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Versuch mit untauglichen Mitteln |
Beispiel
A verabreicht B irrtümlich in einer zu geringen Dosierung ein Gift, welches nicht, wie von A geplant zum Tode, sondern lediglich zu schweren Magenkrämpfen führt.
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Versuch des untauglichen Subjekts |
Beispiel
A lässt sich in Unkenntnis der Nichtigkeit seiner Ernennung zum Beamten Schmiergeld von einem Restaurantinhaber geben, welchen er zu kontrollieren hat, damit er die skandalösen hygienischen Zustände, die in diesem Restaurant herrschen, unberücksichtigt lässt.
In den vorgenannten Fällen war der Tatentschluss des Täters auf die Verwirklichung eines Straftatbestandes gerichtet, so dass er wegen Versuchs des Deliktes zu bestraften ist.
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Straflos ist hingegen der sog. irreale oder abergläubische Versuch, bei welchem der Täter mit irrealen Mitteln (z.B. Voodoo-Puppen, Teufelsbeschwörung o.Ä.) einen strafrechtlich relevanten Erfolg herbeiführen möchte. In diesen Fällen stellt der Täter sich schon kein strafbares Verhalten vor, so dass nach herrschender Meinung der Rechtsfrieden nicht nachhaltig erschüttert wird. In der Klausur ist dementsprechend der Tatentschluss zu verneinen.
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Davon abgrenzen müssen Sie allerdings den untauglichen Versuch aus grobem Unverstand, der in § 23 Abs. 3 erwähnt ist. Dieser ist strafbar, jedoch kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern. Grober Unverstand liegt vor, wenn der Täter eine völlig abwegige Vorstellung von „Ursache und Wirkung“ hat.[4]
Beispiel
Hobbyterrorist T versucht mit einem Luftgewehr die über sein Haus hinweg fliegende Maschine der Lufthansa abzuschießen.
Die Abgabe des Schusses ist ein untaugliches Mittel, welches zu keiner Zeit eine Gefährdung für die Maschine herbeiführen konnte. Ein normal vernünftiger Mensch hätte die Untauglichkeit des Mittels ohne Probleme erkannt. Vorliegend kann also der grobe Unverstand des T zu einer Strafmilderung bzw. dem Absehen von Strafe führen.
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Von dem untauglichen Versuch ist das Wahndeliktzu unterscheiden. Ebenso wie beim untauglichen Versuch stellt der Täter sich irrig etwas vor. Im Gegensatz zum untauglichen Versuch führt diese irrige Vorstellung allerdings zur Straflosigkeit.
Beim untauglichen Versuchstellt der Täter sich eine Sachlage vor, bei deren wirklichen Vorliegen sein Handeln den gesetzlichen Tatbestand erfüllen würde (umgekehrter Tatbestandsirrtum).[5] Der Täter irrt in tatsächlicher Hinsicht.
Beispiel
A verabreicht B ein Gift in zu geringer Dosierung in der Annahme, die Dosierung sei ausreichend gewählt worden. Hätte A die richtige Dosierung gewählt, wäre auch entsprechend der Vorstellung des A der Tod des B eingetreten. Während beim Tatbestandsirrtum der Täter ein Merkmal des objektiven Tatbestandes nicht kennt, welches jedoch tatsächlich vorliegt, nimmt der Täter beim untauglichen Versuch ein objektives Tatbestandsmerkmal an, welches tatsächlich nicht vorliegt (hier Wirksamkeit des Mittels). Ein Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum hätte vorgelegen, wenn A in richtiger Dosierung Gift in den Kaffee des B geschüttet hätte, in der Annahme, dass es sich lediglich um ein harmloses Schlafmittel handele, welches B in Tiefschlaf versetzt.
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Beim Wahndelikthingegen erkennt der Täter in tatsächlicher Hinsicht sein Verhalten und dessen Konsequenzen richtig, er glaubt jedoch irrig infolge einer Verkennung der jeweils einschlägigen Strafrechtsregeln, er sei strafbar. Hier können Ihnen sämtliche Irrtümer in umgekehrter Gestaltbegegnen, die Sie im Skript „Strafrecht AT“ kennen gelernt haben. Abhängig vom Bezugspunkt des Irrtums sind folgende Konstellationen des Wahndeliktes denkbar:
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Umgekehrter Verbotsirrtum:Der Täter nimmt zu seinen Ungunsten eine Strafrechtsnorm an, die in Wahrheit nicht existiert ( normaler Verbotsirrtum: Der Täter kennt die Strafrechtsnorm nicht, gegen die sein Verhalten verstößt). |
Beispiel
Politiker W glaubt irrtümlich, die gleichgeschlechtliche Liebe verstoße gegen das StGB.
JURIQ-Klausurtipp
Dieser Fall wird Ihnen in der Klausur nicht begegnen. Er kann strafrechtlich nicht geprüft werden, da es keinen Straftatbestandgibt, den Sie im Obersatz benennen könnten!
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Umgekehrter Erlaubnisirrtum:Der Täter hält irrtümlich sein tatsächlich gerechtfertigtes Verhalten für strafbar, weil er entweder den Rechtfertigungsgrund nicht kennt oder aber die Grenzen des Rechtfertigungsgrundes zu seinen Ungunsten verengt, wobei er sich jedoch verteidigen möchte ( normaler Erlaubnisirrtum: der Täter ist objektiv nicht gerechtfertigt, glaubt jedoch, es zu sein, weil er einen Rechtfertigungsgrund annimmt, den es nicht oder so nicht gibt). |
Beispiel
Dieb D versucht am Hauptbahnhof, dem A den Koffer zu entreißen. A erwehrt sich dieses Angriffs, indem er auf D mit einem Regenschirm einschlägt, bis dieser vom Koffer ablässt. Mit schlechtem Gewissen meldet er sich daraufhin bei der Polizeiwache, um die vermeintlich strafbare Körperverletzung zur Anzeige zu bringen. Der Polizei erklärt er, dass er schon wisse, dass man sich verteidigen dürfe. Er glaube aber, dabei keine Gewalt anwenden zu dürfen. Allerdings habe er sich nicht anders zu helfen gewusst.
Hier hat A nicht gewusst, dass § 859 Abs. 1 BGB auch die Anwendung von Gewalt erlaubt und hat somit irrig eine Rechtswidrigkeit angenommen, die es hier nicht gibt.
JURIQ-Klausurtipp
Eine solche Fehlvorstellung würden Sie bei der Prüfung des vollendeten Delikts ansprechen, indem Sie danach fragen, ob A mit Verteidigungswillen gehandelt hat, was zu bejahen ist. In diesem Zusammenhang können Sie dann direkt darauf hinweisen, dass ein strafloses Wahndelikt vorliegt.
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Schwierig und damit klausurrelevant ist die Abgrenzung zwischen strafbarem untauglichen Versuch und straflosem Wahndelikt bei einem Irrtum über die normativen Tatbestandsmerkmale. Bei diesen Tatbestandsmerkmalen muss der Täter nicht nur Sachverhaltskenntnis, sondern auch Bedeutungskenntnis haben, d.h. er muss das wertungsausfüllungsbedürftige Merkmal als juristischer Laie richtig erfasst haben.
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Damit kommen wir zur dritten möglichen Konstellation:
Spätestens jetzt sollten Sie das Kapitel „subjektiver Tatbestand“ und dort das Thema „Abgrenzung Tatbestandsirrtum – Subsumtionsirrtum“ wiederholen.
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Umgekehrter Subsumtionsirrtum:Der Täter hat die volle Tatsachen- und Bedeutungskenntnis der objektiven Tatbestandsmerkmale, verkennt jedoch infolge falscher Auslegung den Sinngehalt der Norm und überdehnt den Anwendungsbereich zu seinen Ungunsten ( normaler Subsumtionsirrtum:der Täter hat volle Tatsachen- und Bedeutungskenntnis, verengt den Tatbestand jedoch zu seinen Gunsten). |
Beispiel
A verursacht mitten in der Nacht bei -20°C einen Unfall, indem er auf ein stehendes Fahrzeug auffährt. Nachdem er die ganze Nacht am Unfallort ausgeharrt hat, entfernt er sich nach 12 Stunden und begibt sich sofort zur Polizeiwache, um seine Personalien feststellen zu lassen. Dort gibt er an, dass er sich der Unfallflucht nach § 142 strafbar gemacht habe, weil er nicht bis zum Eintreffen des Geschädigten am Unfallort gewartet habe.
Hier hat A gewusst, dass er als Unfallbeteiligter am Unfallort wartepflichtig ist. Er hat jedoch zu seinen Ungunsten die Wartepflicht zeitlich überdehnt. Durch das Entfernen vom Unfallort nach mehrstündigem Warten und das Aufsuchen der Polizeidienststelle hat A sich keinesfalls strafbar gemacht, da ihm aufgrund der Witterungsumstände schon nicht zuzumuten war, länger als eine halbe Stunde am Unfallort auszuharren. Sie würden den objektiven Tatbestand des § 142 Abs. 1 aus diesem Grund verneinen. Auch eine Strafbarkeit gem. Abs. 2 kommt nicht in Betracht, da A unverzüglich die Feststellungen nachholte.
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