[222]
Vgl. statt vieler nur aus der Rechtsprechung des BVerfG BVerfGE 92, 1; aus der des BGH in Strafsachen (Art. 103 Abs. 2 GG!) BGHSt 29, 129, 133.
[223]
Gegen die Wortlautgrenze als Grenze durch die Sprache Christensen , Was heißt Gesetzesbindung, 1989, S. 283 ff. m.w.N.
[224]
Vgl. näher unter Rückgriff auch auf die Rechtsprechung des BVerfG bereits Kudlich , Stöckel-FS, S. 93, 95 ff.
[225]
Vgl. zur zusammengesetzten Urkunde nur Fischer , § 267 Rn. 23.
[226]
Dem steht im Übrigen auch nicht entgegen, dass strafprozessrechtlich ein solches Schriftstück u.U. nicht als Urkunde, sondern als Augenscheinsobjekt behandelt wird, wenn es nicht verlesen, sondern etwa seine Beschaffenheit (z.B. bei zur Klärung der Frage, ob es manipuliert worden ist) untersucht werden soll: Ein Gegenstand kann selbstverständlich mehreren Beschreibungen unterfallen: ein Schriftstück kann natürlich ebenso wie ein Stein oder ein Messer auch ein Augenscheinsobjekt sein – nur interessiert es dann im konkreten Fall nicht in dieser Funktion.
[227]
Vgl. zum Folgenden bereits Christensen/Kudlich , Theorie richterlichen Begründens, S. 377 f.
[228]
Vgl. Luhmann , Gesellschaftsstruktur und Semantik, 1993, S. 119, 163 f., 201 f., 204 f.
[229]
Ganz ähnlich beschreiben Looschelders/Roth , Juristische Methodik im Prozess der Rechtsanwendung, 1996, S. 194, diesen Zusammenhang mit den Worten: „Eine solche Rangordnung besteht zwar im Hinblick auf die verschiedenen Auslegungskriterien (der Wortsinn hat für die Auslegung Vorrang vor der tatsächlichen Regelungsentscheidung, diese wiederum Vorrang vor der mutmaßlichen). Zu beachten ist jedoch, daß die Schlüsse, welche die einzelnen Methoden auf die betreffenden Kriterien und damit mittelbar auf den Inhalt der Norm zulassen, von Fall zu Fall mehr oder weniger unsicher sind, und es deshalb nicht möglich ist, abstrakt anzugeben, welche Auslegungsmethode im konkreten Auslegungsfall dazu verhelfen wird, das ausschlaggebende Auslegungskriterium zu ermitteln; dies hängt ganz davon ab, welche Auslegungsmethode in concreto mit den größeren Unsicherheitsfaktoren behaftet ist bzw. zu den verläßlichsten Erkenntnissen führt.“
[230]
Vgl. nochmals Christensen/Kudlich , Theorie richterlichen Begründens, S. 375 ff.
[231]
Denkbarer Katalog ohne (auch nur in der Theorie vorstellbaren) Anspruch auf Vollständigkeit bei Kudlich/Christensen , Die Methodik des BGH in Strafsachen, S. 16 f.
[232]
Mangels eines solchen (und sei es auch nur: Anwendungs-) Vorrangs lässt sich dieser Gedanke nicht auf die oben ebenfalls als strafrechtliches Spezifikum behandelte Akzessorietät strafrechtlicher Regelungen übertragen. Hier stehen etwa das StGB und die entsprechende „Primärmaterie“ normhierarchisch grundsätzlich auf einer Stufe. Es kann dann zwar gute Gründe für eine Akzessorietät und damit einen „Vorrang“ eines in der Primärmaterie gebräuchlichen Verständnisses geben; es ist hier aber auf Grund der gleichen Stellung in der Normenhierarchie zumindest vorstellbar, dass noch bessere Gründe für ein abweichendes Begriffsverständnis sprechen.
[233]
Werden die Strafrahmen also herangezogen, um die Gesetzessystematik zu illustrieren, handelt es sich schon per se um ein Argument mit engem Normtextbezug; wird dagegen ein teleologisches Argument auf eine strafrahmenorientierte Begründung gestützt, enthält dieses regelmäßig eher normtextferne Argument eine zusätzliche normtextnahe Fundierung, wodurch es deutlich gestärkt werden kann.
[234]
„Besonders“ deshalb, weil es im Strafrecht in ganz besonderer Weise um Sachverhalte geht, die anders als vielfach im Zivil- oder Verwaltungsrecht nicht mit Blick auf etwaige Rechtsstreitigkeiten (oder durch Verträge, Verwaltungsakte mit entsprechendem verwaltungsinternem Aktenhintergrund) „dokumentiert“ sind oder unverändert zur Überprüfung zur Verfügung stehen (wie z.B. eine Anlage, um deren Schadstoffausstoß oder ein Haus um dessen bauplanungsrechtliche Lage es geht), sondern bei denen kein Entscheidungsträger „dabei gewesen ist“.
1. Abschnitt: Das Strafrecht im Gefüge der Gesamtrechtsordnung› § 4 Anknüpfung des Strafrechts an außerstrafrechtliche Normen
Frank Peter Schuster
§ 4 Anknüpfung des Strafrechts an außerstrafrechtliche Normen
A. Einleitung und Vorfragen1 – 5
B.Echte Blankettverweisungen6 – 36
I. Erscheinungsformen und Gesetzlichkeitsprinzip6 – 29
1. Blankettverweisungen auf inländische parlamentarische Gesetze7, 8
2. Eindeutigkeit der Verknüpfung und Umfang der Akzessorietät9 – 11
3. Besonderheiten bei Blankettverweisungen auf inländische administrative Normen12 – 16
4. Besonderheiten beim Blankettverweis auf Europarecht17 – 23
5. Zulässigkeit von Blankettverweisungen auf sonstige supranationale Normen, ausländisches Recht und privat gesetzte Normen24 – 29
II. Blankettverweisungen und intertemporales Strafanwendungsrecht30 – 32
III. Blankettverweisungen und Irrtumsproblematik33 – 36
C.Verweisung auf Verwaltungsakte und andere konstitutive Einzelanordnungen37 – 55
I. Erscheinungsformen und Gesetzlichkeitsprinzip37 – 41
II.Umfang der Akzessorietät, Bedeutung von Vollziehbarkeit und Rechtmäßigkeit42 – 49
1. Belastende Einzelakte42 – 45
2. Begünstigende Einzelakte46 – 49
III. Verweisung auf Einzelakte und intertemporales Strafanwendungsrecht50 – 52
IV. Verweisung auf Einzelakte und Irrtumsproblematik53 – 55
D.Rechtsnormative Tatbestandsmerkmale56 – 64
I. Erscheinungsformen und Gesetzlichkeitsprinzip56 – 58
II. Rechtsnormative Tatbestandsmerkmale und intertemporales Strafanwendungsrecht59 – 61
III. Rechtsnormative Tatbestandsmerkmale und Irrtumsproblematik62 – 64
Ausgewählte Literatur
1. Abschnitt: Das Strafrecht im Gefüge der Gesamtrechtsordnung› § 4 Anknüpfung des Strafrechts an außerstrafrechtliche Normen› A. Einleitung und Vorfragen
A. Einleitung und Vorfragen
1
Die Strafbarkeit bestimmter Verhaltensweisen hängt nicht immer ausschließlich von den einschlägigen Strafnormen ab. Auch außerstrafrechtliche Regelungen und Rechtsverhältnisse sind in vielfältiger Weise an der Konstituierung von Strafbarkeiten beteiligt, seien sie zivil-, öffentlich- oder europarechtlicher Natur. Dieses Phänomen tritt nicht nur im Wirtschafts-, Umwelt- und Steuerstrafrecht (etwa §§ 264 ff., 266, 266a, 283 ff., 324 ff. StGB, § 15a InsO und § 370 AO) oder im sonstigen Nebenstrafrecht (etwa §§ 95 ff. AufenthG; §§ 29 ff. BtMG und § 21 StVG) auf, sondern auch im Kernstrafrecht: Man denke nur an den Diebstahl gem. § 242 StGB, wo die Fremdheit der Sache und die Rechtswidrigkeit der Zueignung nach dem Bürgerlichen Recht zu bestimmen ist[1].
2
Die Einbeziehung anderer Rechtsgebiete führt prozessualnicht dazu, dass Strafgerichte an die Entscheidungen anderer Fachgerichte gebunden sind. Hängt die Strafbarkeit einer Handlung von einem außerstrafrechtlichen Rechtsverhältnis ab, so entscheidet das Strafgericht gem. § 262 Abs. 1 StPO vielmehr auch über dieses nach den für das Verfahren und den Beweis in Strafsachen geltenden Vorschriften. Die Beibringungsmaxime im Zivilprozess, dortige Beweislastregeln und Beweisvermutungen können im Straf- und Bußgeldverfahren, wo insbesondere der Grundsatz in dubio pro reo gilt, keine Bedeutung erlangen[2]. Ausnahmen kommen nur dann in Betracht, wenn der Tatbestand es auf den Schutz des geordneten Verfahrens und dessen Gestaltungswirkung anlegt, etwa beim strafbewehrten Verwaltungsakt. Keine Bindungswirkung besteht wiederum für die von anderen Fachgerichten vertretenen Rechtsansichten[3]. Dennoch sind Abweichungen rechtspolitisch mit Blick auf Einheit der Rechtsordnung natürlich nicht erstrebenswert und können theoretisch zu einer Vorlagepflicht nach §§ 121 Abs. 2, 132 Abs. 2 GVG zu den Vereinigten Großen Senaten führen.
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