Leonid schlug die Beine übereinander. »Reden wir doch Klartext miteinander, Pawel Konstantinowitsch. Ich will Ihre Tochter haben, und es stört mit nicht, daß sie in ein paar Monaten einen kleinen Romanow-Bastard zur Welt bringen wird.«
Lasarow wurde aschfahl. »Um Gottes willen, woher wissen Sie ...«
»Sie gestatten doch?« Der Fürst zündete sich eine Papyrossi an. »Ich weiß es eben. Aber seien Sie unbesorgt, ich werde nicht damit hausieren gehen, denn ich möchte keinesfalls, daß man mir später nachsagt, ich hätte mir ein Kuckucksei unterschieben lassen. Dieses Kind wird den Namen Soklow tragen, und nach einiger Zeit wird kein Mensch sich mehr das Maul darüber zerreißen, daß es nur vier oder fünf Monate nach meiner Hochzeit mit Swetlana Pawlowna geboren wurde.«
Lasarow starrte ihn mit offenem Mund an.
»Warum wollen Sie das tun? Sind Sie ruiniert und legen Wert auf eine ansehnliche Mitgift?«
Soklow lachte. »Meine finanziellen Verhältnisse könnten gar nicht besser sein. Ich sage Ihnen doch: Ich will Swetlana haben. Ich wollte sie schon im letzten Winter, als sie in die Gesellschaft eingeführt wurde, aber leider hat sie Barschewskij den Vorzug gegeben – und natürlich dem teuren Verstorbenen, dessen Namen ich Ihnen ja nicht zu nennen brauche. Jetzt gibt es beide nicht mehr, und ich bin entschlossen, keinem Dritten auch nur den Schatten einer Chance einzuräumen. Also sagen Sie ja. Ich biete Ihnen doch wirklich die Rettung aus einer höchst prekären Situation an.«
Damit hatte er zweifelsohne recht. Trotzdem empfand Pawel Konstantinowitsch plötzlich Unbehagen. Er betrachtete Soklow, wie er da saß, wie immer hochelegant gekleidet, mit sorgfältig gescheiteltem Haar und einem Gesicht, das sowohl Kälte als auch eine gewisse Verkommenheit verriet.
Sein Ruf war nicht der beste, das wußte Lasarow inzwischen. Soklow galt als intrigant und skrupellos, und man erzählte sich, daß in seinem Palais auf der Wassiljewskij-Insel die wildesten Orgien stattfänden. Und er hatte Boris Barschewskij erschossen.
Er muß total verrückt nach Swetlana sein, dachte Pawel Konstantinowitsch, und seine Aversion wuchs. Seine Tochter im Bett dieses aalglatten Lebemannes?
Lasarow war immer so stolz auf Swetlana gewesen. Darum hatte es ihn auch so besonders getroffen, daß sie die Geliebte des Großfürsten Georg geworden war. Mätressen waren nicht gut genug, daß man sie heiratete. Man amüsierte sich mit ihnen, und wenn man sie satt hatte, warf man sie weg.
Trotzdem hatte der Graf es zähneknirschend hinnehmen müssen, daß Swetlana diesen Weg ging. Man stieß den Bruder des Zaren nicht die Treppe hinunter, weil er mit der Tochter herumhurte. Man konnte nur die Augen davor verschließen und beten, daß keine Katastrophe passierte.
Aber sie war passiert, die Katastrophe. Swetlana bekam ein Kind, dessen Vater nicht mehr lebte.
Pawel Konstantinowitsch geriet ins Schwitzen, sobald er daran dachte, daß seine Tochter ihn in diese blamable Situation gebracht hatte, und er verzieh es ihr nicht. Warum also sollte er auf sie Rücksicht nehmen, wenn dieser Leonid Soklow sie haben wollte? Hatte sie vielleicht Rücksicht auf ihren Vater genommen?
Lasarow verdrängte seinen Widerwillen und setzte ein, wie er meinte, liebenswürdig-gewandtes Lächeln auf.
»Verzeihen Sie, mein lieber Leonid Iwanowitsch, ich bin vollkommen überrascht. Ich hätte nicht erwartet, daß ein unbescholtener, ehrenhafter Mann aus erster Familie, mit einem großen Vermögen gesegnet, meiner Tochter sein Herz und seine Hand ...«
»Und so weiter und so weiter«, fiel Soklow ihm ins Wort. »Sparen Sie sich Ihre Schnörkel und Verrenkungen, mein Teuerster. Swetlana braucht einen Mann und einen Vater für ihren Bastard. Beides bekommt sie. Und mir wird es eines Tages vielleicht von Nutzen sein, daß ich diesem Kind den Makel einer illegitimen Geburt erspart habe. Wer weiß?«
Lasarow warf ihm einen unsicheren Blick zu. »Glauben Sie denn, daß Ihre Majestäten wissen ...«
»Daß Swetlana Pawlowna ein Kind erwartet? Vielleicht heute noch nicht. Doch da ihnen bekannt sein dürfte, daß es neun Monate von der Zeugung bis zur Geburt dauert, können sie sich leicht ausrechnen, wer der leibliche Vater ist. Aber Sie haben natürlich mein Ehrenwort, daß ich von mir aus niemandem, auch dem Zarenpaar gegenüber nicht, eine Andeutung machen werde. Manchmal werden die unausgesprochenen Dinge besser honoriert als die, mit denen man sich brüstet.«
Eine Woche später – sowohl Graf Lasarow als auch Leonid Soklow hatten auf eine rasche Eheschließung gedrängt – war Swetlana mit dem Fürsten verheiratet.
Sie hatte zugestimmt, weil sie wußte, daß dies die einzige Möglichkeit für sie war, ihr Kind behalten zu können.
Was aus ihr selbst wurde, beschäftigte sie wenig. In ihrer Vorstellung war ihr Leben ohnehin zu Ende, und sie führte es nur fort, weil sie für ihr Kind dasein mußte. Sie konnte es nicht allein zurücklassen – und sie hätte es auch nicht umbringen können, solange es noch in ihr war.
In der Woche vor ihrer Hochzeit war Soklow von ausgesuchter Höflichkeit. Er brachte Swetlana Blumen und kleine Geschenke, küßte ihr die Hand, wenn er kam und ging, und hielt bei jedem Zusammentreffen vollkommen die Grenzen des Anstands ein. Aber er vermochte Swetlana nicht zu täuschen. Der Wolf hatte einen Schafspelz übergezogen, und wenn sie erst Fürstin Soklowa hieß, würde er ihn abwerfen und über sie herfallen.
Georg hatte sie zur Frau gemacht; nun spürte sie mit allen Fasern, wie Soklow sie begehrte und daß er sich nur beherrschte, um sie in Sicherheit zu wiegen.
Die Zarin hatte ihr zwei Tage vor der Trauung ein Billett gesandt.
Mein liebes Kind, hatte sie geschrieben, ich weiß nicht, was ich von Ihren Plänen halten soll. Natürlich sieht alles auf den ersten Blick sehr vorteilhaft aus, aber vielleicht sollten wir noch einmal gemeinsam beratschlagen, ob es nicht einen anderen Ausweg gibt. Ich werde Anweisungen geben, daß man Sie sofort vorläßt, wenn Sie zu mir kommen möchten.
Swetlana war nicht ins Winterpalais gefahren. Sie hatte Alexandra Fjodorowna lediglich in einem kurzen Brief für ihre Freundlichkeit und Anteilnahme gedankt. Aber was sollte es noch für einen Ausweg geben außer der Ehe mit Leonid Iwanowitsch? Ein anderer Mann vielleicht, den die Zarin vorschlug? Er würde auch nicht besser als Soklow sein, sondern sich die Gefälligkeit, einer Frau seinen Namen zu geben, die ein uneheliches Kind erwartete, auf jede erdenkliche Weise bezahlen lassen.
Die Trauung fand am späten Nachmittag in der Erlöserkirche statt. Xenia und Irina hielten die Brautkronen über Swetlanas und Soklows Köpfe.
Der Pope, der sie zusammengab, war nachlässig gekleidet. Sein Priestergewand wies Flecken auf, und er roch unangenehm. Sein dünner Adamsapfel hüpfte hin und her, wenn er seinen Speichel hinunterschluckte. Aber er hatte eine herrliche Stimme und sang den Großen Segen so schön und hingebungsvoll, daß es Swetlana Tränen in die Augen trieb.
Am Abend nach einem Diner im Lasarowschen Palais, das nur im Familienkreis eingenommen wurde und bei dem keine gelöste Stimmung aufkommen wollte, fuhr Swetlana mit ihrem Mann in dessen Palast auf der Wassiljewskij-Insel.
Es war ein etwas düsterer, gleichwohl sehr prunkvoller Bau aus der Zeit der Zarin Elisabeth, in dessen Halle sich die Hausangestellten versammelt hatten, um ihre neue Herrin zu begrüßen und ihre Glückwünsche anzubringen.
Swetlana nickte und lächelte, sagte da und dort ein paar Worte, während Soklow bereits in einem Salon verschwand und ungeduldig nach Champagner und Wodka verlangte. Als Swetlana hereinkam, lehnte er am Kamin, ein Glas in der Hand, und rauchte eine Papyrossi.
Sie hatte noch bei ihren Eltern ihr Hochzeitskleid mit einem hochgeschlossenen Samtkostüm vertauscht, das mit Zobel besetzt war. Auch die Kappe, ebenso der weite Mantel, waren aus Zobel.
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