Verwaltungsakt
I. Maßnahme= jedes Verhalten mit Erklärungswert
II. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts= wenn die Rechtsgrundlage der Maßnahme eine solche des öffentlichen Rechts ist
III. Hoheitlich= wenn die Behörde einseitig Gebrauch macht von den ihr zustehenden öffentlich-rechtlichen Befugnissen
IV. Behörde= jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt
V. Zur Regelung= Ziel der behördlichen Tätigkeit ist die unmittelbare Herbeiführung einer Rechtsfolge
konkludenter VA bei Realakten Rn. 59
wiederholende Verfügung ↔ Zweitbescheid Rn. 62
vorbereitende Maßnahmen Rn. 64
VI. Einzelfall=
•bestimmte Person (individuell)– bestimmter Sachverhalt (konkret),
•bestimmte Person (individuell)– unbestimmte Vielzahl von Sachverhalten (abstrakt)
•unbestimmte Vielzahl von Personen (generell)– bestimmter Sachverhalt (konkret)i.S.v. § 35 S. 2 VwVfG
VII. Auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet=
•Die Regelung betrifft den Rechtskreis einer außerhalb der Verwaltung stehenden natürlichen oder juristischen Person oder eines sonstigen (nur teilrechtsfähigen) Rechtssubjekts als Träger eigener Rechte (Außenwirkung)
Maßnahmen in Sonderstatusverhältnissen Rn. 72
Weisungen zwischen Behörden Rn. 73
mehrstufige Verwaltungsakte Rn. 74
•Diese Außenwirkung resultiert aus dem Entscheidungssatz („Tenor“) der Maßnahme selbst und ist nicht nur dessen – mittelbare – Nebenfolge („unmittelbar“)
•Die Maßnahme soll gerade zielgerichtet (final) eine unmittelbare Außenwirkung entfalten („auf … gerichtet“)
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JURIQ–Klausurtipp
An diesen bundesrechtlichen Verwaltungsaktbegriff des § 35 S. 1 VwVfG knüpft nach h.M.[8] auch die Verwaltungsgerichtsordnungan (z.B. in §§ 42 Abs. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) – selbst wenn im konkreten Fall eine Landesbehörde nach dem jeweiligen Landes-Verwaltungsverfahrensgesetz gehandelt hat. Aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung von § 35 S. 1 VwVfG mit den in den Landes-Verwaltungsverfahrensgesetzen enthaltenen Definitionen (z.B. § 35 S. 1 LVwVfG BW, Art. 35 S. 1 BayVwVfG, § 35 S. 1 VwVfG NRW; siehe aber auch § 106 Abs. 1 LVwG SH) kann in der Klausur eine Streitentscheidung jedoch dahingestellt bleiben.[9]
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Unabhängig vom Vorliegen der in § 35 S. 1 VwVfG genannten materiellen Voraussetzungen ist eine regelnde behördliche Maßnahme allerdings auch bereits dann als Verwaltungsakt zu qualifizieren, wenn sie äußerlich in die Form eines Verwaltungsakts gekleidet ist (z.B. Bezeichnung als „Bescheid“, „Verfügung“ etc., Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO[10], Androhung von Zwangsmitteln etwa nach § 13 VwVG [ Rn. 355], Rechtsbehelfsbelehrung gem. § 37 Abs. 6 VwVfG [ Rn. 203]), sog. formeller Verwaltungsakt.[11] Denn für die Bestimmung der Rechtsnatur einer Maßnahme kommt es nicht darauf an, wie die Behörde rechtmäßiger Weise hätte handeln müssen, sondern in welcher Handlungsform sie – ggf. rechtswidriger Weise – tatsächlich gehandelt hat (vgl. Rn. 30und Rn. 69). U.U. kann sich der Charakter einer zunächst nicht als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Maßnahme sogar noch nachfolgend durch die widerspruchsbehördliche Bezeichnung als solcher bzw. durch den Erlass eines Widerspruchsbescheids ändern.[12]
Hinweis
„Von der Prüfung der Handlungsform, also vorliegend der Frage, obüberhaupt ein […] Verwaltungsakt vorliegt, ist die Prüfung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeitdes behördlichen Handelns zu unterscheiden. Die Rechtmäßigkeitskontrolle behördlichen Handelns setzt voraus, dass die gewählte Handlungsform bestimmt ist. Aus der Unterscheidung zwischen der Bestimmung der Handlungsform und der Rechtmäßigkeitsprüfung der Handlung folgt, dass dann, wenn eine behördliche Handlung die Begriffsmerkmale des Verwaltungsaktsbegriffs erfüllt, Verstöße gegen Vorschriften des Verfahrens- und des sachlichen Rechts und selbst besonders schwere Fehler, die den Verwaltungsakt nichtig machen und zu seiner Unwirksamkeit führen (vgl. §§ 44, 43 Abs. 3 VwVfG), nichts daran ändern, dass begrifflich ein – wenn auch rechtswidriger oder nichtiger – Verwaltungsakt vorliegt“.[13]
Beispiel[14]
Die Stadt K hat im Amtsblatt unter Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung für bestimmte Zeiten an den bevorstehenden Karnevalstagen im Bereich des „Zülpicher Viertels“ ein allgemeines Verbot des „Mitführens und Benutzens von Glasbehältnissen“ bekannt gegeben; die sofortige Vollziehung wurde angeordnet, ein Zwangsgeld angedroht. Z, der im Zülpicher Viertel einen Kiosk betreibt, befürchtet erhebliche Umsatzeinbußen und beantragt daher beim zuständigen Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung seines gegen das Verbot erhobenen Rechtsbehelfs wiederherzustellen. Ist der Antrag statthaft?
Ja. In Abgrenzung zum vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO dann statthaft, wenn der Antragsteller die gerichtliche Anordnung bzw. – wie hier wegen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO der Fall – die gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs bzw. einer Anfechtungsklage begehrt, d.h. Letztere gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO die in der Hauptsache statthafte Klageart ist. Dies ist hier der Fall. Allein schon wegen der in der hiesigen Maßnahme der Stadt K gewählten Begrifflichkeiten handelt es sich bei dem Verbot um eine personenbezogene Allgemeinverfügung, nämlich um einen Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet (§ 35 S. 2 Var. 1 VwVfG) und nicht um eine ordnungsbehördliche Verordnung, welche Rechtsnormcharakter aufweist (vgl. § 25 Satz 1 OBG NRW). Denn die angefochtene Maßnahme ist von ihrer Form her als Allgemeinverfügung erlassen worden (entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung, Anordnung der sofortigen Vollziehung, Androhung von Zwangsmitteln) und soll auch in Bezug auf den jeweiligen Adressaten einen Einzelfall regeln (Benutzung und Mitführen von Glasbehältnissen durch Personen, die sich in bestimmten Bereichen zu bestimmten Zeiten aufhalten).
Ob eine Maßnahme als formeller Verwaltungsakt im vorstehenden Sinn einzustufen ist, bestimmt sich – ebenso wie die Ermittlung des Inhalts eines Verwaltungsakts (Auslegung; Rn. 55) – aus Sicht eines objektiven Dritten in der Position des Erklärungsempfängers unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (§§ 133, 157 BGB analog) sowie von Treu und Glauben (§ 242 BGB analog).
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Voraussetzung für das Vorliegen eines Verwaltungsakts ist gem. § 35 S. 1 VwVfG zunächst, dass eine „Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme“ vorhanden ist.
Unter dem in § 35 S. 1 VwVfG als Obergriff für „Verfügungen“ und „Entscheidungen“ verwendeten Merkmal der „(hoheitlichen) Maßnahme“ ist jedes Verhalten mit Erklärungswert zu verstehen.[15]
Hinweis
Dem in Teilen der Literatur[16] geäußerten Vorbringen, dem Merkmal „ Maßnahme“ komme gegenüber dem der „ Regelung“ keine eigenständige Bedeutung zu, ist nicht zu folgen. Richtigerweise bezieht sich der Begriff „Maßnahme“ auf die Tätigkeit der Behörde (den Erlass des Verwaltungsakts), wohingegen die „Regelung“ sich auf das Ergebnis dieser Tätigkeit (den erlassenen Verwaltungsakt) bezieht.[17]
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