1 ...6 7 8 10 11 12 ...32 52
Dabei verlangt § 1 II HGB entgegen des der negativen Formulierung „es sei denn“ geschuldeten Wortlauts, dass ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb zur sachgerechten Führung des Gewerbebetriebs nach Art und Umfang(nicht: oder ) des Gewerbes erforderlich ist.[44] Die Art des Gewerbebetriebs meint als qualitatives Merkmal Umstände wie z. B. die Art, Schwierigkeit und Komplexität des Unternehmensgegenstandes, die Diversität der erbrachten Leistungen/angebotenen Waren, die Vielzahl von Geschäftsbeziehungen, die Aufnahme von Darlehen, die Inanspruchnahme von Frachtverkehr oder die nationale oder gar internationale Ausrichtung der Geschäftsbeziehungen.[45] Das Merkmal des Umfangs bezieht sich demgegenüber auf quantitative Umstände wie beispielsweise die Zahl und Funktion der Arbeitnehmer, Anzahl an Betriebsstätten, die Produktionskapazität, das Anlage- und Betriebskapital oder das Umsatzvolumen.[46] Um zu bestimmen, ob ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Gewerbebetrieb erforderlich ist, wird häufig im Interesse der Einfachheit und Rechtssicherheit an den Umsatzangeknüpft und die Erforderlichkeit ab einem Jahresumsatz von € 250.000angenommen.[47] Dabei kann es sich aber nur um einen Richtwert handeln, der eine Abwägung aller Einzelfallumstände nicht entbehrlich macht. Weil – wie ausgeführt – stets das Gesamtbild des Unternehmens entscheidend ist, sind Abweichungen in beide „Richtungen“ möglich.[48]
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In zeitlicherHinsicht sind grundsätzlich allein die aktuellen Verhältnisse maßgeblich, nicht hingegen, wie sich das Unternehmen möglicherweise in der Zukunft entwickeln wird. Etwas anderes gilt für das Gründungsstadium, wenn das Unternehmen von Anfang an auf einen kaufmännischen Betrieb angelegt ist und damit zu rechnen ist, dass sich in naher Zukunft ein solcher Betrieb einstellen wird.[49]
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In Fall 3 wäre die Weigerung des K, sich im Handelsregister eintragen zu lassen, nur dann rechtmäßig, wenn er nur Kannkaufmann wäre, hätte er dann doch nach § 2 HGB die Wahl, ob er sich eintragen lässt (und damit Kaufmann wird) oder nicht. Wenn K hingegen Istkaufmann i. S. v. § 1 II HGB ist, muss er sich nach § 29 HGB eintragen lassen. Kommt er dem nicht nach, kann ihn das zuständige Registergericht nach § 14 HGB unter Zwangsgeldandrohung dazu anhalten (s. Rn. 116). Laut Sachverhalt betreibt K ein Gewerbe, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Dass K einen solchen nicht eingerichtet hat, spielt im Rahmen von § 1 II HGB keine Rolle. Entsprechend ist K Istkaufmann und nach § 29 HGB zur Eintragung verpflichtet. Die Weigerung des K ist mithin rechtswidrig. ( Fortsetzung Rn. 56 )
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Gemäß § 29 HGBmuss der Istkaufmann seine Firma im Handelsregister eintragen lassen. Weil er schon nach § 1 HGB zwingend Kaufmann ist, ist diese Eintragung aber lediglich deklaratorischer Natur. Kommt der Istkaufmann der Pflicht zur Eintragung nicht nach, kann er vom Registergericht durch Zwangsgeldfestsetzung dazu angehalten werden, § 14 HGB.
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Sollte K in Fall 3 sich also weiterhin weigern, droht ihm ein Zwangsgeld nach § 14 HGB (näher dazu Rn. 116).
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Wie oben ausgeführt, begründet § 1 II HGB eine widerlegliche Vermutungdahingehend, dass ein Gewerbebetrieb ein Handelsgewerbe und entsprechend sein Betreiber Istkaufmann ist. Daraus folgt unstreitig, dass ein Gewerbetreibender, der behauptet, nicht Istkaufmann zu sein, die Beweislast für die Widerlegung der Vermutung trägt. Umstritten ist hingegen, ob die Vermutung auch zugunsten des Gewerbetreibendenwirkt, z. B. wenn sich dieser als Verkäufer darauf berufen möchte, dass der Käufer nicht rechtzeitig i. S. v. § 377 HGB gerügt hat. Das wird zum Teil mit dem Argument abgelehnt, die Vermutung des § 1 II HGB diene allein dem Interesse des Rechtsverkehrs.[50] Die zutreffende Gegenauffassung[51] wendet die Vermutung hingegen auch in solchen Konstellationen an. Für sie spricht neben dem Wortlaut, dass der Geschäftspartner über § 15 I HGB geschützt werden kann. Danach kann ihm der Kaufmann die Kaufmannseigenschaft (als nach § 29 HGB eintragungspflichtige Tatsache) nicht entgegenhalten, solange sie nicht eingetragen oder bekanntgemacht ist, es sei denn, sie war dem Geschäftspartner bekannt, was dann wiederum der Kaufmann beweisen muss.
§ 2 Kaufleute, §§ 1-7 HGB› B. Istkaufmann, § 1 HGB › III. Prüfungsschema: Istkaufmann, § 1 HGB
III. Prüfungsschema: Istkaufmann, § 1 HGB
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1. |
Gewerbea) Selbstständigkeit ( Rn. 30 f.) b) Planmäßigkeit ( Rn. 32) c) Marktorientierung ( Rn. 33) d) Entgeltliches Tätigwerden am Markt ( Rn. 34) e) keine freiberufliche, wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeit ( Rn. 35 ff.) f) [Erlaubtheit der Tätigkeit → keine Voraussetzung, str., Rn. 40] [Klagbarkeit der Forderungen → keine Voraussetzung, str., Rn. 42] [Gewinnerzielungsabsicht → keine Voraussetzung, str., Rn. 44 f.] |
2. |
Betreiben ( Rn. 46 ff.) |
3. |
HandelsgewerbeErfordernis eines nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetriebs; § 1 II HGB vermutet das bei Betrieb eines Gewerbes ( Rn. 49 ff.) |
§ 2 Kaufleute, §§ 1-7 HGB› C. Kannkaufmann nach § 2 HGB
C. Kannkaufmann nach § 2 HGB[52]
§ 2 Kaufleute, §§ 1-7 HGB› C. Kannkaufmann nach § 2 HGB › I. Allgemeines
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§ 2 S. 1 HGB ermöglicht es Kleingewerbetreibenden – d. h. solchen, deren Gewerbebetrieb keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 II HGB) –, ihre Firma ins Handelsregister eintragen zu lassen und dadurch den Status als Kaufmann zu erwerben. Weil der Kleingewerbetreibende zur Eintragung berechtigt, aber nicht verpflichtet ist (§ 2 S. 2 HGB), spricht man, wenn er die Eintragung vornehmen lässt, in Abgrenzung zum Istkaufmann des § 1 II HGB vom Kannkaufmann.
§ 2 Kaufleute, §§ 1-7 HGB› C. Kannkaufmann nach § 2 HGB › II. Voraussetzungen des Wahlrechts, § 2 HGB
II. Voraussetzungen des Wahlrechts, § 2 HGB
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§ 2 HGB setzt ein Gewerbei. S. v. § 1 I HGB voraus. Es gelten die obigen Ausführungen entsprechend ( Rn. 29 ff.). Daraus folgt insbesondere, dass Angehörige freier Berufe auch nicht über eine Eintragung ins Handelsregister Kaufleute werden können. Ferner gilt § 2 HGB nur für Kleingewerbetreibende. Mit anderen Worten darf es sich nicht bereits um ein Handelsgewerbe i. S. v. § 1 II HGB handeln. Bei Betrieben der Land-oder Forstwirtschaftist die Sondervorschrift des § 3 HGB zu beachten ( Rn. 66 ff., zum Verhältnis von § 2 und § 3 HGB vgl. Rn. 69 f.).
§ 2 Kaufleute, §§ 1-7 HGB› C. Kannkaufmann nach § 2 HGB › III. Rechtsfolgen
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Liegen diese Voraussetzungen vor, hat der Gewerbetreibende ein Wahlrecht, § 2 S. 2 HGB. Er kannseine Firma ins Handelsregister eintragen lassen. Erforderlich ist eine auf Eintragung gerichtete Anmeldungdurch den Kaufmann, die Willenserklärung und Verfahrenshandlung ist (Doppeltatbestand) und deren Wirksamkeit Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 2 HGB ist. Fehlt es daher an einer (wirksamen) Anmeldung, ist nicht § 2 HGB, sondern § 5 HGB anwendbar.[53]
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