Durch den als formelles Gesetz erlassenen Haushaltsplan ermächtigt das Parlament die Exekutive, Ausgaben in der festgesetzten Höhe für den festgelegten Zweck zu leisten, z. B. Zuschüsse für den Bau von Altentagesstätten. Die Exekutive hat im Rahmen der Ermächtigung nach pflichtgemäßem Ermessen über die Zuschussgewährung zu entscheiden. Aus dem Gesetz über den Haushaltsplan kann aber ein Bürger- bzw. Trägerverein keinen Anspruch auf einen bestimmten Zuschuss ableiten (vgl. BVerfG NJW 1975, 254; § 3 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung und entsprechende Länderregelungen).
Übersicht 2: Arten von Rechtsnormen
keine Rechtsgrundlage für öffentliches Verwaltungshandeln sind:
■ Gerichtsurteile
■ Verwaltungsvorschriften
Zum Einstieg: „Familie Berger“
Herr Berger aus G. ist seit der Schließung seines Betriebes vor zwei Jahren arbeitslos und erhält Arbeitslosengeld II sowie für seine beiden 11- und 14-jährigen Kinder Sozialgeld nach § 19 Abs. 1 SGB II. Um das Familieneinkommen etwas zu entlasten, trägt Herr Berger jeden Morgen Tageszeitungen aus und erhält hierfür 330 €, seine Tochter erhält etwa 30 € monatlich, die sie sich durch Babysitten beim Nachbarn verdient. Zu Beginn des neuen Schuljahres wechselt die ältere Tochter von der Realschule auf das Gymnasium. Im ersten Schulhalbjahr ist eine 3-tägige Klassenfahrt geplant. Herr Berger sorgt sich, weil er das Geld für Fahrkosten und Unterkunft von insgesamt 110 € nicht aufbringen kann. Darüber hinaus meint seine Tochter, sie könne ohne eine neue, 180 € teure Jeansjacke der Firma Miss Young nicht an der Fahrt teilnehmen. Er fragt, ob das Jobcenter in der Stadt G. (§ 6d SGB II) die Kosten für die Anschaffung der Jacke und die Klassenfahrt für seine Tochter übernimmt. Der Sozialarbeiter des Jobcenters teilt ihm mit, dass Kleidung vom Regelbedarf der Grundsicherung gedeckt sei und dass die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft, mithin kurze Ausflüge, vom notwendigen Lebensunterhalt, also vom Regelbedarf umfasst seien. Nach § 5 Abs. 2 der Verwaltungsrichtlinien der Stadt G. zur Ausführung der Grundsicherung würden Klassen- und Schulfahrten erst ab einer Dauer von einer Woche pauschal mit 20 € pro Tag bezuschusst. Herr Berger habe deshalb keinen Anspruch auf eine darüber hinausgehende einmalige Beihilfe. Ist diese Auskunft / Entscheidung richtig? Zum Beweis der Richtigkeit seiner Aussagen überreicht er Herrn Berger eine Kopie der entsprechenden Verwaltungsvorschriften:
Auszug aus den Verwaltungsvorschriften der Stadt G. zur Ausführung der Grundsicherung vom 01.03.2011 (VV-Grund):
§ 1: Die nachfolgenden Bestimmungen binden die Stellen der öffentlichen Verwaltung der Stadt G. bei der Ausführung des SGB II i. d. F. vom 1.8.2013 (BGBl. I S. 2954) zum Zwecke der einheitlichen Ermessensausübung mit dem Ziel Gleichheit gewährender und wirtschaftlicher Verwendung kommunaler Haushaltsmittel.
…
§ 5: (1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Arbeitslosengeld II. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung.
(2) Der Regelbedarf umfasst insb. Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft …
…
(4) Für Schülerinnen und Schüler umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch die erforderlichen Hilfen für den Schulbesuch. Darüber hinaus werden Schul- und Klassenfahrten ab einer Dauer von einer Woche pauschal mit 20 € je Tag bezuschusst.
Die Gesamtheit der – geschriebenen bzw. als Rechtsprinzipien anerkannten – verbindlichen Rechtsnormen (s. Übersicht 2) bezeichnet man als Rechtsordnung oder schlechthin als das Recht. Als Rechtsquelle bezeichnet man – neben dem Naturrecht (s. o.), dem Einigungsvertrag der Europäischen Union (s. 1.1.5) und den allgemeinen Regeln des Völkerrechts (Art. 25 GG) – einerseits das Grundgesetz als im wahrsten Sinne des Wortes „grundlegende“ Verfassung im Hinblick auf die Parlamentsgesetze und öffentlich-rechtlichen Satzungen der Selbstverwaltungsträger (vgl. Art. 28 GG) sowie andererseits die Parlamentsgesetze im Hinblick auf Rechtsverordnungen (Art. 80 Abs. 1 GG).
Rechtsnormen bezeichnet man auch als Rechtsgrundlagen (Gesetze im weiteren Sinn), um deutlich zu machen, dass sich jedes staatliche Handeln hierauf zurückführen lassen muss, so wie es Art. 20 Abs. 3 GG formuliert: Bindung an Gesetz (im formellen Sinn) und Recht (Gesetze im materiellen Sinn). Insoweit spricht man auch vom sog. objektiven Recht, d. h. für das Gemeinwesen und alle Bürger und Institutionen geltendes Recht, während man die sich aus der Rechtsordnung ergebende Berechtigung eines Einzelnen als subjektives Recht oder Anspruch bezeichnet (s. a. II-1.2.4). Dabei unterscheidet man einerseits sog. absolute Rechte, die gegen Eingriffe allseitig, d. h. gegenüber jedermann geschützt sind (z. B. Persönlichkeits- oder Eigentums- und andere Sachenrechte) und sog. relative Rechte insb. aufgrund eines Vertrages, die nur bestimmte Personen zu einem Verhalten verpflichten (z. B. aus einem Miet- oder Kaufvertrag die Überlassung der Sache durch den Vermieter bzw. Verkäufer, während der Mieter bzw. Käufer den vereinbarten Preis bzw. die Miete zahlen muss). Insoweit spricht man auch von schuldrechtlichen oder obligatorischen Ansprüchen und Forderungen (vgl. zu den privatrechtlichen Regelungen auch II-1). Der sozialrechtliche (Leistungs-) Anspruch gegen einen öffentlichen Träger wird auch als subjektiv-öffentliches Recht des Bürgers bezeichnet (vgl. 3.4.1).
Und noch eine Begriffsunterscheidung: Unter materiellem Recht versteht man die Rechtsvorschriften, welche das Verhalten der Rechtssubjekte regeln (Inhaltsnormen, insb. auch die Anspruchsnormen, z. B. aus dem BGB). Als formelles Recht werden die Normen bezeichnet, die das Verfahren, z. B. das gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Rechtspositionen, regeln (Prozessrecht, z. B. der ZPO).
1.1.3.1 Verfassungsrecht
Grundgesetz
Lange Zeit – vor der Entstehung des europäischen Gemeinschaftsrechts (s. 1.1.5) – war die grundlegende Rechtsgrundlage in Deutschland das Grundgesetz vom 23.05.1949 als nationale Verfassung der Bundesrepublik (hierzu I-2). Darüber hinaus haben die deutschen Bundesländer aufgrund ihrer Eigenstaatlichkeit jeweils eigene Landesverfassungen. Teilweise geht es in den Landesverfassungen um die Konkretisierung der sozialpolitischen Staatsziele (z. B. das Recht auf Arbeit; Art. 48 Abs. 1 Brandenburg; Art. 171 LV M-V.; Art. 71 Sachsen).
Für die Tätigkeit der Sozialverwaltung besonders bedeutsam sind die Grundrechte (Art. 1 –19, 103 f. GG), die gem. Art. 1 Abs. 3 GG als unmittelbar geltendes Recht zu beachten sind (ausführlich 2.2). Die Verfassungen regeln u. a. auch den Aufbau und die Organisation der Staatsgewalt sowie die Kompetenzen der Staatsorgane. Einklagbare subjektive Rechte räumen diese Verfassungsvorschriften dem Einzelnen nicht ein.
Übersicht 3: Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens bei Bundesgesetzen (Art. 70 ff. GG)
GESETZESINITIATIVE
Gesetzesvorlagen können von der Bundesregierung, dem Bundesrat oder aus der Mitte des Bundestages eingebracht werden (Art. 76 Abs. 1 GG). Die meisten Gesetzesinitiativen – etwa zwei Drittel aller Gesetzesentwürfe – werden von der Bundesregierung vorgelegt. Nach Beratung und Beschluss im Kabinett werden die Gesetzesvorlagen dem Bundesrat zugeleitet, damit dieser in einem sog. „ersten Durchgang“ eine Stellungnahme erarbeiten und ggf. Änderungsvorschläge machen kann. Gesetzesinitiativen des Bundesrates werden über die Bundesregierung an den Bundestag weitergeleitet.
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