Patric Brugger, Regula Kyburz-Graber
Unterrichtssituationen meistern
20 Fallstudien aus der Sekundarstufe II
ISBN Print: 978-3-0355-0430-9
ISBN E-Book: 978-3-0355-0431-6
1. Auflage 2016
Alle Rechte vorbehalten
© 2016 hep verlag ag, Bern
www.hep-verlag.com
Was bringt dieses Buch? Was bringt dieses Buch? Unterrichten ist eine einzigartige Tätigkeit Unterrichten ist eine einzigartige Tätigkeit Unterrichten ist vielschichtiger als alle anderen beruflichen Tätigkeiten, die mit der Interaktion mit Menschen zu tun haben. Eine Ärztin hat es in der Sprechstunde mit einer einzelnen Person, vielleicht höchstens einmal mit mehreren Familienangehörigen gleichzeitig zu tun; ein Büroangestellter interagiert in Bürositzungen gleichzeitig mit wenigen, vielleicht höchstens zehn Kolleginnen und Kollegen; eine Geschäftsführerin einer Firma hat meist nur mit direkt unterstellten Kadermitarbeitenden zu tun, also sechs bis zehn Personen; eine Verwaltungsratspräsidentin interagiert an Verwaltungsratssitzungen vielleicht mit zehn Verwaltungsratsmitgliedern und dem CEO der Firma. Sitzungen und Besprechungen sind einzelne Anlässe, sie bestimmen nicht jeden Arbeitstag, außer bei Ärztinnen und Ärzten. Zwischendurch arbeiten die meisten Berufsleute individuell oder in kleinen Teams an ihrem Arbeitsauftrag. Eine Lehrperson hingegen interagiert jeden Tag mehrere Stunden direkt mit 20 und mehr Kindern oder Jugendlichen. Sie muss gleichzeitig allen gerecht werden, alle berücksichtigen, individuelle Lernprobleme im Auge behalten, Entwicklungsschritte beobachten und festhalten, die einzelnen Schülerinnen und Schüler fördern und fordern, erziehen, begleiten, ermutigen, beurteilen und vieles mehr. Vor allem aber muss die Lehrperson in jeder einzelnen Unterrichtsstunde mit höchster Präsenz die Klasse so führen, dass eine wirkungsvolle Lernatmosphäre entsteht. Sie muss also fachliche und pädagogisch-psychologische Aufgaben gleichzeitig bewältigen. Dabei tritt in jeder Unterrichtsstunde Unvorhergesehenes auf, der Verlauf des Unterrichts ist nur bedingt planbar.
Unterrichten ist eine einzigartige Tätigkeit
Fallbeispiele aus der Praxis von Lehrpersonen für Maturitätsschulen
Themenkreise der Fallbeispiele
Anregungen zum Studium der Fallbeispiele
Einführung in die Methodik der Fallstudie
Fallstudien in der Forschung
Fallstudien als didaktische Methode
Fallstudien in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen
Vorgehen bei der Fallstudienarbeit
Unterrichtsplanung und -durchführung
Heterogene Klassenzusammensetzung
Mündliche Beteiligung
Verweigerung von vertiefter Arbeit
Trittbrettfahrer bei der Arbeit in Gruppen
Fachliche Vorbereitung
Klassenfeedback
Konflikt mit Lehrplan
Klassenführung
Den Unterricht sabotierendes Verhalten
Eine impulsive Klasse oder das «Chaos»
Kleider machen Schülerinnen
Rivalitäten zwischen Jugendlichen
Angespanntes Verhältnis Klasse – Klassenlehrperson
Mögliche Rollenkonflikte Lehrperson – Privatperson
Leistungsbeurteilung und Förderung
Benotung der mündlichen Beteiligung
Benotung von Gruppenarbeiten
Gestaltung und Korrektur einer schriftlichen Prüfung
Notenpolitik der Schulleitung
Nachprüfungen
Betreuung einer Maturitätsarbeit
Umgang mit Teilleistungsschwächen (z. B. ADHS)
Was bringt dieses Buch?
Unterrichten ist eine einzigartige Tätigkeit
Unterrichten ist eine einzigartige Tätigkeit
Unterrichten ist vielschichtiger als alle anderen beruflichen Tätigkeiten, die mit der Interaktion mit Menschen zu tun haben. Eine Ärztin hat es in der Sprechstunde mit einer einzelnen Person, vielleicht höchstens einmal mit mehreren Familienangehörigen gleichzeitig zu tun; ein Büroangestellter interagiert in Bürositzungen gleichzeitig mit wenigen, vielleicht höchstens zehn Kolleginnen und Kollegen; eine Geschäftsführerin einer Firma hat meist nur mit direkt unterstellten Kadermitarbeitenden zu tun, also sechs bis zehn Personen; eine Verwaltungsratspräsidentin interagiert an Verwaltungsratssitzungen vielleicht mit zehn Verwaltungsratsmitgliedern und dem CEO der Firma. Sitzungen und Besprechungen sind einzelne Anlässe, sie bestimmen nicht jeden Arbeitstag, außer bei Ärztinnen und Ärzten. Zwischendurch arbeiten die meisten Berufsleute individuell oder in kleinen Teams an ihrem Arbeitsauftrag.
Eine Lehrperson hingegen interagiert jeden Tag mehrere Stunden direkt mit 20 und mehr Kindern oder Jugendlichen. Sie muss gleichzeitig allen gerecht werden, alle berücksichtigen, individuelle Lernprobleme im Auge behalten, Entwicklungsschritte beobachten und festhalten, die einzelnen Schülerinnen und Schüler fördern und fordern, erziehen, begleiten, ermutigen, beurteilen und vieles mehr. Vor allem aber muss die Lehrperson in jeder einzelnen Unterrichtsstunde mit höchster Präsenz die Klasse so führen, dass eine wirkungsvolle Lernatmosphäre entsteht. Sie muss also fachliche und pädagogisch-psychologische Aufgaben gleichzeitig bewältigen. Dabei tritt in jeder Unterrichtsstunde Unvorhergesehenes auf, der Verlauf des Unterrichts ist nur bedingt planbar.
Fallbeispiele aus der Praxis von Lehrpersonen für Maturitätsschulen
Fallbeispiele aus der Praxis von Lehrpersonen für Maturitätsschulen
Wie herausfordernd Unterrichtssituationen erlebt werden, haben wir mit angehenden und bereits im Beruf tätigen Lehrpersonen über Jahre an Fallbeispielen aus deren Praxis untersucht. Die Fallbeispiele und die Analysen, so zeigte es sich in Weiterbildungsveranstaltungen, sind aber nicht nur für Berufsanfängerinnen und -anfänger interessant, sondern auch für Lehrpersonen mit längerer Unterrichtserfahrung.
Die Fallbeispiele stammen aus dem Pflicht-Modul mit der wenig aussagekräftigen Bezeichnung Kolloquium, das wir seit vielen Jahren für die Kandidatinnen und Kandidaten des Lehrdiploms für Maturitätsschulen anbieten. Hinter diesem «Kolloquium» verbirgt sich systematische Fallstudienarbeit während eines Semesters. Jede Studentin, jeder Student beschreibt ein eigenes Fallbeispiel, in Gruppen von 10 bis 12 Studierenden werden aus der Sicht der Studierenden relevante Fälle ausgewählt und in den Semesterplan eingefügt. Jedes Semester werden auf diese Weise insgesamt acht Fallbeispiele genau analysiert, Lösungsansätze erarbeitet und gemeinsam in einem Plenum von 50 bis 60 Studierenden diskutiert. Jede Woche bereiten sich alle Studierenden auf das Fallbeispiel, das laut Semesterplan analysiert werden soll, vor. Im Kurs arbeiten die Studierenden zunächst in Kleingruppen, die über das Semester in fester Zusammensetzung formiert sind, anschließend werden die Analyseergebnisse und Lösungsansätze im Plenum präsentiert und diskutiert, wobei die Moderation von einer Studentin oder einem Studenten, welche sich Anfang des Semesters für das betreffende Thema und Datum eingeschrieben hat, übernommen wird.
Tabelle 1 zeigt die in den vergangenen 15 Semestern mit den Studierenden durchgeführten Fallanalysen, gruppiert nach Schulfächern.
Anzahl Fälle (Total 116) |
% |
Fächer |
26 |
22 |
Deutsch |
19 |
16 |
Englisch |
14 |
12 |
Geschichte |
12 |
10 |
Geografie |
11 |
9 |
Französisch |
7 |
6 |
Biologie |
7 |
6 |
Mathematik |
6 |
5 |
Wirtschaft & Recht |
4 |
4 |
Latein |
3 |
3 |
Chemie |
1 |
1 |
Moderne Sprachen |
1 |
1 |
Religion |
1 |
1 |
Italienisch |
4 |
4 |
Keine Angabe |
Tabelle 1Zusammenstellung aller analysierten Fallbeispiele aus 15 Semestern. Insgesamt stammen 83 der 116 Fälle (72 %) aus geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern, 29 Fälle (25 %) aus mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern, und zu 4 Fällen (3 %) liegen keine Angaben vor.
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