187
Der eigenverantwortliche Vollzug durch die Landesebene hätte allerdings den Verlust der Einflussmöglichkeiten des Bundes, die ihm durch die Art. 83 ff GG gewährt werden, zur Folge. Der Bund wäre auf Maßnahmen nach Art. 37 GG beschränkt. Um dem entgegenzuwirken, sollen auf unmittelbar anwendbare Rechtsetzungsakte der Europäischen Union die Art. 83 ff analoganzuwenden sein. Dabei wird zudem eine Differenzierung anhand der Gesetzgebungskompetenzen vorgeschlagen[115]. Die Verwaltungszuständigkeit soll sich dann nach den Art. 83 ff GG richten, wenn der Bund zur Gesetzgebung befugt wäre . Obwohl eine Heranziehung der Art. 83 ff GG sachgerecht erscheint, ist sie nur schwer zu begründen, insb fehlt es wegen der Grundregel des Art. 30 GG an der für eine Analogie notwendigen planwidrigen Regelungslücke[116].
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Unabhängig von den Einflussmöglichkeiten des Bundes erfolgt die Verwaltungim Regelfall (über Art. 30 GG oder Art. 84 GG) durch die Länder. Gem. Art. 104a Abs. 1 GG müssen diese auch für die daraus resultierenden Ausgaben aufkommen, soweit diese nicht durch die EU übernommen werden. Problematisch ist, welche Möglichkeiten dem Bund zur Verfügung stehen, sich an der Finanzierung von Zweckausgaben zu beteiligen. Insb stellt sich bei Geldleistungsgesetzendie Frage nach einer (analogen) Anwendung von Art. 104a Abs. 3 GG.
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Art. 104a Abs. 3 GG ist nach seinem Wortlaut auf Bundesgesetzebeschränkt. Eine analoge Anwendung ist wie im Fall der Art. 83 ff GG ( Rn 187) kaum zu begründen. Neben einer planwidrigen Regelungslücke (wegen der Grundregel in Art. 104a Abs. 1 GG) fehlt es auch an einer vergleichbaren Interessenlage: Bei Geldleistungsgesetzen der Union hat der Bund, anders als in den Fällen des Art. 104a Abs. 3 GG ( Rn 132), idR keine Gestaltungsmöglichkeiten[117]. Einer pauschalen Verteilung der Ausgabenlast, wie sie in der Praxis erfolgt, steht das Verbot der Mischfinanzierung entgegen. Damit muss es letztlich, dem Konnexitätsprinzip folgend, bei der Finanzierungsverantwortung der Bundesländer bleiben. Einer übermäßigen Belastung kann durch Anpassung der vertikalen Umsatzsteuerverteilung nach Art. 106 Abs. 3, 4 GG auf einfach-gesetzlicher Ebene entgegengewirkt werden.
2. Haftung für Verletzungen von supranationalen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen
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Finanzielle Belastungen können sich für die Bundesrepublik Deutschland aus der Verletzung supranationaler oder völkerrechtlicher Verpflichtungenergeben. Art. 104a Abs. 6 GGregelt die Lastentragung aus solchen Verpflichtungen im Innenverhältnis. Typische haftungsauslösende Ereignisse sind die Verhängung von Zwangsgeldern oder Pauschalbeträgen durch die EU, Finanzkorrekturen durch die EU aufgrund fehlerhafter Verausgabungen von EU-Mitteln (Anlastung) oder Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte[118]. Die nähere Ausgestaltung erfolgt durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz, Art. 104a Abs. 6 Satz 4 GG[119].
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Die Haftungsregelung in Abs. 6 ist gegenüber Art. 104a Abs. 5 GG lex specialis . Bei Sanktionsmaßnahmen der EU im Zusammenhang mit den Bestimmungen in Art. 126 AEUV zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin(Maastricht-Kriterien) tritt Art. 104a Abs. 6 GG allerdings hinter den spezielleren Art. 109 Abs. 5 GG zurück ( Rn 509).
192
Art. 104a Abs. 6 Satz 1 GG erfasst sowohl Verwaltungs-als auch gesetzgeberischesund rechtsprechendes Handelnvon Bund und Ländern und richtet die Haftung (verschuldensunabhängig) am Verursachungsprinzip aus. Maßgeblich für die Haftung im Innenverhältnis ist damit die innerstaatliche Zuständigkeit für die haftungsbegründende Aufgabe. Dabei regelt die Vorschrift nicht nur das Verhältnis zwischen Bund und Ländergesamtheit, sondern auch die Haftung der Länder untereinander[120].
193
Art. 104a Abs. 6 Satz 1 GG ist insofern eine Ausnahme zum Konnexitätsprinzip, als grds dem Bund die Aufgabe der Pflege auswärtiger Beziehungen zusteht, und er gemäß Art. 104a Abs. 1 GG zur Tragung entsprechender Lasten verpflichtet wäre. Allerdings ist die Verknüpfung der innerstaatlichen Zuständigkeit mit der Haftungslast verwaltungsökonomisch sinnvoll und systemkonform. Ein Abstellen auf die auswärtigen Beziehungen würde auch der erheblichen innenpolitischen Bedeutung v.a. der EU-Verpflichtungen nicht gerecht.
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Eine Abweichung von der reinen Verursacherhaftung enthält Art. 104a Abs. 6 Satz 2, 3 GG. Das Verursacherprinzip wird dabei bei länderübergreifender Finanzkorrekturender EU um eine Solidarhaftungerweitert[121].
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Eine länderübergreifende Finanzkorrekturliegt vor, wenn die EU-Kommission die Maßnahme aufgrund eines Fehlers, der in einem oder mehreren Ländern konkret festgestellt wird, ohne weitere Prüfung auf die Gesamtheitder die Regelung durchführenden Länder erstreckt[122]. Die Haftungsfolgen treffen in diesem Fall den Bund zu 15 % und die Ländergesamtheit zu 85 %. Auf horizontaler Ebene wird der Haftungsanteil der Länder wie folgt aufgeteilt: 35 % der Gesamtlast trägt die Ländergesamtheit nach einem allgemeinen Schlüssel, der Steuereinahmen und Bevölkerungszahlen der einzelnen Bundesländer berücksichtigt (Königsteiner Schlüssel)[123]. Die verbleibenden 50 % werden von den Ländern getragen, die den Nachweis rechtmäßigen Verhaltens nicht erbringen können[124].
Erster Teil Staatliche Ebene: Bund und Länder› § 3 Staatliche Ausgaben› IV. Subventionen und Steuervergünstigungen
IV. Subventionen und Steuervergünstigungen
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Neben Investitionen in die staatliche Infrastruktur, deren Finanzierung sich nach Art. 104a, 104b, 104c, 104d (Entwurf), 91a GG richtet, kann der Staat zur Förderung der Wirtschaftauch einzelne Wirtschaftsteilnehmer bzw Branchen finanziell unterstützen und verhaltenslenkend auf die Wirtschaftsentwicklung einwirken.
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Dabei stehen ihm vor allem zwei Instrumentezur Verfügung: Auf der Ausgabenseitebesteht die Möglichkeit der Gewährung von Subventionen. Der Begriff der Subventionist nicht fest umrissen[125], eine Definition findet sich aber für das Strafrecht in § 264 Abs. 7 StGB und kann als Ausgangspunkt für das Begriffsverständnis herangezogen werden. Subventionen sind danach Leistungen aus öffentlichen Mittelnnach Bundes- oder Landesrecht an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt werden und der Förderung der Wirtschaft dienen sollen. Sie werden typischerweise in Form von verlorenen Zuschüssen, Darlehenzu vergünstigten Konditionen oder Bürgschaftengegenüber Dritten gewährt.
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Auf der Einnahmenseitekann der Staat auch Steuervergünstigungengewähren. Gerade im wirtschaftsrelevanten Bereich der Einkommen- und der Körperschaftsteuer hat der Gesetzgeber weitreichende Möglichkeiten, Besteuerungstatbestände, die förderungswürdige Lebenssachverhalte berühren, begünstigend auszugestalten und dadurch die Steuerlast zu verringern. Während bei Subventionen direkte Leistungenan die Begünstigten erbracht werden, verzichtet der Staat bei Steuervergünstigungen aufeinen Teil seiner Einnahmen. Insoweit kann von indirekten Subventionen oder auch Steuersubventionen gesprochen werden.
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Ob der Staat über die Einnahmen- oder die Ausgabenseite subventioniert, hat erhebliche Bedeutung für die Finanzierungslast. Die Vergabe von Subventionen(Ausgabenseite) gehört zum Bereich der Leistungsverwaltung und erfolgt nicht zwingend gesetzesakzessorisch[126]. Soweit keine bundesgesetzliche Regelung besteht, sind gem. Art. 30 GG die Länder zur Gewährung von Subventionen befugt und haben entsprechend Art. 104a Abs. 1 GG auch die Finanzierungslast zu tragen. Soweit dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für eine Materie zugewiesen ist (v.a. Art. 74 Abs. 1 Nr 11 GG), können Subventionen bundesgesetzlich geregelt werden und eine finanzielle Beteiligung des Bundes kann über Art. 104a Abs. 3 GG (Geldleistungsgesetze) erfolgen.
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