41
In Fall 2 scheitert die Einstufung des Bordells als (Handels-)Gewerbe also keinesfalls am – ohnehin abzulehnenden – Kriterium der Erlaubtheit der Tätigkeit. ( Fortsetzung Rn. 43 )
bb) Klagbarkeit der Forderungen?[21]
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Nach älterer Rechtsprechung liegt kein Gewerbe vor, wenn die aus ihm resultierenden Ansprüche in der Hauptsache nicht klagbar sind, wie das vor allem bei Ehevermittlern wegen § 656 I BGB der Fall ist.[22] Dies überzeugt nicht.[23] Auch hier gilt, dass nicht einzusehen ist, warum solche Geschäftsleute insoweit privilegiert werden sollten, als sie durch eine Herausnahme vom Kaufmannsbegriff den kaufmännischen Pflichten (wie beispielsweise der Buchführungspflicht des § 238 HGB) entgingen.
43
Selbst wenn man das anders sähe, würde in Fall 2 die Einstufung des von Z betriebenen Bordells als Gewerbe nicht an der Klagbarkeit der in dem „Etablissement“ begründeten Forderungen scheitern. Denn seit Inkrafttreten von § 1 S. 1 ProstG besteht kein Zweifel mehr an der Einklagbarkeit der Dirnenlohnforderungen.[24]
cc) Gewinnerzielungsabsicht?
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Nach traditioneller Auffassungin der Rechtsprechungist die Gewinnerzielungsabsicht konstitutive Voraussetzung des Gewerbebegriffs.[25] Dabei genügt die Absicht , Gewinne zu erzielen, ob dies tatsächlich gelingt, ist hingegen irrelevant.[26] Auch wird bei einer entgeltlichen Tätigkeit von Privatpersonen vermutet, dass sie mit dem Ziel, Gewinne zu erwirtschaften, handeln; bei öffentlichen Unternehmen wird hingegen der positive Nachweis einer Gewinnerzielungsabsicht verlangt.[27]
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In der Literaturwird hingegen keine Gewinnerzielungsabsichtmehr verlangt, sondern es als ausreichend erachtet, dass eine entgeltliche Tätigkeit am Markt (s. Rn. 34) erbracht wird.[28] Dem ist zuzustimmen. Es ist nicht einzusehen, warum die Anwendbarkeit der Buchführungsvorschriften des HGB von dieser rein subjektiven Komponente, die ein bloßes Internum des jeweiligen Inhabers darstellt, abhängen und im Geschäftsverkehr deswegen Unterschiede gemacht werden sollten. Auch in der neueren Rechtsprechung zeichnen sich Tendenzen ab, wonach eine Gewinnerzielungsabsicht keine Voraussetzung für den Gewerbebegriff ist.[29]
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Liegt ein Handelsgewerbe vor, so ist derjenige Kaufmann, der es „betreibt“, § 1 I HGB. Das ist derjenige, in dessen Namendas Gewerbe betrieben wird und der deshalb auch der Vertragspartnerder für das Gewerbe abgeschlossenen Rechtsgeschäfte wird. Keine Rolle spielt also, wer der Handelnde ist, sondern wen die Chancen und Risiken der gewerblichen Tätigkeit unmittelbar treffen.[30]
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Betreiber und damit Kaufmann ist deshalb:
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Bei einem Einzelkaufmannsunternehmen der Einzelkaufmann. |
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Wird das Handelsgewerbe durch einen beschränkt Geschäftsfähigen betrieben, so ist dieser – und nicht sein gesetzlicher Vertreter – Kaufmann. Zu beachten ist insoweit das Genehmigungserfordernis aus §§ 1643 I, 1822 Nr. 3 BGB. |
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Auch ein Geschäftsunfähiger kann Betreiber eines Handelsgewerbes sein.[31] Da er nicht wirksam Rechtsgeschäfte vornehmen kann (§ 105 I BGB), kommt das in der Praxis aber nur in Betracht, wenn ein anderer für ihn und in seinem Namen handelt. |
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Bei einer Kapitalgesellschaft ist diese selbst Kaufmann (§§ 13 III GmbHG, 3 AktG), nicht aber die Geschäftsführer bzw. Vorstände sowie die Gesellschafter/Aktionäre.[32] Ein Konzern ist als bloßer Zusammenschluss rechtsfähiger Unternehmen nicht selbst rechtsfähig und kann daher auch nicht Kaufmann sein. Hingegen können die Vorgesellschaften (Vor-AG, Vor-GmbH) Kaufmann sein, obwohl sie noch keine rechtsfähigen juristischen Personen sind und nicht unter § 6 I HGB fallen.[33] |
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Bei einer Personenhandelsgesellschaft (§§ 124 I, 161 II HGB) ist zunächst diese selbst Kaufmann. Nach der umstrittenen Rechtsprechung des BGH sind zudem geschäftsführende persönlich haftende Gesellschafter selbst Kaufleute, wenn sie im Namen der Gesellschaft tätig sind,[34] nicht aber wenn sie im eigenen Namen privat handeln und z. B. eine Bürgschaft übernehmen.[35] Kommanditisten sind hingegen unstrittig keine Kaufleute (näher dazu Rn. 87). |
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Bei einem verpachteten Gewerbebetrieb betreibt allein der Pächter, nicht aber der Verpächter. Keine Rolle spielt, dass in aller Regel nur Letzterem das Eigentum an den Betriebsmitteln zusteht. Entsprechend ist bei einem Nießbrauch der Nießbraucher Betreiber.[36] |
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Bei eröffnetem Insolvenzverfahren ist der Schuldner Kaufmann, nicht hingegen der Insolvenzverwalter, führt dieser das Geschäft doch für den Schuldner.[37] |
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Bei einer Miterbengemeinschaft ist nicht diese selbst, sondern sind vielmehr die Miterben Kaufleute.[38] |
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Führt ein Testamentsvollstrecker das Handelsgeschäft als Bevollmächtigter des Erben, so ist nur der Erbe Kaufmann. Führt der Testamentsvollstrecker es als Treuhänder hingegen im eigenen Namen, so ist nur er Kaufmann. |
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Zeitlich:Die Kaufmannseigenschaft beginntnicht erst mit der Aufnahme des eigentlichen Gewerbebetriebs, sondern bereits mit Durchführung von Vorbereitungsgeschäften im Außenverhältnis.[39] Sie endetmit der endgültigen Einstellung des Betriebs (während der Abwicklungsphase besteht sie also noch fort), der Umwandlung in eine freiberufliche Tätigkeit und der Veräußerung oder Verpachtung des Betriebs.[40]
3. Handelsgewerbe i. S. v. § 1 II HGB
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Nach § 1 II HGB ist jeder Gewerbebetrieb im obigen Sinne Handelsgewerbe, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.
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Mit der Formulierung „es sei denn“ stellt das Gesetz eine widerlegliche Vermutungauf, dass der Gewerbebetrieb ein Handelsgewerbe ist.[41] Wird diese Vermutung nicht durch denjenigen, der die fehlende Kaufmannseigenschaft behauptet, widerlegt, so ist der Betreiber kraft Gesetzes zwingend (Ist-)Kaufmann. Zu beachten ist, dass § 1 II HGB nur vermutet, dass ein Gewerbebetrieb ein Handelsgewerbe darstellt, nicht aber, dass überhaupt ein Gewerbebetrieb vorliegt; dieser erste Schritt ist vielmehr zunächst positiv festzustellen.[42]
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Mit in „kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb“ sind Einrichtungen wie die kaufmännische Buchführung, Rechnungslegung, Kassen- und Firmenführung, Inventarisierung und kaufmännische Stellvertretung (§§ 48 ff. HGB) gemeint, die erforderlich sind, um ein kaufmännisches Unternehmen ordnungsgemäß zu überblicken und zu leiten. Diese Komplexität der Strukturenunterscheidet ein Handelsgewerbe von einem Kleingewerbetreibenden oder einer Privatperson, die angesichts der Einfachheit und Überschaubarkeit ihrer Geschäftsbeziehungen solche Einrichtungen nicht benötigen. Für § 1 II HGB kommt es dabei nur darauf an, dass der Gewerbebetrieb, gemessen an seiner Art und seinem Umfang, einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb im Sinne einer sachgerechten Führung erfordert. Irrelevant ist hingegen, ob der Betreiber tatsächlich einen solchen führt oder nicht, könnte er sich doch anderenfalls leicht der Anwendbarkeit des Handelsrechts entziehen.[43] Diese Erforderlichkeit ist anhand der objektiven Umstände des konkreten Einzelfalles zu bestimmen, maßgeblich ist das Gesamtbilddes konkreten Unternehmens.
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