1 ...6 7 8 10 11 12 ...17 Zunächst fasst der Täter den Entschluss zur Begehung der Straftat, dann wird die Straftat entsprechend diesem Entschluss vorbereitet. Die Vorbereitung mündet in der Ausführung der Tat und der Verwirklichung des Tatbestandes. Damit ist die Tat jedenfalls vollendet. Der Täter hat sich strafbar gemacht. Sofern es sich um ein Dauerdelikt oder um ein Delikt mit überschießender Innentendenz handelt, kommt nach der Vollendung die Beendigung, bei welcher die Tat ihren tatsächlichen Abschluss findet.
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Problematischbeim Versuch ist die Abgrenzung des unmittelbaren Ansetzens von der straflosen Vorbereitungshandlung.
Nach der in der Klausur zugrunde zu legenden, herrschenden „gemischt subjektiv-objektiven Theorie“[11]liegt ein unmittelbares Ansetzen dann vor, wenn
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der Täter (subjektiv) die Schwelle zum „Jetzt geht's los“überschritten hat,[12] |
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die Handlung nach dem Plan des Tätersso eng mit der Ausführungshandlung verknüpft ist, dass sie bei ungestörtem Fortgang ohne Zäsur und ohne weitere wesentliche Zwischenschritteunmittelbar in die Verwirklichung des Tatbestandes münden kann und |
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somit aus der Sicht des Täters das Angriffsobjekt schon konkret gefährdeterscheint.[13] |
Sie können sich also folgende Kurzdefinition merken:
Ein unmittelbares Ansetzenliegt vor, wenn Täter die Schwelle zum „Jetzt geht's los“ überschritten hat, aus seiner Sicht keine weiteren Zwischenakte mehr nötig sind und das Rechtsgut konkret gefährdet ist.
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Unter Zugrundelegung dieser Definition können Sie die Abgrenzung wie folgt vornehmen:
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Hat ein Täter die Ausführungshandlungdes jeweiligen Tatbestandes vorgenommen, so liegt grundsätzlich das unmittelbare Ansetzen vor, sofern das Opfer keine Mitwirkungshandlung vornehmen muss. |
Beispiel
A hat mit Tötungsvorsatz auf B eingestochen, B überlebt diesen Angriff jedoch aufgrund einer sofort eingeleiteten, ärztlichen Rettungsmaßnahme.
Hier liegt unproblematisch ein versuchter Totschlag vor. Mit dem Zustechen hat A die erforderliche tatbestandsmäßige Handlung ausgeführt, so dass die Schwelle von der straflosen Vorbereitungshandlung zur strafbaren Ausführungshandlung überschritten wurde.
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Begibt sich der Täter zum Opfer oder wird dem Opfer aufgelauert, so beginnt der Versuch erst dann, wenn aus Tätersicht zwischen Täter und Opfereine räumlich-zeitliche Nähebeziehunghergestellt ist, die es dem Täter ermöglicht, sofort auf das Opfer einzuwirken. |
Beispiel
Um einen Tankwart auszurauben, klingeln A und B, mit Strumpfmasken über dem Gesicht und schussbereiten Pistolen in der Hand, an der Haustür des Tankwarts in der Erwartung, dass dieser die Haustüre öffnen werde. Es ist geplant, sofort mit der Pistole zu drohen, den Tankwart zu fesseln und dann zur Duldung der Wegnahme des Geldes zu nötigen. Wider Erwarten erscheint jedoch niemand.
Der BGH[14] hat in diesem Fall das unmittelbare Ansetzen zum Raub gemäß §§ 249, 250 bejaht, da die räumlich-zeitliche Nähebeziehung zwischen dem Täter und dem Opfer aus Sicht des Täters hergestellt war. Wäre der Tankwart, wie geplant, erschienen, hätten die Ausführungshandlungen des Raubes (Gewaltanwendung) sofort vorgenommen werden können.
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Beispiel
In das Haus des Apothekers A ist eingebrochen worden. Die Täter hatten hohen Sachschaden angerichtet und einen Großteil der Gegenstände auf dem Speicher des Anwesens bereit gestellt, so dass es denkbar war, dass sie zurückkehren werden, um diese abzutransportieren. Dem A fiel auf, dass aus einer Flasche Kräuterschnaps getrunken worden war. Er tauscht daraufhin den restlichen Inhalt der Schnapsflasche gegen die gleiche Menge eines lebensgefährlichen Giftes aus in der Annahme, dass die Täter, wenn sie zum Abtransport wieder erscheinen, aus der Flasche trinken und dadurch zu Tode kommen könnten. Gemeinsam mit der Polizei legt sich A alsdann auf die Lauer. Nach geraumer Zeit überkommt ihn das schlechte Gewissen, weil er befürchtet, dass andere Personen aus der Flasche trinken könnten und beseitigt den vergifteten Schnaps.[15]
Hier hat der BGH das unmittelbare Ansetzen verneint, da es aus Sicht des A zwar möglich aber noch ungewiss war, ob die Täter zurückkehren und dann auch aus der Flasche trinken werden. Ein zeitlich räumlicher Zusammenhang bestand noch nicht.
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Muss das Opfer eine Mitwirkungshandlungvornehmen, damit der tatbestandliche Erfolg eintritt, liegt konstruktiv eine mittelbare Täterschaftvor. Das unmittelbare Ansetzen beginnt jedenfalls dann, wenn das Opfer die Handlung vornimmt aber auch schon, wenn der Täter das Geschehen aus der Hand gibt, so dass nach seiner Vorstellung die Tat ohne wesentliche Zwischenschritte unmittelbar in die Verwirklichung einmünden kann und das Rechtsgut konkret gefährdet ist.[16] |
Beispiel
In dem obigen Vergiftungsfall ( Rn. 9) lag das unmittelbare Ansetzen vor, da Ehemann M den Rotwein getrunken hatte. Es hätte aber auch schon dann vorgelegen, wenn E ihm den Wein hingestellt und dann das Zimmer verlassen hätte.
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Bei Qualifikationstatbeständenbeginnt der Versuch nicht früher als der Versuch des Grunddeliktes.[17] |
Beispiel
Das Beschaffen einer Waffe stellt demgemäß noch kein unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl gemäß §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 1a dar, sofern nicht auch beispielsweise durch Einschlagen der Fensterscheibe und Betreten des Hauses zum Grunddelikt unmittelbar angesetzt wurde.
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Sofern Sie Zeit haben, können Sie an dieser Stelle den erfolgsqualifizierten Versuch und die versuchte Erfolgsqualifikation wiederholen, dargestellt im Skript „Strafrecht AT I“.
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Bei Erfolgsqualifikationenist teilweise umstritten, ob es den erfolgsqualifizierten Versuch überhaupt gibt. Ein solcher liegt vor, wenn das Grunddelikt im Versuch stecken geblieben ist und dabei bereits die schwere Folge eingetreten ist. Grundsätzlich gilt jedoch auch hier, dass der Versuch erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zum Grunddelikt beginnt. |
Beispiel
A möchte B mit einem Baseballschläger zusammenschlagen. B will diesem Schlag ausweichen, fällt dabei aber die Treppe zur U-Bahn hinab und bricht sich das Genick.
Hier hat A zur Körperverletzung durch das Schlagen mit dem Baseballschläger unmittelbar angesetzt. Er hat sich somit jedenfalls gem. §§ 223 Abs. 1 und 2, 22, 23 strafbar gemacht. Ob er sich auch gem. §§ 227, 22, 23 strafbar gemacht hat, hängt davon ab, ob man beim Unmittelbarkeitszusammenhang an die Körperverletzungshandlung oder an den Körperverletzungserfolg anknüpfen möchte. Dieses Thema wird ausführlich dargestellt im Skript „Strafrecht AT I“ und „Strafrecht BT I“.
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Bloße Vorbereitungshandlungensind nach dieser Definition all jene Handlungen, die die Ausführung der späteren Tat nur ermöglichen oder erleichtern sollen. So genügt die Verabredung zur späteren Tatregelmäßig noch nicht, um das unmittelbare Ansetzen zu bejahen.[18] |
Beispiel
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