Im obigen Beispiel liegt ein untauglicher Versuch mit einem untauglichen Mittel vor, da die jeweiligen Gifte der Täter den Tod nicht herbeiführen konnten.
Entsprechend der wesentlichen Bedeutung der Vorstellung von der Tat beginnen Sie (nach der Vorprüfung) die Prüfung des Versuchsauch mit dem subjektiven Element, nämlich dem Tatentschluss, der dem subjektiven Tatbestand beim vollendeten Delikt entspricht und setzen sich erst danach mit dem unmittelbaren Ansetzen, also der Handlung, respektive dem Unterlassen des Täters auseinander.
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Wie bereits erwähnt, kann der Täter gem. § 24strafbefreiend vom Versuch zurücktreten. Hierbei handelt es sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund, der nach der Schuld zu prüfen ist. Entsprechend sieht der Aufbaudes Versuchs wie folgt aus:
Der Versuch
I. Vorprüfung
1.Keine Vollendungshaftung aus dem fraglichen Delikt
2.Strafbarkeit des Versuchs gem. § 23 Abs. 1
II. Tatentschluss
Abgrenzung untauglicher Versuch – Wahndelikt Rn. 17
1.Vorsatz bezogen auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale der Straftat
2.Eventuell erforderliche Absichten sowie sonstige, im Vorsatz zu prüfende Tatbestandsmerkmale
III. Unmittelbares Ansetzen
Abgrenzung zur straflosen Vorbereitung Rn. 21
bei der Mittäterschaft Rn. 120
bei der mittelbaren Täterschaft Rn. 154
IV. Rechtswidrigkeit
V. Schuld
VI. Rücktritt gem. § 24
Wir werden uns nachfolgend zunächst mit dem Versuch und danach mit dem Rücktritt auseinandersetzen. Dabei werden wir von der Strafbarkeit des Alleintätersbeim Begehungsdeliktausgehen. Versuch und Rücktritt des mittelbaren Täters gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2, des Mittäters gem. § 25 Abs. 2 sowie des Anstifters gem. § 26 werden wir im Kapitel „Täterschaft und Teilnahme“ erörtern. Versuch und Rücktritt beim Unterlassungsdelikt werden wir beim Kapitel „Das Unterlassungsdelikt“ diskutieren.
[1]
Jescheck/Weigend Strafrecht AT § 49 II 3.
2. Teil Versuch und Rücktritt des Alleintäters› B. Versuch
2. Teil Versuch und Rücktritt des Alleintäters› B. Versuch› I. Vorprüfung
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In der Vorprüfung müssen Sie zunächst feststellen, dass es nicht zu einer Vollendung des Deliktsgekommen ist. Wie bereits ausgeführt kann das verschiedene Gründe haben. Zumeist wird die Vollendung daran scheitern, dass der Täter ein objektives Tatbestandsmerkmal nicht verwirklicht hat. Möglich ist aber auch, dass Sie zur Prüfung des Versuchs gelangen, weil ein Täter objektiv gerechtfertigt ist, dies aber nicht erkennt(Unkenntnis des Rechtfertigungsgrundes). Folgen Sie in diesen Fällen der in der Literatur vertretenen Auffassung, wonach der Erfolgsunwert durch das objektive Vorliegen der Rechtfertigungslage entfallen soll, dann müssen Sie mit der Prüfung des Versuchs fortfahren.[1]
Sollte Ihnen die Thematik „Unkenntnis des Rechtfertigungsgrundes“ noch nicht oder nicht mehr bekannt sein, dann nutzen Sie die Gelegenheit und schlagen Sie das Skript „Strafrecht AT I“, dort Rn. 224 ff. auf.
JURIQ-Klausurtipp
Fehlt es an der Vollendung, weil ersichtlich und unproblematisch ein Merkmal des objektiven Tatbestands nicht verwirklicht ist (der Schuss verfehlte z.B. das Opfer so dass der Tod als tatbestandlicher Erfolg des § 212 nicht eingetreten ist) können Sie direkt mit der Strafbarkeit wegen Versuchs beginnenund in der Vorprüfung die fehlende Vollendungshaftung feststellen. Gibt es hingegen im objektiven Tatbestand darstellungs- und diskussionswürdige Aspekte, so sollten Sie mit der Prüfung des vollendeten Delikts beginnen, so z.B. dann, wenn Kausalität und objektive Zurechnung problematisch sind. In der Vorprüfung können Sie dann auf die dort gewonnenen Ergebnisse verweisen.
Des Weiteren ist im Rahmen der Vorprüfung zu klären, ob der Versuch des jeweiligen Deliktes überhaupt strafbar ist. Gemäß § 23 Abs. 1 ist der Versuch eines Verbrechenstets strafbar, der eines Vergehensjedoch nur, wenn das Gesetz dieses ausdrücklich bestimmt. Die Begriffe des Verbrechens und des Vergehens sind in § 12 Abs. 1 und Abs. 2legal definiert. Demnach sind Verbrechen solche Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von 1 Jahr oder darüber bedroht sind, Vergehen hingegen solche Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht sind. Gem. § 12 Abs. 3sind bei der Einteilung allerdings Strafschärfungen oder Milderungen nicht zu berücksichtigen.
Beispiel
Mord gem. § 211 und Raub gem. § 249 sind mithin Verbrechen. An der Einteilung des Raubes als Verbrechen ändert auch der Abs. 2 des § 249 nichts, wonach bei einem minder schweren Fall der Strafrahmen auf 6 Monate bis zu 5 Jahren abgesenkt wird, da dies nach § 12 Abs. 3 unbeachtlich ist. Die Körperverletzung gem. § 223 und die Aussetzung gem. § 221 sind hingegen Vergehen. Bei der Körperverletzung hat der Gesetzgeber in Abs. 2 die Versuchsstrafbarkeit bestimmt, bei der Aussetzung hingegen fehlt eine entsprechende Bestimmung, so dass die Aussetzung gem. § 221 Abs. 1 nicht versucht werden kann. Umstritten ist jedoch, ob die Aussetzung mit Todesfolge gem. Abs. 3, die eine Erfolgsqualifikation zur einfachen Aussetzung darstellt, versucht werden kann, da der Strafrahmen auf mindestens 3 Jahre angehoben ist. Nähere Ausführungen dazu finden Sie im Skript „Strafrecht AT I“ beim Kapitel „erfolgsqualifiziertes Delikt“.
2. Teil Versuch und Rücktritt des Alleintäters› B. Versuch› II. Tatentschluss
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Bei dem nächsten Prüfungspunkt „Tatentschluss“ müssen Sie die Vorstellung des Täters von der Straftatermitteln, die Sie im Obersatz benannt haben. Der Tatentschluss ist zu bejahen, wenn
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der Täter den Vorsatzhat, sämtliche objektiven Tatbestandsmerkmale des jeweiligen Delikts zu verwirklichen und |
• |
er die eventuell erforderlichen Absichtenhat oder die sonstigen, im subjektiven Tatbestand zu prüfenden Voraussetzungen erfüllt. |
Beispiel
Zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen gehören z.B. die besonderen Absichten in den §§ 242 und 249 (Zueignungsabsicht) sowie § 263 (Bereicherungsabsicht). Darüber hinaus werden im Tatentschluss die täterbezogenen Mordmerkmale der ersten und dritten Gruppe des § 211 geprüft.
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Im Tatentschluss müssen Sie mithin zunächst sämtliche objektiven Tatbestandsmerkmale durchprüfen. Beachten Sie, dass Sie insoweit eine hypothetische Prüfung der Tatbestandsmerkmalevornehmen, da Sie nicht darauf abstellen, ob die Merkmale tatsächlich verwirklicht sind (das haben Sie ja bereits beim vollendeten Delikt geprüft und entsprechend verneint), sondern nur darauf, ob sie verwirklicht wären, wenn die Vorstellung des Täters wahr geworden wäre. Objektive Gegebenheiten interessieren nur insoweit, als dass sie Rückschlüsse auf den Tatentschluss zulassen.
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