Steuerrechtlich stellt der Geschäfts- oder Firmenwert ein immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens dar. Damit darf er in der Steuerbilanz nur dann aktiviert werden, wenn er entgeltlich erworben wurde (derivativer Geschäfts- oder Firmenwert). Für den originären Geschäfts- oder Firmenwert besteht ein Aktivierungsverbot (§ 5 Abs. 2 EStG). Im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung ergeben sich hinsichtlich der konkreten Bilanzierungsfähigkeit des Geschäfts- oder Firmenwerts gegenüber den anderen immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens keine Unterschiede.
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Für den originären Geschäfts- oder Firmenwert besteht also sowohl in der Handelsbilanz als auch in der Steuerbilanzein Ansatzverbot(§ 248 Abs. 2 S. 2 HGB, § 5 Abs. 2 EStG). Das Nebeneinander von zwei verbindlichen Regelungen, die inhaltlich gleich sind, wurde bei der Abgrenzung des Inhalts des Maßgeblichkeitsprinzips dem Fall 2azugeordnet.
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Beim Geschäfts- oder Firmenwert wird das Kriterium „entgeltlicher Erwerb“anhand von zwei Voraussetzungengeprüft (§ 246 Abs. 1 S. 4 HGB):
– |
Der Bilanzierende muss ein anderes Unternehmen als Ganzeserwerben, dh es dürfen nicht nur einzelne Wirtschaftsgüter erworben werden. |
– |
Der Kaufpreis mussden Wert dererhaltenen aktiven Wirtschaftsgüter vermindert umden Wert derübernommenen passiven Wirtschaftsgüter übersteigen. |
Die aktiven und passiven Wirtschaftsgüter werden mit ihrem beizulegenden Wert (= Teilwert) bewertet, dh die bisherigen Buchwerte des Veräußerers sind für die Ermittlung der Höhe des Geschäfts- oder Firmenwerts auf Ebene des Erwerbers irrelevant (§ 6 Abs. 1 Nr 7 EStG).
Bei der Definition des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts besteht zwischen der Handelsbilanz und der Steuerbilanz Übereinstimmung (aufgrund des Fehlens einer steuerrechtlichen Regelung: Maßgeblichkeitsprinzip nach § 5 Abs. 1 S. 1 HS 1 EStG, Fall 1). Übereinstimmung liegt grundsätzlich auch bei der Ableitung des Zeitwerts vor, da sich beim Erwerb eines Unternehmens der beizulegende Wert prinzipiell mit dem Teilwert deckt (übereinstimmende gesetzliche Regelungen zur Bewertung: Fall 2a).
Der derivative Geschäfts- oder Firmenwert stellt den beim Kauf eines anderen Unternehmens bezahlten Mehrpreis gegenüber dem Teilwert der übernommenen, einzeln bilanzierungsfähigen Wirtschaftsgüter dar. Der Geschäfts- oder Firmenwert setzt sich ausden im Kaufpreis vergüteten, aber aufgrund fehlender selbständiger Bewertbarkeit steuerrechtlich nicht bilanzierungsfähigen wirtschaftlichen Vorteilen sowiedem vergüteten Kapitalisierungsmehrwert(Synergieeffekte) zusammen:
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Kaufpreis |
– |
Zeitwert des Nettovermögens (Reinvermögen, Eigenkapital) |
= |
Geschäfts- oder Firmenwert |
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mit |
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Teilwert der erhaltenen aktiven Wirtschaftsgüter |
– |
Teilwert der übernommenen passiven Wirtschaftsgüter (Schulden) |
= |
Zeitwert des Nettovermögens |
Beispiel:
Die K-GmbH erwirbt das gesamte betriebliche Vermögen des Einzelkaufmanns V zu einem Kaufpreis von 5 000 000 €. Für die einzelnen Positionen werden folgende Werte ermittelt:
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Buchwert |
Teilwert |
Grundstücke und Gebäude |
3 000 000 € |
5 700 000 € |
Maschinen |
1 600 000 € |
2 600 000 € |
Betriebs- und Geschäftsausstattung |
400 000 € |
700 000 € |
Vorratsvermögen |
1 100 000 € |
1 400 000 € |
Forderungen |
1 200 000 € |
1 200 000 € |
Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen |
2 000 000 € |
2 000 000 € |
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten |
4 000 000 € |
4 000 000 € |
sonstige passive Wirtschaftsgüter |
1 000 000 € |
1 000 000 € |
Die K-GmbH setzt die übernommenen Wirtschaftsgüter in ihrer Bilanz zum Zeitwert (= Teilwert) an. Der derivative Geschäfts- oder Firmenwert beträgt 400 000 €:
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Kaufpreis |
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5 000 000 € |
– |
Nettovermögen |
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Teilwert der aktiven Wirtschaftsgüter |
11 600 000 € |
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– |
Teilwert der passiven Wirtschaftsgüter |
7 000 000 € |
4 600 000 € |
= |
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Geschäfts- oder Firmenwert |
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400 000 € |
Die beiden Voraussetzungen für eine Aktivierung – Übernahme eines Unternehmens als Ganzes sowie Kaufpreis übersteigt den Nettowert des übernommenen Reinvermögens – liegen vor. Die K-GmbH muss in der Steuerbilanz den Geschäfts- oder Firmenwert aktivieren. Damit ist der Erwerb des Unternehmens erfolgsneutral. Der Abgang finanzieller Mittel (eigenfinanzierter Kauf) bzw die Aufnahme eines Darlehens (Fremdfinanzierung) von 5 000 000 € wird durch Bilanzierung der übernommenen Wirtschaftsgüter mit einem Nettowert von 4 600 000 € und durch Aktivierung des Geschäfts- oder Firmenwerts in Höhe von 400 000 € neutralisiert.
Der Geschäfts- oder Firmenwert mindert in den folgenden 15 Wirtschaftsjahren über eine lineare Abschreibung den steuerlichen Gewinn der übernehmenden K-GmbH (§ 7 Abs. 1 S. 3 EStG).
Zusatzinformation: Für den Einzelkaufmann V entsteht durch die Veräußerung ein steuerpflichtiger Betriebsveräußerungsgewinn von 4 700 000 €. Dieser ergibt sich daraus, dass vom Veräußerungserlös von 5 000 000 € der Wert seines bilanziellen Eigenkapitals von 300 000 € subtrahiert wird: 7 300 000 € (Buchwert der aktiven Wirtschaftsgüter) – 7 000 000 € (Buchwert der passiven Wirtschaftsgüter).
Liegt der Kaufpreis unter dem Teilwert der übernommenen Wirtschaftsgüter, wird kein negativer Geschäfts- oder Firmenwertpassiviert. Vielmehr werden die übernommenen Wirtschaftsgüter so bewertet, dass der Wert der bilanzierten Wirtschaftsgüter mit dem beim Kauf des Unternehmens bezahlten Preis übereinstimmt, m.a.W. die übernommenen Wirtschaftsgüter werden mit einem Wert aktiviert, der unter dem Teilwert liegt. Die Begründung liegt darin, dass für aktive Wirtschaftsgüter die Anschaffungskosten die Bewertungsobergrenze darstellen (§ 6 Abs. 1 Nr 7 EStG).
2. Persönliche Zurechnung (wirtschaftliches Eigentum)
a) Der Begriff des wirtschaftlichen Eigentums
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Nach Prüfung der gesetzlichen Regelungen zum Ansatz ist zu untersuchen, ob das Wirtschaftsgut dem Steuerpflichtigen persönlich zuzurechnen ist. Diese Zurechnungsfrage wird anhand des Merkmals „wirtschaftliches Eigentum“beantwortet.
Wirtschaftsgüter sind grundsätzlich dem Eigentümer zuzurechnen(§ 39 Abs. 1 AO). Es wird also von der Vermutung ausgegangen, dass das wirtschaftliche Eigentum mit dem zivilrechtlichen Eigentum übereinstimmt. Die Aktivierung von Sachen erfolgt beim Eigentümer, die von Forderungen beim Gläubiger, die von Rechten und sonstigen wirtschaftlichen Werten beim Berechtigten.
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Von der Vermutung, dass der rechtliche Eigentümer auch wirtschaftlicher Eigentümer ist, wird abgewichen, wenn ein anderer als der rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgutausübt und den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kannoder der Herausgabeanspruch wirtschaftlich wertlos ist (§ 39 Abs. 2 Nr 1 S. 1 AO).
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