Abb. 6: Beispiel für digitales Guerilla Mobile Marketing (Quelle: Instagram 2018)
2.1.4.3 Surprise Guerilla Marketing
Surprise Guerilla Marketing umfasst die Instrumente Ambient Marketing und Sensation Marketing.
Ambient Media ist ein Sammelbegriff, der alle nicht-klassischen Werbemedien zusammenfasst. Ambient Media sind im direkten Lebensumfeld der Rezipienten platziert und integriert – und werden deshalb als nicht störend empfunden, sondern oftmals sogar als sympathisch und originell angesehen (z. B. Postkarten in Szenekneipen, Duschgel-Proben in Umkleidekabinen von Fitness-Studios). Besondere Kennzeichen des Ambient Marketing sind die Radikalität, die Geschwindigkeit und die Kreativität, mit denen der öffentliche Raum vereinnahmt wird. Der Konsument wird dort mit Werbung überrascht, wo er sie nicht erwartet. Ein Wegzappen oder Abschalten ist hier nicht möglich. Ambient Marketing ist planbar und auch wiederholbar (Förster/Kreuz 2006, S. 39 ff; Schulte 2007, S. 84).
Um den Film »Deadpool« zu bewerben, wurde ein fiktives Profil der Hauptfigur auf der Online-Dating-Plattform Tinder erstellt. Während der Suche nach potentiellen Partnern wurde Nutzern der App das Profil von Deadpool als möglicher Partner angezeigt. Das Profil war in der Aufmachung und Tonalität sehr an dem Charakter des Films orientiert und ähnelte gleichzeitig dem gängigen Aussehen normaler Profile. Nun war der Nutzer am Zug, da die App vorsieht, dass eine Aktion vorgenommen werden muss (z. B. nach rechts wischen). Die Verantwortlichen nutzten hier den Mechanismus von Tinder, um induziertes Zwangs-Involvement zu generieren, also eine High-Involvement-Situation zu erzeugen, die für die Verbreitung von Werbebotschaften genutzt wird (
Abb. 7 Abb. 7: Beispiel für digitales Ambient Marketing (Quelle: Imgur 2016)
).
Abb. 7: Beispiel für digitales Ambient Marketing (Quelle: Imgur 2016)
Grundsätzlich ist das Sensation Marketing dem Ambient Marketing sehr ähnlich. Der Hauptunterschied ist, dass Sensation-Marketing-Aktionen i. d. R. einmalig und nicht wiederholbar sind. Ziel ist es, die Rezipienten zu überraschen, zu faszinieren und einen »Aha«- bzw. »Wow«-Effekt auszulösen. Die Begriffe Guerilla Sensation und Ambient Stunt stehen für ungewöhnliche, spektakuläre Aktionen (Jäckel 2007, S. 8; Schulte/Pradel 2006, S. 58).
Mit Guerilla Sensation ist eine dynamische Aktion gemeint, in die Personen involviert sind. Exemplarisch hierfür sind Live-Übertragungen auf Social-Media wie Instagram oder Facebook. Bei diesen Schaltungen werden Follower eines Profils ohne Vorankündigung benachrichtigt, dass ein Unternehmen oder eine öffentliche Seite in diesem Moment live geht. In verschiedenen Formaten steht z. B. ein Repräsentant einer Marke zu Verfügung, um Fragen der Nutzer in Echtzeit zu beantworten. Nur Nutzer, die in genau diesem begrenzten Zeitraum einschalten, haben die Möglichkeit, an der Aktion teilzunehmen.
Beim Ambient Stunt geht es um eine spektakuläre statische Installation, die jedoch nicht weniger unkonventionell präsentiert wird. Die medienwirksamen Aktionen werden an strategisch interessanten, stark frequentierten Orten ausgeführt, um ein hohes Maß an Aufsehen zu erregen. Auch bei dieser Form des Guerilla Marketing werden Multiplikatoren benutzt, um eine möglichst breite Öffentlichkeit über die mediale Weiterverbreitung und virale Effekte von der Aktion in Kenntnis zu setzen. Das Immobilienunternehmen Homie aus dem US-Bundesstaat Utah nutzte im Herbst 2018 die anstehenden Wahlen in Arizona, um seine Expansion in die Hauptstadt des Nachbarstaats, Phoenix, zu bewerben. Verschiedene Online- und Offline-Werbemaßnahmen riefen die Wähler dazu auf, Homie zu wählen und verwiesen auf die Website homieforsenate.com (
Abb. 8 Abb. 8: Beispiel für digitales Sensation Marketing (Quelle: Homie 2018)
). Erst als die interessierten Wähler die Website besuchten, wurde aufgeklärt, dass der versprochene »bemerkbare Wandel« sich auf den Geldbeutel des Kunden beziehen wird und nicht auf die bevorstehende Senatswahl. Zusätzlich zu der direkt generierten Aufmerksamkeit durch die Kampagne verzeichnete das Unternehmen aufgrund zahlreicher Berichterstattungen Millionen von Websitebesuchen.
Abb. 8: Beispiel für digitales Sensation Marketing (Quelle: Homie 2018)
Ambush Marketing lässt sich keiner der bislang vorgestellten Kategorien des Guerilla Marketing subsummieren und bildet deshalb einen Sonderfall. Beim Ambush Marketing handelt es sich um eine Guerilla-Alternative zum klassischen Sponsoring. Ambush Marketing ist die Vorgehensweise von Unternehmen, dem direkten und indirekten Publikum eines (Sport-)Events durch eigene Marketing-, insbesondere Kommunikationsmaßnahmen, den Eindruck einer Verbindung zum Event zu signalisieren, obwohl die betreffenden Unternehmen keine legalisierten oder lediglich unterprivilegierte Vermarktungsrechte an dieser von Dritten gesponserten Veranstaltung besitzen. Auf diese Weise wollen Ambusher analog offiziellen Sponsoren über eine Assoziation mit dem Event in der Wahrnehmung der Rezipienten Produkte bewerben und verkaufen (Nufer 2018, S. 45).
Was tun, wenn man als Spieler mit seinem Land die Qualifikation zur Weltmeisterschaft verpasst hat? Man tut es Gareth Bale gleich und lernt das Friseur-Handwerk (
Abb. 9 Abb. 9: Beispiel für digitales Ambush Marketing (Quelle: Telegraph 2018)
). Das und viele andere Alternativen ermöglicht der Online-Händler Wish in seiner ersten globalen Werbekampagne dem walisischen Superstar und vielen anderen Fußballern, die es 2018 nicht zur Fußball-Weltmeisterschaft in Russland schafften. Der Italiener Gianluigi Buffon und der US-amerikanische Torhüter Ben Howard lernten bspw. mit Utensilien von Wish die Kunst des Backens, der Niederländer Robin Van Persie widmete sich der Gartenarbeit und der Chilene Claudio Bravo hatte Spaß mit seiner neuen Drohne. Unter der Kampagne »die Zeit liegt in deiner Hand« bewarb Wish damit gezielt seine sehr preisgünstigen Produkte, die für jedermann online erwerblich sind. Ohne offizieller Sponsor der FIFA-WM zu sein und ohne, dass die Akteure an dem Turnier teilnahmen, verstand dennoch jeder TV-Zuschauer den Bezug zur WM, da die bekannten Fußballer ansonsten fester Bestandteil des Weltfußballs sind (Nufer 2019, S. 82 f).
Abb. 9: Beispiel für digitales Ambush Marketing (Quelle: Telegraph 2018)
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