können auswählen, womit und wo sie ihre Zeit verbringen möchten, und auch zwischen verschiedenen Aktivitäten wechseln. Die Rolle der Betreuungsperson unterscheidet sich zwischen diesen beiden Arten von Aktivitäten. Geleitete Aktivitäten werden angeleitet oder geführt, bei den freien Aktivitäten werden die Kinder bei Bedarf unterstützt. Rudow (2017) unterscheidet insgesamt für Erzieherinnen (in Ganztagsschulen aber auch in Kitas) folgende Teiltätigkeiten: Bildungsarbeit, Sprachförderung, Beobachtung, Dokumentation und Administration, Pflegearbeiten, Verpflegung, Beaufsichtigung, Elternkontakt, Reinigungstätigkeiten, Weiterbildung/Supervision, Einzelkontakt mit Kind, Weg und Pause, Spielen, Basteln, Besprechung sowie Qualitätssicherung und -entwicklung. Dabei hebt er als wesentliches Merkmal dieser Arbeit hervor, dass oft mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erfüllen sind («Multitasking», z.B. Unterstützung eines einzelnen Kindes bei einer Aufgabe und gleichzeitige Beaufsichtigung der ganzen Gruppe).
3.6 Arbeit und Gesundheit in der SEBB: Stand der Forschung
Das Personal und die Arbeitsbedingungen in der SEBB wurden bisher wenig erforscht. Es fehlt somit empirisch basiertes Wissen zu den Zusammenhängen zwischen den Arbeitsbedingungen, Merkmalen der Mitarbeitenden und deren Gesundheit, Zufriedenheit und Arbeitsfähigkeit. Die Erkenntnisse aus der Forschung, die uns als Ausgangspunkt für die Entwicklung unseres Forschungsprojekts dienten, stammen darum nur teilweise aus der SEBB in der Schweiz, sondern auch aus Ganztagsschulen in Deutschland oder aus Forschungsprojekten im Bereich der vorschulischen Betreuung in Kitas in der Schweiz und in Deutschland.
Die Evaluation «Schülerclubs und Tagesschulen in der Stadt Zürich» (Forrer & Schuler, 2010) untersuchte neben der Zufriedenheit der Eltern mit dem Angebot die Gestaltungsmöglichkeiten und Strukturen der Einrichtungen. Sie konnten zeigen, dass ein hoher Kooperationsgrad in den multiprofessionellen Teams ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist. Weiter gibt die Evaluation auch Hinweise zu den Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden in den Einrichtungen: Diese erleben die Arbeit als intensiv, es bestehen Ungleichheiten in den Anstellungsbedingungen, Stellen können teilweise nicht adäquat besetzt werden. Gleichzeitig erleben die Mitarbeitenden die Arbeit mit den Kindern an sich und auch die Kooperation im Team als Ressourcen und zeigen eine hohe Zufriedenheit. Auch eine Untersuchung zu Tagesschulmitarbeitenden im Kanton Bern (Jutzi, 2015) zeigt, dass diese sich bei der Arbeit und in ihren Teams wohlfühlen und das Arbeitsklima sowie den Umgang mit Schülerinnen und Schülern als angenehm empfinden. Eine Studie zu Arbeitsbedingungen in Zürcher Kindertagesstätten (Kitas), also in der Arbeit mit Kindern im Vorschulbereich, zeigt hingegen, dass die Arbeitszufriedenheit des Personals tiefer ist als die durchschnittliche Zufriedenheit der Erwerbstätigen in der Schweiz. Zudem ist die Fluktuation in den Kitas relativ hoch und die Einrichtungen haben teilweise Mühe, die freigewordenen Stellen zu besetzen (Blöchliger & Bauer, 2014).
Eine Studie zu Belastungen von Erzieherinnen an Ganztagsschulen in Deutschland (Rudow, 2015) zeigt, dass die Anforderungen hoch sind und ein arbeitsbedingtes Gesundheitsrisiko darstellen. Belastungsfaktoren sind insbesondere Merkmale der Arbeitsaufgaben, wie geringe Planbarkeit, Anzahl und Komplexität der auszuführenden Aufgaben, eine unzureichende Personalausstattung, nicht ergonomische Arbeitsbedingungen und die Belastung durch Lärm. Die Belastungen führen zu Stress- und Ermüdungserleben und einer erhöhten Gefährdung für Burnout. Die Erzieherinnen berichten eine im Vergleich zu anderen Berufsgruppen tiefere Arbeitszufriedenheit (ebd.). Zwei weitere Studien untersuchten die Arbeitsbedingungen und die Gesundheit des Personals in Kindertageseinrichtungen in Deutschland (Schreyer, Krause, Brandl & Nicko, 2014; Viernickel et al., 2013). Diese zeigen auf, dass gute Arbeitsbedingungen einen Einfluss haben auf die Arbeitszufriedenheit, das Engagement und auf die Verbundenheit des Personals mit der Organisation. Unzufriedenheit äussern die Mitarbeitenden bezüglich ihrer Bezahlung und der gesellschaftlichen Anerkennung der Arbeit. Laut Einschätzung in der Aqua-Studie (Schreyer et al., 2014, S. 188) kann mehr als ein Drittel der Mitarbeitenden als Risikogruppe für Burnout-Gefährdung eingestuft werden. Ähnliche Werte bezüglich Burnout-Gefährdung zeigt auch eine Schweizer Studie zu Beanspruchungsfolgen bei Lehrpersonen (Kunz Heim, Sandmeier & Krause, 2014).
Insgesamt lassen sich auf der Grundlage des Forschungsstands im Bereich der vorschulischen und schulergänzenden Bildung und Betreuung folgende relevante Rahmenbedingungen und Merkmale der Arbeit sowie Ressourcen und Belastungen identifizieren:
3.6.1 Förderliche Rahmenbedingungen und Merkmale der Arbeit
Das Vorhandensein dieser Faktoren kann sich auf das Erleben von (weniger) Belastungen und (mehr) Ressourcen während der Arbeit auswirken:
Vorhandensein eines pädagogischen Konzepts wird als förderlich für den pädagogischen Alltag erlebt (Viernickel et al., 2013)
Einteilung der Arbeitszeit: Vorhandensein von Vor- und Nachbereitungszeit, Pausen (Blöchliger & Bauer, 2014), genügend Zeit für die mittelbare Arbeit (Viernickel et al., 2013)
Organisatorische Rahmenbedingungen: gute Organisation und Planung (ebd.)
Weiterbildung: Unterstützung von Weiterbildung durch die Einrichtung (ebd.)
Betreuungsschlüssel/Grösse der Kindergruppen: genügend Personal im Verhältnis zur Anzahl Kinder (ebd.)
Eine gute Raumausstattung, z.B. das Vorhandensein von Pausenräumen (Rudow, 2015; Viernickel et al., 2013)
Die Arbeit mit den Kindern, ein gutes Verhältnis zu den Kindern, schöne Erlebnisse mit den Kindern (Blöchliger & Bauer, 2014, S. 16; Forrer & Schuler, 2010; Viernickel et al., 2013)
Selbstständiges und eigenverantwortliches Arbeiten, interessante und vielfältige Aufgaben (Schreyer et al., 2014, S. 51)
Bedeutsamkeit der Arbeit (Vincent-Höper, Gude & Kersten, 2016)
Ein gutes Team-Klima (Schreyer et al., 2014, S. 97; Viernickel et al., 2013, S. 155)
Gute Zusammenarbeit im Team (Forrer & Schuler, 2010; Viernickel et al., 2013)
Führungsqualität (Blöchliger & Bauer, 2014; Schreyer et al., 2014)
Rollenklarheit (Blöchliger & Bauer, 2014)
Zeitdruck, z.B. durch Engpässe beim Personal, fehlende Pausen (Blöchliger & Bauer, 2014; Rudow, 2015; Viernickel et al., 2013)
Qualitative Überforderung, Belastung durch Intensität und Komplexität der Arbeit (Rudow, 2015)
Störungen und Unterbrechungen, geringe Planbarkeit der Aufgaben (Rudow, 2017)
Emotionsarbeit mit Unterdrückung eigener Stimmungen (Rudow, 2017; Viernickel et al., 2013)
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