Andreas Gößling - Der Alchimist von Krumau

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Der Alchimist von Krumau: краткое содержание, описание и аннотация

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Don Julius, Bastardsohn Rudolfs II., kommt als neuer Graf ins böhmische Krumau - gegen seinen Willen. Um seine Rückkehr nach Prag zu erzwingen, nimmt Julius den Wettstreit auf dem einzigen Feld auf, auf dem er seinem Vater die Stirn bieten kann: der Alchimie. So beginnt ein bizarrer Kampf, in dem es um künstliches Gold und Kreaturen aus der Retorte, um Macht und Einsamkeit, Liebe und Reichtum geht ...
_bookmark0 Buch Im Frühjahr 1607 kommt Don Julius, Bastardsohn Rudolfs II. als neuer Graf ins böhmische Krumau. Vor seiner Abreise ist es in der Kaiserburg zu einem tödlichen Zwischenfall gekommen, an dem er die Schuld tragen soll - doch er erinnert sich an nichts! Julius ist davon besessen, einst die väterliche Krone zu erben, und überzeugt, Opfer einer Intrige zu sein. Um seine Rückkehr nach Prag zu erzwingen, nimmt Julius den Wettstreit mit seinem Vater auf dem einzigen Feld auf, auf dem er dem Alchimisten auf dem Kaiserthron die Stirn bieten kann. So beginnt ein bizarrer Kampf der Magier und Alchimisten, in dem es um künstliches Gold und Kreaturen aus der Retorte, um Macht und Einsamkeit, Liebe und Reichtum geht - und der schon bald eskaliert. Denn auch die geheimnisvolle Baderin Markéta, in die Julius sich verliebt, kann seinen krankhaften Ehrgeiz nicht besänftigen.
Autor Andreas Gößling, geboren 1958 in Gelnhausen, wuchs in einem Barockschloss auf, studierte Literatur- und Politikwissenschaft, gilt als Experte für phantastische, mythen- und kulturgeschichtliche Themen. Seine historischen Romane Die Maya-Priesterin (2001) und Im Tempel des Regengottes (2003) begeisterten Leserschaft und Kritik gleichermaßen, auch das ZDF, das einen aufwendigen Film über Andreas Gößlings Maya-Romanwelt drehte.

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PROLOG

Das Mariandl hielt Don Julius bei der Hand und zog ihn immer tiefer in ein Gewirr krummer Gassen hinein. Er hätte sich nicht darauf einlassen sollen, dachte er. Das war ja der reinste Irrgarten hier, noch dazu in stockschwarzer Nacht. In seinem Rücken hörte er klappernde Schritte, wie von Holzpantinen, dann ein heiseres Getuschel. Er wollte stehen bleiben, sich umwenden, aber das Hürchen zog ihn unaufhörlich weiter.

»Bloß noch ein paar Schritte, Euer Gnaden«, wisperte sie, »seht Ihr dort vorn die Laterne? Da ist es schon.«

Aber Don Julius sah überhaupt nichts, nur Dunkelheit und Schatten und zuweilen die Sichel des Mondes, die hoch droben durch den schwarzen Himmel schnitt. Schwül war die Nacht, dabei hatte der Mai kaum erst begonnen.

Sie bogen um eine Hausecke, und da ragte zu ihrer Rechten eine riesenhafte Mauer auf. Das muss ja der Stadtwall sein, direkt hinterm Hradschin, wunderte sich Julius, aber ich versteh’s nicht, hat sie mich im Kreis geführt? In seinem Kopf hockte eine Dumpfigkeit, als ob er halsaufwärts durch dicken Nebel liefe. Der Holler eben in der Schenke, vielleicht hat sie mir ein Zauberzeug hineingemischt, aber warum sollte das Mariandl so was tun? Und welcher Unselige würde sich erdreisten, Don Julius Caesar, dem Erstgeborenen Ihrer Kaiserlichen Majestät, an den Kragen zu gehen?

Er stolperte über einen Pflasterstein und wollte wieder stehen bleiben, da schob das Mariandl einen Arm unter Julius’ Umhang, seine Mitte mit festem Griff umschlingend. Er spürte die Weichheit ihres Leibes und atmete ihren Duft nach heißem Schweiß und Schoß. Ah, gleich will ich in dir ersaufen, dachte Julius, umso besser, wenn ihr Sterngucker so nah bei der Burg haust. Fügsam ließ er sich weiterziehen. Als er nach vorn sah, funzelte dort tatsächlich eine Laterne, trübes Licht hinter gelbem Glas. Daneben eine Tür. Mit der Schulter drückte das Mariandl dagegen, und kuhwarmer Dunst schlug ihm ins Gesicht.

»Nur herbei, wer’s auch sei.« Ein Krächzen im Dunkeln, eher Raben- als Menschenstimme, vom Sprecher selbst war keine Feder und kein Haar zu sehen.

Das Mariandl schleppte Julius tiefer in die Höhle. Ein Vorhang glitt zur Seite, blinzelnd blieb der Kaisersohn stehen. Ein kleiner Tisch, darauf eine Kerze, an einer Spiegelscherbe klebend, die das Licht empor zur Decke warf. Dahinter hockte ein graubärtiger Zwerg, auf einen Pergamentfetzen schielend, den er mit beiden Händen vor seinen Augen ausgespannt hielt.

»Exzellenz«, krächzte der Alte, »wie befohlen hab ich den Himmel ausgelesen.« Er ließ das Pergament sinken und buckelte im Sitzen zu Julius hinauf. »Verzeiht, wenn ich mich nicht erhebe, Euer Gnaden, mein Leib gleicht einem Weiler, der von den Muselmanen gebrandschatzt worden ist.«

Er hustete rasselnd, die Kerze flackerte, dass die Schatten der Besucher tanzten: Julius’ hohe Gestalt im Umhang, an seine Seite gedrückt das viel kleinere Mariandl mit den struppig aufgesteckten Locken. Selbst die Adlerfeder auf seinem Hut, das auf die Schultern fließende Haar und das spitze HabsburgerKinn zeichneten sich zitternd auf den Wänden ab.

Als der Alte auch noch Anstalten machte, die Leibsruine unter seinen Lumpen freizunesteln, hob Julius rasch eine Hand. »Das Horoskop, Kerl.« Ihn schauderte, nicht nur wegen dem Mariandl, das ihre Hüfte an seinem Schenkel rieb. »Les er’s vor, aber hoppla, sonst lehr ich ihn hier drinnen Sterne sehn.«

»Sehr wohl, sehr wohl, Euer Liebden.« Knochendürre Hände rollten abermals den rissigen Fetzen aus. »Mit Genauigkeit kann ich voraussagen, was die Sterne für Euer Liebden vorsehen. Ein waches, emsiges, unruhiges Gemüt habt Ihr, herrliche Gnaden. Nach allerhand Neuerungen gierend, dem gemeinen menschlichen Wesen und seinen Händeln abgeneigt. Stattdessen nach unversuchten oder doch seltsamen Mitteln trachtend, und dabei um vieles mehr Euch insgeheim denkend, als Ihr äußerlich sehen und spüren lasst. Denn Saturnus im Aufgang macht müßige, melancholische, allzeit wache Gedanken. Saturn bringt Neigung zu Alchemie und Magie, zur Gemeinschaft mit den Geistern, zu Verachtung menschlicher Gebote und Sitten, sogar der Religionen. Saturn macht Euch alles verdächtig, was von Gott oder von den Menschen kommt, als ob es samt und sonders Betrug und Vorspiegelung wäre.«

Wahr gesprochen, dachte der Kaisersohn, aber warum ist mir bloß so dumpfig zumut? Die stickige Luft in diesem Stall machte es nur noch schlimmer, doch schon draußen in den Gassen war er ja wie ein Besoffener an der Hand der Hure gewankt.

»Weiter«, sagte er, wobei er an Mariandls Schulter Halt suchte, »und ohne auf Effekt zu schielen - ich befehl’s.«

Der Alte glättete das Pergament so krachend, als ob er’s zerreißen wollte. »Weil der Mond in Euerm Horoskop verworfen steht, Euer Gnaden«, fuhr er fort, »wird Euer Argwohn Euch zu Nachteil und Verachtung bei denen gereichen, mit welchen Ihr umgehen müsst. Für einen einsamen, leichtfertigen Unmenschen werden die Leute Euch halten. Und tatsächlich werdet Ihr diese Charakterzüge zeigen: Unbarmherzigkeit, ohne brüderliche Liebe zu Euren Nächsten; niemanden achtend, nur Euch selbst und Euren Wollüsten ergeben; hart zu Euren Untertanen, meistenteils in Euch versunken, oft ungestüm und streitbar; von unnützer Furcht geplagt, weil Saturn die Einbildungen verdirbt.«

Als das Mariandl leise aufseufzte, stockte der Sternseher wieder und spähte zu Julius empor, der seine Rechte in die weiche Schulter des Mädchens grub. Wie klein und schwächlich sie ist, dachte Julius, und dazu ihr grobes schwarzes Haar, das sich fast wie Draht anfühlt. Wie kommt’s nur, dass ich mich von ihr bestricken ließ? Ihre Brüstchen sind platt wie der Sermon ihres Sternguckers, den sie mir so überschwänglich angepriesen hat: der beste Astrolog von Prag? Pah, ich spei drauf.

Kurz musste Julius die Augen schließen, so schwindlig war ihm mit einem Mal. »Ist das alles, Kerl?«, fuhr er den zwergischen Alten an.

»Habt Ihr Euch nicht gebrüstet, mein Leben mit Genauigkeit vorauszusehen? Und leiert stattdessen nur Phrasen und Hohnworte, wie von Sargenfalt, mein Leibastrolog, sie täglich dutzendfach runterbetet.«

Der Seher kratzte sich mit krummen Fingern unterm Spinnwebbart. »Betrug und Vorspiegelung argwöhnt Ihr allerorten«, krächzte er, »wies Euch in den Sternen geschrieben steht.« Noch einmal beugte er sich übers Pergament. »Der Komet, der letzte Woche über der Kaiserstadt stand, von der Gestalt des Ouroboros, des Drachens der Alchemie, Exzellenz -zusammen mit Eurem Saturnus bewirkt er günstigen Fortschritt Eurer geheimsten Pläne. Ein Erleuchteter wird Euch aufsuchen, sehr bald schon, noch ehe Ihr das dreiundzwanzigste Lebensjahr vollendet. In seinem Gefolge eine künstliche Figur, die er erschaffen hat kraft seiner alchymischen Magie. Aber nicht hier in Prag wird er auf Euch stoßen, Euer Liebden, in der Kaiserstadt lauern Euer Verdruss und große Gefahr.«

»Nicht in Prag?«, wiederholte Julius.

»Sehr wohl, sehr wohl, herrlichste Gnaden«, brabbelte der Sterngucker. »Gold in breiten Strömen und geschaffne Kreaturen sonder Zahl, alles für Euch, aber nicht hier ...«

»Was schwadroniert er da für einen Unfug!«, fuhr ihm Julius in die Rede. »Schluss jetzt!« Sturzdüster war ihm mit einem Mal zumut. Nicht genug, dass seine Mutter Katharina da Strada und der unvermeidliche Maître d’Alembert ihn seit Jahr und Tag moldauabwärts verfrachten wollten, in die vollkommen verwaiste und verwahrloste Burg von Krumau. Jetzt kam auch noch dieser Sterngucker dahergeschlottert und bramarbasierte von Gunst und Erleuchtung, die seiner angeblich harrten, was ja gut und schön war - aber fernab von Prag?

Er tastete nach seinem Beutel und ließ zwei Kupfermünzen auf die Spiegelscherbe klirren. Hier ist mein Platz, hier in der Kaiserstadt, dachte Julius, bei Krone und Thron, nirgendwo sonst. Und er befahl dem Mariandl, ihn augenblicklich zurück zur Burg zu bringen.

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