56
Hinweis:
Der klassische Streit über die Bedeutung von ultra-vires-Handeln beim Abschluss von Verträgen hat hier keinen Platz, da die WVK Anwendung findet. Wäre der Fall auf Basis des Gewohnheitsrechts zu lösen, so wäre der Streit kurz darzustellen (Relevanztheorie: Wenn das Völkerrecht dem nationalen Recht die Bestimmung der Vertragsschlusskompetenz überlässt, muss es diese auch völkerrechtlich zur Geltung bringen; Irrelevanztheorie: Das Völkerrecht ist blind gegenüber den innerstaatlichen Regelungen; ansonsten wären Rechtssicherheit und Völkerrechtsverkehr behindert). Herrschend ist seit einiger Zeit die „vermittelnde“ Evidenztheorie, der Art. 46 WVK folgt.
b) Verstoß gegen zwingendes Völkerrecht
57
Araukarien macht weiter geltend, dass der Vertragsschluss wirtschaftlich ruinöse Folgen für das Land habe und dieses in „wirtschaftliche Abhängigkeit“ treibe. Sofern der Hinweis auf das „Existenzrecht des Staates“ so zu verstehen sein sollte, dass damit ein Verstoß gegen ius cogens behauptet wird, der einen Vertrag gemäß Art. 53 WVK (bzw. nach Art. 64 WVK, falls die Norm des zwingenden Völkerrechts erst nach Vertragsschluss entstanden ist) nichtig machen würde, so ist auf die erheblichen Zweifel hinzuweisen, die an der Geltung eines Rechts auf wirtschaftliche Selbstbestimmung als zwingendes Völkerrecht bestehen. Selbst wenn man nur den Schutz vor wirtschaftlicher Existenzvernichtung hierunter rechnen wollte, bliebe problematisch, dass damit ein Staat letztlich vor sich selbst geschützt werden würde. Auch die Staatenpraxis stützt ein solches Recht nicht. Der Entwicklungsländern gelegentlich gewährte Schuldenerlass wird von den Industrieländern nicht als Rechtspflicht aufgefasst und schon gar nicht als von zwingendem Recht geboten. Zudem bezieht sich der vorliegende Fall nicht auf einen Entwicklungskontext. Auf die Frage, wie schwer die 1,8 Millionen APf tatsächlich den araukarischen Haushalt belasten, kommt es daher nicht mehr an. Der Vertrag ist somit nicht wegen Verstoßes gegen völkerrechtliches ius cogens nichtig.
III. Beendigung des Vertrags?[10]
58
Der wirksam geschlossene Vertrag dürfte auch nicht nachträglich beendigt oder suspendiert worden sein. Da Araukarien sich überhaupt nicht mehr an den Vertrag gebunden sieht und „vorsorglich“ den Rücktritt erklärt hat, kommt aus tatsächlichen Gründen nur eine Beendigung, nicht aber eine bloß vorübergehende Suspendierung in Betracht.[11]
59
Hinweis:
Araukarien bemüht sich mit aller Macht, aus dem Vertrag herauszukommen und fährt eine ganze Reihe von Argumenten auf, warum dieser, selbst wenn er wirksam geschlossen sein sollte, nicht länger verbindlich ist. Man kann diese Argumente in der Reihenfolge prüfen, in der sie vorgebracht werden, man kann aber auch der Systematik der WVK folgen und die Argumente den dort geregelten Fällen der Beendigung von Verträgen zuordnen. Dieser zweite Weg wird hier beschritten – ergänzt um den in der WVK nicht geregelten Fall des Untergangs eines Vertragspartners.
1. Beendigung durch Untergang eines Vertragspartners
60
Eine Beendigung könnte durch den Untergang eines der Vertragspartner eingetreten sein.[12] Hierauf zumindest deutet der Vortrag Araukariens hin, der Vertrag sei seinerzeit mit dem „untergegangenen“ Königreich Araukarien, nicht mit der Republik geschlossen worden. Durch die Revolution in Araukarien und den damit verbundenen Übergang von der Monarchie zur Republik ist Araukarien aber nicht als Staat untergegangen, sondern besteht als Völkerrechtssubjekt fort.[13] Es stellen sich daher im vorliegenden Fall keine Probleme der Staatennachfolge.[14]
2. Beendigung durch Rücktritt
61
Eine Beendigung könnte aber durch den von der neuen Regierung „vorsorglich“ ausgesprochenen Rücktritt vom Vertrag eingetreten sein. Mangels ausdrücklicher vertraglicher Regelung oder eines Einvernehmens zwischen den Parteien kommt eine Beendigung nach Art. 54 WVK nicht in Frage. Gemäß Art. 56 Abs. 1 WVK gibt es bei einem Vertrag, der wie im vorliegenden Fall eine Rücktritts- oder Kündigungsmöglichkeit nicht vorsieht, kein Recht zum Rücktritt, sofern nicht einer der beiden dort genannten Ausnahmefälle vorliegt. Dass die Vertragsparteien die Möglichkeit eines Rücktritts zuzulassen beabsichtigten (lit. a), ist nicht ersichtlich. Aus der Natur eines Kaufvertrages (lit. b) dürfte auch kaum ein Recht zu einem einseitigen Rücktritt zu folgern sein, da dieser auf die einmalige gegenseitige Erbringung der vertraglich vereinbarten Leistungen gerichtet ist.[15]
3. Beendigung infolge Vertragsverletzung
62
Araukarien hält sich auch deswegen für berechtigt, den Vertrag für beendet zu erklären, weil Baobab sich seinerseits nicht an die Vereinbarung gehalten hat. In der Tat gestattet Art. 60 WVK die einseitige Lösung von einem bilateralen Vertrag, wenn die andere Partei eine erhebliche Vertragsverletzung zu verantworten hat. Eine solche „erhebliche“ Verletzung liegt nach Art. 60 Abs. 3 lit. b WVK vor, wenn gegen eine nach Ziel und Zweck des Vertrages wesentliche Bestimmung verstoßen wird. Welche Bestimmung für die Erreichung von Ziel und Zweck des Vertrages wesentlich ist, muss durch Auslegung ermittelt werden.[16] Araukarien rügt die fehlende Abstimmung hinsichtlich der Größe des Wappenschildes als vertragswidriges Verhalten, was jedoch kaum als für den Kaufvertrag wesentlich betrachtet werden kann. Der Vertragszweck ist die Lieferung (und Bezahlung) der Limousinen. Der Verstoß gegen eine vertragliche Nebenpflicht hat zur Folge, dass Baobab nach den allgemeinen Regeln der Verantwortlichkeit Wiedergutmachung zu leisten hat (hier könnte zwischen den Parteien z. B. die gänzliche Entfernung des Wappenschildes vereinbart werden), berechtigt Araukarien aber nicht zum Rücktritt vom Vertrag.
4. Beendigung infolge nachträglicher Unmöglichkeit
63
Dass die Erfüllung Araukarien nachträglich unmöglich geworden wäre (vgl. Art. 61 WVK), ließe sich nur mit fehlenden Finanzmitteln begründen. Wirtschaftliche Probleme befreien indes nicht von der Verpflichtung zur Erfüllung einer vereinbarten Geldleistungspflicht.[17] Auch im zwischenstaatlichen Verkehr gilt, dass man „Geld zu haben hat“.
5. Beendigung wegen grundlegender Änderung wesentlicher Umstände
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Hinweis:
Art. 62 WVK ist in seiner Regel-Ausnahme-Rückausnahme-Struktur etwas unübersichtlich gefasst. Voraussetzung für die Berufung auf die Klausel ist 1) eine grundlegende Änderung von Umständen, die bei Vertragsschluss vorlagen und die 2) von den Parteien nicht vorhergesehen wurden. Zudem müssen diese Umstände 3) wesentliche Grundlage für die Zustimmung aller (!) Parteien gewesen sein, und 4) die Änderung muss die noch ausstehenden Verpflichtungen in ihrem Ausmaß tiefgreifend umgestalten. Schließlich darf es sich 5) nicht um einen Grenzvertrag handeln, und 6) die Partei, die sich auf die Veränderung der Umstände beruft, darf diese Änderung nicht ihrerseits deliktisch herbeigeführt haben.
65
Araukarien beruft sich schließlich noch auf eine grundlegende Änderung der Umstände gegenüber dem Vertragsschluss (sog. clausula rebus sic stantibus , Art. 62 WVK).[18] Eine Änderung der bei Vertragsschluss vorliegenden Umstände kann gewiss in der araukarischen Revolution und dem Übergang zur Republik gesehen werden. Auch einen grundlegenden Charakter wird man diesem Ereignis nicht absprechen können; politische Gründe sind von der clausula rebus sic stantibus nicht a priori ausgenommen. Die Änderung der Umstände wurde von den Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrags auch nicht vorausgesehen. Art. 62 WVK gestattet aber nur dann ausnahmsweise eine Lösung vom Vertrag, wenn der nun geänderte Umstand wesentliche Grundlage für die Zustimmung der Parteien war und eine tiefgreifende Umgestaltung der noch zu erfüllenden Vertragspflichten mit sich bringen würde. Zwar können politische Verhältnisse wesentliche Grundlage von Verträgen sein, etwa bei Verteidigungsbündnissen oder anderen „politischen“ Verträgen;[19] bei einem Kaufvertrag indes ist die Verwendung der Kaufsache regelmäßig die Angelegenheit des Käufers und für den Verkäufer nicht von Interesse. Dass auf araukarischer Seite kein Interesse mehr an der Lieferung von Luxuslimousinen mit dem alten Staatswappen besteht, ist somit kein Grund, den Fortfall einer wesentlichen Grundlage für die Zustimmung der Parteien, beider Parteien, anzunehmen. Da insoweit eine objektive Sichtweise einzunehmen ist,[20] kann sogar nicht einmal für die araukarische Seite anerkannt werden, dass ein wesentlicher Grund für den Vertrag weggefallen ist, hatte der Vertrag doch keinen spezifischen Bezug zur Monarchie. Die Wagen können auch anderweitig als Dienstwagen eingesetzt werden; das Wappen ließe sich im Bedarfsfall wieder überlackieren. Schließlich ist bei einem Kaufvertrag nicht zu erkennen, worin die tiefgreifende Umgestaltung der Pflicht zur Lieferung der Kaufsache und zur Zahlung des Kaufpreises liegen soll, wenn es in einem der Vertragsstaaten zu einem Wandel der politischen Verhältnisse kommt. Auch aus Art. 62 WVK lässt sich kein Rücktrittsrecht Araukariens ableiten.
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