Die Breite an Themen, die hier angesprochen werden, ist also gewollt – und doch begrenzt. Das erste Ziel ist, Verständnis für die Komplexität Ihrer besonderen Situation in der Wissenschaft, für die vielfältigen Einflussfaktoren (institutionelle oder äußere und individuelle, also innere) zu [8]wecken. Daraus ergeben sich Fragen, welche nur Sie selbst beantworten können, was Ihnen wiederum hilft, aus dem reichhaltigen Angebot an professionellen Methoden und praktischen Ideen diejenigen auszuwählen, welche Sie dann umsetzen. Sie sollten diese genügend lange ausprobieren, zu einem fixierten Zeitpunkt evaluieren und dann an Ihre Gegebenheiten anpassen. Unser Ziel ist, zu einer selbstkritischen Reflexion und Reorganisation zu führen, sodass Sie Ihre hohe Selbstverantwortung möglichst gut und erfolgreich wahrnehmen.
Alle in der Wissenschaft Tätigen können von diesem Buch profitieren: die erfahrene Professorin, welche soeben Dekanin wurde, ebenso wie der neu angestellte Assistent mit einem befristeten Teilzeitvertrag. Wer mit einer Qualifikationsarbeit ringt, verfügt noch über wenige Erfahrungen und wird von den Erläuterungen etwa zum Projektmanagement profitieren. Da für Magister-, Master- oder Diplomarbeiten Ähnliches gilt, dürfen Sie sich in diesem Fall auch angesprochen fühlen, wenn von „Dissertation“ die Rede ist.
Jüngere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben indessen den Vorteil, dass ihre Selbstorganisation noch wenig von dem in ihrer Organisation üblichen Stil geprägt ist. Denn jede Organisationskultur steckt an und übt einen Anpassungsdruck aus. Wenn Sie die relative Freiheit der Einstiegsphase nutzen, um Ihren eigenen Arbeitsstil zu entwickeln, der zu Ihren Zielen, Werten, Ihrer Persönlichkeit und Lebenssituation passt, legen Sie eine sehr gute Grundlage für Ihre gesamte wissenschaftliche Karriere. Vor allem in den empirischen Wissenschaften und in der Medizin herrschen besondere Situationen, die Sie dazu herausfordern, die angebotenen Instrumente zu adaptieren.
Es geht in diesem Buch um reflektierte und praktische Lösungen, nicht um Jammern und Klagen über suboptimale Situationen. Zu fast jedem Thema könnte man eine hochschulpolitische Diskussion führen. Das sollte man auch – aber anderswo. Dieses Buch hilft dem Individuum, unter den derzeit gegebenen Bedingungen besser zurechtzukommen und Erfolg zu haben.
Dahinter stehen reiche Erfahrungen aus vielen Trainings, Workshops und Einzelcoachings an Universitäten vor allem in Österreich sowie Erkenntnisse aus der Fachliteratur. Sie können zudem weitere Hilfe durch die Angebote der Personalentwicklungen erfahren, die an den meisten Universitäten Trainings, Coaching und Mentoring-Programme anbieten.
[9] Zur Orientierung im Buch
Die Hauptkapitel sind so konzipiert, dass sie auch einzeln gelesen werden können. Insoweit Informationen aus anderen Abschnitten zum Verständnis oder zur Weiterarbeit wichtig sind, wird jeweils darauf verwiesen. Wer primär an Methoden interessiert ist, kann mit Kapitel IVbeginnen. Wer Unterstützung bei der Bewältigung eines wissenschaftlichen Aufgabenfeldes sucht, kann bei dem entsprechenden Fokus aus Kapitel VIeinsteigen.
Die ersten beiden Kapitel behandeln die spezifischen Herausforderungen, vor denen wissenschaftlich Arbeitende stehen: zunächst die typischen äußeren Rahmenbedingungen in den akademischen Institutionen ( Kapitel I), dann die individuellen Einflussfaktoren, die Sie reflektieren sollten, damit Sie Kriterien haben, um für sich Methoden auszuwählen, zu adaptieren und zu personalisieren: Das Nachdenken über persönliche Werte und Rollen ( Kapitel II.1) sowie über individuelle Verhaltenspräferenzen, deren Stärken und Schwächen ( Kapitel II.2) wird entscheidende innere Determinanten zeigen. Hinzu kommen in Kapitel II.3die zu berücksichtigenden Lebensumstände: gegenwärtige und für die Zukunft erhoffte Möglichkeiten der Karriere, des Einkommens, privater Pläne und Wünsche. Eine Rollenanalyse und längerfristige Planung aller Lebensbereiche erlauben, die berufliche Zeitgestaltung in den Horizont des ganzen Lebens zu integrieren.
Zur Selbstorganisation gehört weiters ein sorgsamer und effektiver Umgang mit den eigenen Energien. Kapitel IIIhilft, vom Distress zum Eustress und zum Flow zu gelangen.
Das große Kapitel IVbreitet den Inhalt des „Werkzeugkoffers“ für Zeitmanagement aus, seine Unterkapitel bauen aufeinander auf. Wir empfehlen, diese in der gegebenen Reihenfolge durchzuarbeiten und ergänzend Kapitel Vfür eine bessere Selbstorganisation in Bezug auf Informationsmanagement, Arbeitsort und Ordnung am Arbeitsplatz zu lesen.
Kapitel VIwendet die Instrumente auf die wichtigsten wissenschaftlichen Aufgabenfelder an und ergänzt sie mit spezifischen Methoden, zusätzlichen Ideen und Hinweisen. Für ein tieferes Verständnis empfiehlt es sich, die Kapitel Iund IIhinzuzunehmen.
Weil Frauen in der Wissenschaft mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert sind, werden diese in einem eigenen Kapitel (VII)thematisiert.
In den Literaturhinweisen finden Sie nicht nur weitere Hilfen, sondern auch die genauen bibliografischen Angaben zu den Zitaten und Verweisen, welche in Fußnoten nur mit Kurztiteln angeführt werden. Nur einmal erwähnte Texte werden allerdings bereits in der jeweiligen Anmerkung vollständig angeführt.
[10] Am Anfang der Kapitel oder Unterkapitel finden Sie kursiv gesetzt einen Vorblick, worum es im Folgenden geht.
In solchen Kästen finden Sie viele praktische Tipps und Hinweise.
In blauer Schrift gesetzte Fragen helfen Ihnen beim Auswählen der Methoden, welche für Ihre Situation geeignet sind. Wenn Sie die Fragen durcharbeiten, individualisieren Sie dadurch die Instrumente und passen sie an. Wir empfehlen nachdrücklich, dass Sie beim Lesen immer wieder innehalten und Ihre eigenen Erkenntnisse, Fragen und Schlussfolgerungen aufschreiben. Dafür sind auch am Ende des Buches ein paar leere Seiten vorgesehen.
Wir sind der Überzeugung, dass wissenschaftliche Arbeit ein schöner, spannender und erfüllender Beruf ist. Für seine spezifischen Herausforderungen hoffen wir mit diesem Ratgeber und Arbeitsbuch auch Ihnen persönlich eine Hilfe zu geben. Viel Erfolg!
[11]I. |
Spezifische Herausforderungen in der Wissenschaft – Institutionelle Faktoren |
Worum es geht:
Jeder Beruf bringt typische Herausforderungen mit sich. Sie müssen berücksichtigt werden, um die allgemeinen Methoden des Zeitmanage ments dann anzupassen. Zugleich bietet die Arbeit in der Wissenschaft oft größere Freiheiten und Chancen, die teilweise den realen Zwängen gegenüber stehen, teilweise selbst neue Herausforderungen zur Folge haben. Mithilfe dieses Kapitels können Sie sich größere Klarheit darüber verschaffen, welche äußeren Faktoren Ihre Arbeit positiv und negativ, fördernd und fordernd bedingen. Schließlich werden erste Konsequenzen für das Zeitmanagement daraus gezogen, wie Wissenschaft normalerweise unter den typischen institutionellen Rahmenbedingungen funktioniert.
„Zerren dich die von außen kommenden Ereignisse hin und her? Nimm dir doch einmal Zeit, etwas wirklich Gutes hinzuzulernen und hör auf, im Kreis umherzuirren! Du mußt dich aber auch vor dem anderen Irrweg hüten: Toren sind nämlich auch die, die durch ihr Tun müde geworden sind zum Leben und kein Ziel haben.“
Marc Aurel: Selbstbetrachtungen II, 7
Freiheiten
Wissenschaftliche Arbeit erlaubt zumeist überdurchschnittlich große Freiheiten und mehr persönliche Gestaltungsspielräume – sowohl inhaltlich als auch von der Zeiteinteilung her. Das gilt für die Forschung und teilweise noch immer für die Lehre.
Für manche war die Freiheit ein Motiv, um in die Wissenschaft zu gehen, und für manche ist sie ein Motiv, zu bleiben, obwohl sich ein Wechsel in ein Unternehmen oder in eine andere Karriere im öffentlichen Dienst (wie z.B. in einem Ministerium) anbieten würde.
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