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Beendigungtritt wie beim Diebstahl (→ BT Bd. 5: Kudlich , § 29 Rn. 50) mit Sicherung des Gewahrsams an der Beute ein,[465] wenn hinsichtlich der Beute keine direkten Eingriffsmöglichkeiten des Eigentümers oder eines Beobachters mehr bestehen[466] oder wenn der Angriff auf das betroffene Rechtsgut schon vorher seinen unabänderlichen Abschluss gefunden hat.[467]
c) Konkurrenzen und Wahlfeststellung
aa) Konkurrenzverhältnis zu §§ 253, 255 StGB
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Die Rspr. und ein Teil der Lehre sieht den Raub als Sonderfall der Erpressungund damit als lex specialis an, da das Opfer unter Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels dazu gebracht wird, die Wegnahme der Sache zu dulden.[468] Im Schrifttum wird dagegen überwiegend (und zu Recht) für das Vorliegen des Erpressungstatbestandes eine Vermögensverfügung des Opfers verlangt, sodass zwischen Raub- und Erpressungsdelikten ein Exklusivitätsverhältnisangenommen wird.[469] Dieser Streit hat zwar Auswirkungen auf die Einordnung des Raubtatbestandes, behandelt jedoch die Frage der Voraussetzungen der Erpressungstatbestände, sodass er vorrangig dort zu verorten ist (→ BT Bd. 5: Heinrich , § 32 Rn. 34 ff.). Versucht der Täter zunächst eine räuberische Erpressung (§§ 253, 255, 22 StGB) und nimmt er die Sache schließlich selbst weg, dann liegt auf Konkurrenzebene nur ein vollendeter Raub gemäß § 249 StGB vor.[470] Für die umgekehrte Konstellation verdrängt die vollendete räuberische Erpressung gemäß §§ 253, 255 StGB den versuchten Raub gemäß §§ 249, 22 StGB.[471] Tateinheit ist lediglich in denjenigen Fällen denkbar, in denen dasselbe Nötigungsmittel dazu eingesetzt wird, die eine Sache wegzunehmen, während damit gleichzeitig die Vermögensverfügung über eine andere Sache erzwungen werden soll.[472]
bb) Konkurrenzverhältnis zu §§ 242 ff. StGB und §§ 240 f. StGB
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Systematisch ist der Raub ein gegenüber dem Diebstahl (§ 242 StGB) sowie der Nötigung (§ 240 StGB) eigenständiges Delikt.[473] § 249 StGB verdrängt § 242 StGB, auch wenn das Regelbeispiel des § 243 StGB verwirklicht ist.[474] Spezialität besteht gegenüber § 244 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB, da dann notwendigerweise auch die qualifizierte Form des Raubes gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB erfüllt ist;[475] hinsichtlich des § 244 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 4 StGBdürfte wegen der Verletzung eines weiteren Rechtsgutes (Privat- und Intimsphäre) Tateinheit gegeben sein. Kann nur der Diebstahl nachgewiesen werden, ist keine Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Raub möglich, sondern „in dubio pro reo“ nur wegen Diebstahls zu verurteilen.[476] Zwischen den Diebstahls- und Raubdelikten besteht jedoch wegen der Klarstellungsfunktion der Idealkonkurrenz Tateinheit, wenn ein vollendetes Diebstahlsdelikt und ein lediglich versuchter Raubgegeben sind.[477]
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Gegenüber § 240 StGBist § 249 StGB lex specialis; auch dann, wenn bei Einheitlichkeit des Tatobjektes mehrere Personen genötigt werden, denn die Einheitlichkeit des Raubgeschehens genießt Vorrang vor der Höchstpersönlichkeit der Willensfreiheit der Genötigten.[478] § 241 StGBist subsidiär zum Raub.[479]
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Mit folgenden Delikten besteht Idealkonkurrenz:
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mit §§ 177, 178 StGB, wenn die beim Raub angewandte Gewalt für die spätere Vergewaltigung aufrechterhalten wird;[480] |
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mit §§ 211, 212 StGB, wobei es unerheblich ist, wann die Wegnahme (also vor oder nach dem Tod des Opfers) stattgefunden hat, notwendig ist allerdings ein Töten zum Zwecke der Wegnahme;[481] |
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mit § 222 StGB, wenn kein Fall des § 251 StGB vorliegt;[482] |
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mit §§ 223, 224 StGB, da Personengewalt nicht zwingend eine Körperverletzung beinhalten muss;[483] |
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mit § 237 StGB;[484] |
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mit § 239a StGB;[485] |
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mit § 21 StVG;[486] |
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mit § 316a StGB;[487] dies gilt auch bei einem versuchten schweren Raub, nicht aber bei einem versuchten einfachen Raub, der von § 316a StGB verdrängt wird;[488] |
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hinsichtlich des § 239 StGB ist danach zu unterscheiden, ob mit der Freiheitsberaubung noch andere Zwecke als die Verwirklichung der Wegnahme verfolgt wurden (dann Idealkonkurrenz, ansonsten Gesetzeskonkurrenz).[489] |
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Eine Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Raubist nicht möglich, wohl aber zwischen Raub und räuberischem Diebstahl, wenn unklar ist, wann das Raubmittel eingesetzt wurde.[490] Str. ist, ob eine wahlfeststellende Verurteilung wegen Raubes oder räuberischer Erpressungmöglich ist, wenn nicht festgestellt werden kann, ob der Täter den erbeuteten Gegenstand weggenommen oder das Opfer diesen weggegeben hat.[491] Dies kommt nur in Betracht, wenn man der Ansicht folgt, dass zwischen beiden Delikten ein Exklusivitätsverhältnis besteht.[492] Eine Wahlfeststellung mit § 259 StGBist nicht möglich, es fehlt wegen des Nötigungselements des Raubes an der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit beider Delikte.[493] Jedoch ist Wahlfeststellung zwischen § 259 StGB und dem im Raub enthaltenen § 242 StGBmöglich,[494] wenn man die ungleichartige Wahlfeststellung anerkennt.[495]
d) Rechtsfolgen, minder schwerer Fall
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Der Raub ist ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB); der Strafrahmenreicht von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe (§ 38 Abs. 2 StGB). Gemäß § 46 StGBzu berücksichtigende Kriterien sind z.B. die Höhe der Raubbeute und die erkannte Bedeutung für das Opfer, die Brutalität, objektive Gefährlichkeit und die Folgen der Nötigungshandlung für das Opfer und die Sorgfalt bei der Tatplanung und -vorbereitung.[496] Umstände, die zum Regeltatbild des Raubes gehören, dürfen sich nicht straferhöhend auswirken.[497]
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Für minder schwere Fälle[498] gibt § 249 Abs. 2 StGBeinen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor; z.B. im Falle des § 21 StGB,[499] wenn das Maß der Gewalt oder die Intensität der Drohung gering ist,[500] wenn der Entschluss zur Gewaltanwendung erst bei der Wegnahme aufgrund der Entdeckung gefasst wird[501] oder die Beute von geringem Wert war.[502] Bei jugendlichen oder heranwachsenden Tätern sind ggf. auch gruppendynamische Prozesse zu berücksichtigen.[503] Ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist für jeden Tatbeteiligten gesondert zu prüfen, das Ergebnis hängt vom jeweiligen Tatbeitrag ab.[504]
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Gegen den Täter kann (auch im Falle der §§ 250, 251 StGB) die Sicherungsverwahrungangeordnet oder deren Anordnung vorbehalten werden (§§ 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. b, Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 und S. 2, 66a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB). Neben der Strafe kann bei Verwirklichung eines Raubdelikts (§§ 249–251 StGB) gemäß § 256 StGB Führungsaufsichtnach §§ 68 ff. StGB angeordnet werden.
III. Besonderheiten des schweren Raubes (§ 250 StGB)
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Die in § 250 StGB enthaltenen Raubqualifikationensind sehr unübersichtlich und führen zu erheblichen systematischen Verwerfungen.[505] Außerdem ist der Strafrahmen – trotz Möglichkeit der Minderung gemäß § 250 Abs. 3 StGB – sehr hoch. Nach Ansicht des BGH[506] erkläre die Vorschrift bestimmte Modalitäten der Verwirklichung des Raubunrechts, also den Angriff auf persönliche Freiheit und Eigentum, für besonders verwerflich und deshalb für in erhöhtem Maße strafwürdig. Es gehe nicht darum, eigenständige Unrechtstypen zu schaffen, sondern die Erschwerungsgründe des § 250 StGB zielten darauf, die Rechtsfolgen zu regeln. Dem widerspricht Vogel : Die Qualifikationsgründe des § 250 StGB seien keine bloßen Strafzumessungs- oder Rechtsfolgenregelungen, sondern vertypten gerade spezifisches Unrecht, das sich nicht in dem Raubgrundtatbestand erschöpft.[507] Hieran ist zutreffend, dass die meisten Qualifikationstatbestände eben nicht nur den Angriff auf die bereits vom Grundtatbestand geschützten Rechtsgüter der persönlichen Freiheit oder des Eigentums sanktionieren, sondern dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit dienen.[508] Mit einem solchen Verständnis sind jedoch auch Schwierigkeiten verbunden, insbesondere hinsichtlich der Rechtfertigung der Strafverschärfung in den Fällen des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB ( Rn. 123 f.).
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