Tatobjektkann sowohl das Angriffsopfer als auch ein Dritter sein („Tod eines anderen Menschen“).[607] Dieser muss kein Führer oder Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs sein.[608] Streitig ist, ob andere Tatbeteiligte taugliche Tatobjekte sind.[609] Der Streit stellt sich auch im Rahmen des § 251 StGB, sodass dorthin verwiesen werden kann (→ BT Bd. 5: Wittig , § 30 Rn. 155).
142
Wie bei allen Erfolgsqualifikationen ist ein sog. Unmittelbarkeits- oder gefahrspezifischer Zusammenhangnotwendig.[610] Bezugspunkt ist hier die tatbestandliche Handlung des Angriffs auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit („Tat“), in der sich die Todesfolge als spezifische Gefahr verwirklicht haben muss.[611] Dagegen kann nicht an die beabsichtigte Bezugstat angeknüpft werden, da deren Verwirklichung nicht mehr zum Tatbestand des § 316a StGB gehört.[612] Führt nicht der Angriff, sondern erst der später vorgenommene Nötigungsakt zum Todeseintritt, kommt vielmehr § 251 StGB in Betracht.[613] Der Unmittelbarkeitszusammenhang wird zu verneinen sein, wenn der Angriff kein ausreichendes Erfolgspotential hat.[614] Überdies muss die Todesgefahr aus den besonderen Verhältnissen des Straßenverkehrs resultieren. Nur dann verwirklicht sich gerade die spezifische Gefahr des § 316a StGB.[615] Der spezifische Gefahrzusammenhang liegt daher nicht vor, wenn das Angriffsmittel auch außerhalb des Straßenverkehrs den Todeseintritt herbeigeführt hätte.[616] Fallen Angriff und Nötigungsakt zusammen, ist nach § 316a Abs. 3 StGB zu bestrafen, wenn das Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs im Vordergrund steht; dann verwirklicht sich nämlich nur sekundär die raubtatspezifische Gefährlichkeit.[617] Anderenfalls ist § 251 StGB einschlägig.[618]
143
In Abweichung von § 18 StGB ist wenigstens Leichtfertigkeitnotwendig. Tötungsvorsatz führt gleichfalls zur Bejahung des § 316a StGB („wenigstens“).
144
Versuch und Beteiligung an der Erfolgsqualifikationsind nach den allgemeinen Grundsätzen möglich (vgl. § 11 Abs. 2 StGB). Auch ein erfolgsqualifizierter Versuchist denkbar,[619] jedoch bleibt dafür wegen des frühen Vollendungszeitpunktes des § 316a StGB wenig Raum.[620]
6. Sonstige Fragen
145
Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme(§§ 25 ff. StGB) erfolgt nach allgemeinen Regeln. Der Täterkreis ist nicht begrenzt („wer“), sodass auch der Führer des Fahrzeugs tauglicher Täter sein kann ( Rn. 102). Es stellen sich auch im Rahmen des § 316a StGB die Probleme der sukzessiven Mittäterschaft[621] und der sukzessiven Beihilfe. Der Teilnehmer braucht nicht selbst die Absicht zur Begehung einer Raubtat zu haben.[622] Er muss aber von der räuberischen Absicht des Haupttäters wissen.[623]
b) Versuch, Vollendung und Beendigung
aa) Vollendung und Beendigung
146
Die Tat ist vollendet, wenn der Täter in räuberischer Absicht den Angriff „verübt“ hat ( Rn. 103 ff.).[624] Nicht erforderlich ist eine reale Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Opfers.[625] Ebenso wenig kommt es auf den Beginn oder gar die Umsetzung der räuberischen Tat an.[626] Der Vollendungszeitpunkt ist damit schwer zu bestimmen.[627] Bei einem Angriff auf die Willensentschlussfreiheit muss nach zutreffender Ansicht das Opfer den objektiven Nötigungscharakter wahrgenommen haben ( Rn. 104, 108).[628] Ansonsten liegt nur ein Versuch mit der Möglichkeit eines Rücktritts gemäß § 24 StGB vor.[629]
147
Beendetist die Tat bei längerem zeitlichen und räumlichen Abstand zum abgeschlossenem Angriff; und zwar auch dann, wenn die Bemächtigungslage fortbesteht.[630]
148
Der Versuch des § 316a StGB ist strafbar (§ 23 Abs. 1 StGB). Für die Annahme eines unmittelbaren Ansetzens zum Versuchist es nicht ausreichend, dass der Täter die Mitfahrt unter Verdeckung seiner räuberischen Absicht veranlasst.[631] Nach Mitsch [632] entspricht die Schwelle zum Versuchsbeginn ungefähr der des Körperverletzungs-, Tötungs- oder Nötigungsversuchs. Soll der Angriff erst unmittelbar nach Abschluss der Fahrt im haltenden Fahrzeug erfolgen, so entfällt schon der Vorsatz, einen Führer bzw. Mitfahrer anzugreifen.[633]
149
Der Rücktrittist nach allgemeinen Regeln (§ 24 StGB) möglich. Umstritten ist allerdings, welche Auswirkungen die Streichung der tätigen Reue in § 316a Abs. 2 StGB a.F. hat. Aufgrund der Abschaffung des Unternehmensdeliktscharakters des § 316a StGB erachtete der Gesetzgeber die Möglichkeit einer strafbefreienden tätigen Reue als überflüssig.[634] In der Tat ist der wegen des späteren Vollendungszeitpunktes mögliche Rücktritt insoweit günstiger für den Täter, als § 24 StGB dem Gericht im Unterschied zu § 316a Abs. 2 StGB a.F. kein eigenes Ermessen (§ 49 Abs. 2 StGB) einräumt. Diese Streichung kann jedoch zugleich eine Verschärfung bedeuten, da eine Strafbefreiung nach Vollendung nicht mehr möglich ist.[635] Denkbar ist es, aufgrund der weiten Vorverlagerung der Strafbarkeit eine „rücktrittsfreundliche“ Tatbestandsauslegung vorzunehmen, also den Vollendungszeitpunkt nicht zu weit vorzuverlegen ( Rn. 106 ff.).[636] Eine analoge Anwendung der Vorschriften über die tätige Reue kommt nach h.M. nicht in Betracht ( Rn. 157).
150
§ 316a StGB ist Katalogtat des § 100a Abs. 2 S. 1 lit. t StPO, nicht aber des § 100b Abs. 2 StPO. Damit können trotz des hohen Strafrahmens die besonders grundrechtssensiblen Maßnahmen der Online-Durchsuchung (§ 100b StPO) und der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“, § 100c StPO) nicht angeordnet werden. Gegen den Beschuldigten kann die Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr gemäß § 112a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPOangeordnet werden. Der Verdacht einer Straftat nach § 316a StGB reicht selbst nicht aus, um eine Kontrollstelle nach § 111 StPO anordnen zu können, vielmehr muss der Verdacht eines schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegen.[637]
151
Aufgrund des hohen Regelstrafrahmens ist in der Regel erstinstanzlichdie Große Strafkammer des LG zuständig (§ 74 Abs. 1 S. 2 GVG); besteht der Verdacht eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer mit Todesfolge, ist die Zuständigkeit der Großen Strafkammer als Schwurgerichtskammer gegeben (§ 74 Abs. 2 S. 1 Nr. 23 GVG). Einziges Rechtsmittelist in beiden Fällen die Revision zum BGH (§ 333 StPO, § 135 GVG). Kommt die Anwendung eines minder schweren Fallsin Betracht, kann auch das Schöffengericht am Amtsgericht erstinstanzlich zuständig sein, mit der Folge, dass sowohl Revision als auch Berufung zulässige Rechtsmittel sind.
152
Auf eine prozessuale Besonderheit sei an dieser Stelle hingewiesen: Aufgrund seiner systematischen Stellung im 28. Abschnitt des StGBund dem durch den Tatbestand intendierten Schutz des Straßenverkehrs ( Rn. 99 f.) handelt es sich bei § 316a StGB um eine „Verkehrsstrafsache“, bei dem die ausschließliche revisionsrechtliche Zuständigkeit des 4. Strafsenates des BGHbegründet ist.[638] Diese ausschließliche Zuständigkeit hat der Senat seit dem 1. Januar 2003 ununterbrochen. Das ist der Grund, weshalb der Senat in mehreren Entscheidungen nach 2003 die frühere entgegenstehende Rspr. anderer Senate aufgeben konnte, ohne eine entsprechende Anfrage nach § 132 Abs. 3 S. 1 GVG stellen zu müssen (vgl. § 132 Abs. 3 S. 2 GVG).[639]
7. Rechtsfolgen
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