153
Bei den Rechtsfolgenist zwischen den drei Absätzen des § 316a StGB zu differenzieren. Während der Regelstrafrahmen von fünf bis 15 Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) reicht, wird der Täter in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. Für die Erfolgsqualifikation sieht das Gesetz eine lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe von nicht unter zehn Jahren vor.
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Für die Bestimmung des Strafrahmens im Rahmen der Strafzumessungsind im Besonderen das Gewicht des verübten Angriffs und die Schwere der geplanten Tat bedeutsam.[640] Eine besonders rohe Vorgehensweise kann strafschärfend berücksichtigt werden. Eine sorgsame Tatplanung und -vorbereitung[641] sowie das planvolle Ausnutzen einer Mitfahrgelegenheit[642] führen zur Strafschärfung. Die erschwerenden Umstände des (beabsichtigten) Raubdeliktes (etwa hohe Beute oder Begehungsort) können auf die Strafzumessung des § 316a StGB „durchschlagen“.[643] Strafmildernd kann berücksichtigt werden, dass lediglich ein Angriff auf die Entschlussfreiheit (und nicht auf Leib und Leben) verübt worden ist.[644]
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Ein minder schwerer Fall ist dann anzunehmen, wenn bei einer gebotenen Gesamtbetrachtungdas Tatbild so stark vom Regeltatbild abweicht, dass die Annahme des Regelstrafrahmens nicht mehr tat- und schuldangemessen ist.[645] Ein minder schwerer Fall kommt in Betracht bei geringer Intensität des Angriffs oder der geplanten oder verwirklichten Tat.[646] Die Wertung des Tatgerichtes, ob ein minder schwerer Fall anzunehmen ist oder nicht, ist revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar.[647]
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Die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafebei Erfüllung der Erfolgsqualifikation kommt aufgrund des Schuldgrundsatzes i.d.R. nur dann in Betracht, wenn der Tod vorsätzlich herbeigeführt worden ist.[648]
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Streitig ist, ob wegen der Vorverlagerung der Strafbarkeit sowie des hohen Strafrahmens die im StGB vorkommenden Regelungen über die tätige Reue analogheranzuziehen sind (etwa § 83a StGB). Dies wird von der h.M. zu Recht abgelehnt, da der Gesetzgeber durch das 6. StrRG ( Rn. 20) bewusst die für § 316a Abs. 1 StGB vorgesehene tätige Reue in § 316a Abs. 2 StGB a.F. abgeschafft hat. Der Gegenansicht ist zuzugeben, dass die gesetzgeberische Einschätzung, § 316a Abs. 2 StGB a.F. sei deshalb obsolet geworden, weil § 24 StGB die Funktion vollständig übernehmen werde,[649] aufgrund des frühen Vollendungszeitpunktes unzutreffend war.[650] Es fehlt jedoch bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.[651] Der gesetzgeberischen Intention ist durch eine restriktive Auslegung hinsichtlich des Vollendungszeitpunktes Rechnung zu tragen ( Rn. 106 ff.). Eine „tätige Reue“ nach Vollendung des Angriffs kann zwar nicht mehr durch Absehen von Strafe, aber durch Strafmilderung durch Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 316a Abs. 2 StGB zugunsten des Täters gewürdigt werden.[652]
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Als Maßregeln der Besserung und Sicherung kommen die Anordnung der Sicherungsverwahrung, das Vorbehalten der Anordnung (§§ 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. b, Abs. 2 und 3 S. 1 und 2, 66a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB), die Entziehung der Fahrerlaubnis(§ 69 StGB), nicht aber die Führungsaufsicht (§ 256 StGB) in Betracht. Das Kraftfahrzeug kann nach § 74 Abs. 1 StGBeingezogen werden.
8. Konkurrenzen
a) Verhältnis zur räuberischen Tat
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Bei Teilidentität zwischen den Ausführungshandlungen des § 316a StGB und den (folgenden) Raubdelikten besteht zur Klarstellung, dass das intendierte Raubdelikt auch verwirklicht wurde, Tateinheit.[653] Fallen § 316a StGB und die Bezugstat auseinander, liegt regelmäßig Tatmehrheit vor.[654] Streitig ist das Verhältnis zum nur versuchten räuberischen Delikt. Die wohl h.M. geht davon aus, dass der Versuch der Bezugstat hinter den vollendeten § 316a StGB zurücktritt.[655] Überzeugender erscheint es jedoch, aus Klarstellungsgründen auch hier Idealkonkurrenz anzunehmen, da zur Vollendung des § 316a StGB die Raubtat noch nicht einmal in das Versuchsstadium gelangen muss.[656] Unstreitig ist Idealkonkurrenz anzunehmen, wenn der Raubversuch nach den §§ 250 f. StGB qualifiziert ist.[657] Tritt die schwere Folge des § 316a Abs. 3 StGB ein, wird § 251 StGB verdrängt.[658]
b) Verhältnis zu sonstigen Delikten
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§ 316a StGB tritt wegen der eigenständigen Schutzrichtung[659] überdies in Idealkonkurrenz mit der Freiheitsberaubung,[660] dem erpresserischen Menschenraub und der Geiselnahme ( §§ 239a, 239b StGB),[661] den Körperverletzungsdelikten ( §§ 223 ff. StGB),[662] den Tötungsdelikten ( §§ 211 f. StGB),[663] den Straßenverkehrsdelikten der §§ 315b, 315c StGB[664] sowie Trunkenheit in Verkehr ( § 316 StGB), der Vergewaltigung ( § 177 StGB),[665] Fahren ohne Fahrerlaubnis ( § 21 StVG)[666] und Verstößen gegen das Waffengesetz[667].[668]
8. Abschnitt: Schutz des Vermögens› § 31 Raubähnliche Delikte› E. Rechtsvergleich
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Außerhalb der (räumlichen) Grenzen des deutschen Strafgesetzgebers stellt sich ebenfalls die Frage nach der generellen Anerkennung bzw. der rechtlichen Ausgestaltung des räuberischen Diebstahls. Wie ein Blick beispielsweise in das englische Recht zeigt, kennen nicht alle Rechtsordnungen den räuberischen Diebstahl, der im deutschen Recht als delictum sui generis (raubähnlicher Sondertatbestand) ausgestaltet ist.[669] Um diese hierzulande in § 252 StGB kriminalisierte Gewalt oder Drohung dennoch zu erfassen, lässt sich in der Folge die Tendenz feststellen, den Vollendungszeitpunkt für den Raubtatbestand möglichst weit hinauszuschieben.[670] Das französische Recht erfasst den räuberischen Diebstahl dadurch, dass das Tatbestandsmerkmal „Gewalt“ in zeitlicher Hinsicht vor, während oder nach der Tat erfüllt werden kann (vgl. Art. 311-4 Code pénal: „accompagne ou suivi de violences“).[671] Doch auch wenn der räuberische Diebstahl grundsätzlich anerkannt wird, ergeben sich unterschiedliche Ausgestaltungen. So erkennt etwa der italienische Codice penale den räuberischen Diebstahl an und unterscheidet hierfür den eigentlichen Raub (rapina propria) und den uneigentlichen Raub (rapina impropria), der dem deutschen räuberischen Diebstahl im Wesentlichen gleichkommt.[672] Dabei wird allerdings, anders als im deutschen Recht, nicht nur Handeln in Besitzerhaltungs-, sondern auch in Verdeckungsabsicht erfasst.[673] Hinsichtlich der Strafdrohung für den räuberischen Diebstahl ist das österreichische StGB von Interesse. Denn wird im italienischen, französischen und schweizerischen Recht auf dieselbe Rechtsfolge wie beim Raubtatbestand rekurriert, wird im österreichischen Recht auf eine mildere Strafdrohung abgestellt. Dies rechtfertige sich aus der Erwägung, dass der Täter die Raubmittel nicht von vornherein planmäßig zum Stehlen einsetze, sondern sich die Gewaltanwendung typischerweise aus der Situation für den Täter überraschend ergebe.[674]
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Bei dem Sondertatbestand des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer gemäß § 316a StGBhandelt es sich, soweit ersichtlich, um eine Besonderheit des deutschen Strafgesetzbuches. Fälle des § 316a StGB, in denen es zur Verwirklichung der Bezugstat kommt, können von ausländischen Rechtsordnungen unter Umständen von strafverschärfenden Vorschriften erfasst werden. Art. 140 des schweizerischen Strafgesetzbuches enthält beispielsweise eine Qualifikation für den Fall, dass der Räuber „durch die Art, wie er den Raub begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.“ Der spanische Código penal sah in Art. 506 a.F. vor, dass die für den Raub vorgesehene Strafe in ihrem Höchstgrad verhängt werden sollte, wenn der Raub „durch Überfall auf einen Eisenbahnzug, ein Schiff, Flugzeug, Automobil oder ein anderes Fahrzeug“ begangen wurde.[675] Die den Raub heute regelnden Art. 237 ff. kennen diesen Fall jedoch nicht mehr. Wird die Bezugstat hingegen nicht verwirklicht, können räuberische Angriffe auf Kraftfahrer von den meisten ausländischen Rechtsordnungen nur über eine Versuchsstrafbarkeit erfasst werden. Eine Ausnahme macht das japanische Strafgesetzbuch, das in Art. 237 bereits denjenigen bestraft, der einen Raub vorbereitet und damit allgemein die Strafbarkeit vorverlagert (ähnlich dem § 30 StGB).
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