Philipp Hacker-Walton - Das halbe Grundeinkommen

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Mit der neuen coronabedingten Massenarbeitslosigkeit hat ein tektonisches Beben die ethischen Grundfesten unserer Arbeitsgesellschaft erschüttert. Wenn wir weiter am Modell der Erwerbsarbeit als einem quasi religiösen gesellschaftlichen Leitbild festhalten, zerstören wir Zigtausende Existenzen, nicht nur ökonomisch, sondern auch im Hinblick auf die sozialen Grundlagen ihrer Selbstachtung. In der Arbeitsmarktpolitik ist es an der Zeit, sich vom Prinzip des «Förderns und Forderns» zu verabschieden und sich der Idee eines partiellen bedingungslosen Grundeinkommens zu widmen. Die Autoren zeigen, wie dieses «halbe Grundeinkommen» in die bestehenden Institutionen eingebettet werden kann und welche geradezu revolutionären Auswirkungen das im Sinne einer guten Gesellschaft hätte. Wir können den Weg einer grundlegenden Reform unserer Arbeitsgesellschaft beschreiten, ohne unsere tief verwurzelten Gerechtigkeitsvorstellungen auszuhebeln. In Interviews mit Erwerbslosen und Beschäftigten wird deutlich, wie man am Arbeitsethos als einer Kardinaltugend festhalten und trotzdem viele Menschen in ihrem Arbeitsleben freier und glücklicher machen kann.

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Georg GrundGroiss Philipp HackerWalton DAS HALBE GRUND EIN KOMMEN - фото 1

Georg Grund-Groiss / Philipp Hacker-Walton

DAS

HALBE

GRUND

EIN

KOMMEN

Der erste Schritt zu einer gerechteren Arbeitsgesellschaft - фото 2

Der erste Schritt zu einer gerechteren Arbeitsgesellschaft

Im vorliegenden Buch wird aus Gründen der Lesbarkeit nicht gegendert Frauen - фото 3 Im vorliegenden Buch wird aus Gründen der Lesbarkeit nicht gegendert Frauen - фото 4

Im vorliegenden Buch wird aus Gründen der Lesbarkeit nicht gegendert. Frauen und Männer werden gleichberechtigt angesprochen.

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

1. Auflage 2021

© 2021 by Braumüller GmbH

Servitengasse 5, A-1090 Wien

www.braumueller.at

Lektorat: Lucia Marjanovic

ISBN 978-3-99100-319-9

eISBN 978-3-99100-320-5

Für meine Mutter Irmtraud und meine Schwiegermutter Inge

Georg Grund-Groiss

Für Benjamin, Oscar und Emily

Philipp Hacker-Walton

Inhalt

Einleitung

Abschnitt 1

Menschenwürdige Arbeitslosigkeit

Systemkrise – jetzt aber wirklich

Erfahrungsbericht 1

„Wenn ich das zehn Jahre lang mache, dann gehe ich ein.“

Mangelberufe trotz Heimwerkerstolz

Erfahrungsbericht 2

„Auch das ist eine Art von Druck: Etwas aus meinem Leben machen zu müssen.“

Eine gute Zukunft für die Babyboomer

Erfahrungsbericht 3

„Was ist schon endgültig? Das, was man mit 14 lernt, sicher nicht.“

Ein kurzer Ausflug in die Ideenwelt moderner Arbeitsämter

Erfahrungsbericht 4

„Als Politikwissenschafter hinter dem Bus-Lenkrad – und glücklich(er) dabei.“

Abschied vom Fördern und Fordern

Internationale Ideen zum Grundeinkommen

Abschnitt 2

Menschenwürdige Arbeit

Der Wert der Arbeit kommt aus der Gerechtigkeit

Erfahrungsbericht 5

„Mehr Chancen und ein Polster, um etwas auszuprobieren, das wäre gut.“

Die Verähnlichung von Erwerbsarbeit und Nichterwerbsarbeit

Erfahrungsbericht 6

„Um die Menschen soll es sich drehen, nicht um Zahlen und Geld.“

Abschied vom Ideal der Erwerbsarbeit

Erfahrungsbericht 7

„Bei uns bist du kein Historiker mehr – sondern der Lehrbub.“

Abschnitt 3

Das halbe Grundeinkommen im Gerechtigkeitscheck

Gerechtigkeitsdimension „JUST 1“ – Nützlichkeit und Finanzierung

Gerechtigkeitsdimension „JUST 2“ – Freiheit und Würde

Gerechtigkeitsdimension „JUST 3“ – Werte und Tugenden

Schluss

Postskriptum Fiktiver Erfahrungsbericht

Leben mit dem halben Grundeinkommen

Amtliche Aussendung zur Arbeitsmarktlage Ende Mai 2031

Einleitung

Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ist der zweite Schritt. Der erste Schritt auf unserer Reise zu einer gerechteren Arbeitsgesellschaft ist die Einführung eines halben Grundeinkommens. Vor dem Abmarsch muss aber noch die moralische Arbeitsmarktreform in den Rucksack, deren Verwirklichung, von der Öffentlichkeit noch unbemerkt, bereits begonnen hat. 1

Die Planungsarbeiten für diese Reise haben durch die Corona-Krise eine unerwartete Beschleunigung erfahren und gleichen plötzlich eher der hastigen Vorbereitung einer Flucht: Mit der neuen Massenarbeitslosigkeit hat ein tektonisches Beben die ethischen Grundfesten unserer Arbeitsgesellschaft erschüttert, nachdem Strukturwandel und Digitalisierung, maulwurfsgleich, das Erdreich darunter schon an vielen Stellen ausgehöhlt hatten. Niemand kann mehr mit Gewissheit sagen, ob nicht bereits das ganze Haus einzustürzen droht.

Die Corona-Krise ist ohne Zweifel eine „Leben und Bewusstsein tief zerklüftende Wende und Grenze … mit deren Beginn so vieles begann, was zu beginnen wohl kaum schon aufgehört hat.“ 2Vor „Corona“ regierte jedenfalls noch das „Fördern und Fordern“ in nahezu ungetrübter Herrlichkeit. Diese schmale Formel prägte drei Jahrzehnte lang unser Verständnis von Gerechtigkeit in Wirtschaft und Staat und faszinierte nicht nur die leitenden Beamten der Sozialbehörden und die Interessenvertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sondern weite Teile der Bevölkerungen in allen reichen demokratischen Nationen. In dieser Formel schienen die guten und die bösen Engel unserer Seelen glücklich erkannt und versöhnt. Das alte Prinzip von „Geben und Nehmen“, gefühlt so uralt wie die Evolution selbst und gleichzeitig so jung wie die Vorstellung einer solidarischen Hochleistungsgesellschaft 3, hatte nicht nur seinen griffigen Ausdruck, sondern auch seine mächtige technokratische Praxis in den Institutionen gefunden.

Auch philosophisch betrachtet schien alles plausibel: Wenn der Staat tatsächlich „die Wirklichkeit der sittlichen Idee“ 4in ihrer jeweiligen geschichtlichen Form ist, dann durften fast zwei Generationen mit dem „Fördern und Fordern“ einen sittlichen Höhepunkt erleben, indem sie Idealismus und Realitätssinn im Hinblick auf die moralische Vertrauenswürdigkeit des Menschen integriert fanden. Eine recht lange Zeit schien nichts verständlicher und vernünftiger als dieses Prinzip, das unter dem leuchtenden Banner der Chancengerechtigkeit zu segeln behauptete. Jetzt, mit Corona, wissen wir: Ein geschichtlicher Endpunkt war auch das meritokratische „Fördern und Fordern“ nicht. Schon allein, weil nicht mehr so recht klar ist, was genau noch von den Arbeitslosen gefordert werden kann und darf, wenn die Arbeitsplatzlücke immer tiefer klafft.

Abschied vom „Fördern und Fordern“

Standen im Jahr 2019 den knapp 900.000 von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen in Österreich noch 521.000 beim staatlichen Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldete offene Stellen gegenüber, 5so macht die abwechselnd aufbrandende und dann wieder schwelende Corona-Krise dieser noch halbwegs funktionalen Balance auf längere Sicht den Garaus.

Denn es ist nur mehr wenig sinnvoll, weiterhin davon auszugehen, die staatliche Stellenvermittlung mit ihren gesetzlichen Pflichten für Arbeitslose sei gerecht, wenn nur mehr der kleinere Teil der Betroffenen überhaupt Stellenangebote bekommen kann. Schon davor war das störrisch hohe Ausmaß der strukturellen Arbeitslosigkeit ein schmerzlicher Pfahl im Fleische einer sich partout optimistisch gebenden, gebetsmühlenartig auf Qualifizierung 6setzenden Arbeitsmarktpolitik. Dass die bekannten Asymmetrien und Diskrepanzen am Arbeitsmarkt weiterhin dialektisch-produktiv sind, scheint nur mehr für den kleineren Teil der Arbeitslosen plausibel und gültig. 7

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