Für die Feststellung des Fälligkeitsterminsgilt die Regel des § 271 I BGB: Maßgeblich ist, was für den Anspruch gesetzlich oder durch Vereinbarung bestimmt ist. Liegt keine besondere Bestimmung vor, so tritt die Fälligkeit „sofort“ ein, dh Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs fallen zeitlich zusammen.
Die Beteiligten können durch eine Abrede, die Stundunggenannt wird, den Fälligkeitszeitpunkt hinausschieben.
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Den Leistungsortbetreffend enthalten §§ 269, 270 und speziellere Normen die einschlägige Regelung. Leistungsort ist derjenige Ort, an dem der Schuldner die von ihm geschuldeten Leistungshandlungen (oder die letzte von ihnen) vorzunehmen hat. Siehe Näheres unter Rn 830.
Wird die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt (Erfüllung), so erlischt der Leistungsanspruch (§ 362 I). Kommt der Schuldner seinen Verpflichtungen hingegen nicht nach, so kann der Gläubiger mit Zwangsmitteln gegen ihn vorgehen, um die Erfüllung zu erreichen. Außerdem löst die zu vertretende Pflichtverletzung für den Schuldner Folgepflichten, vor allem Schadensersatzpflichten aus (Näheres Rn 852).
4. Die Rechtsverfolgung
a) Das Verbot privater Gewaltübung; Ausnahmen
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Wird ein Recht beeinträchtigt oder eine Verpflichtung nicht erfüllt, so erhebt sich das Problem der Durchsetzung mit Zwangsmitteln. Seit der Staat der frühen Neuzeit das Gewaltmonopol an sich gezogen hat, ist es dem Grundsatz nach unstatthaft, Rechtspositionen mit Hilfe privater Gewaltübung, dh durch Eingriff in die Rechte anderer ohne deren Willen, durchzusetzen. Vielmehr ist der Berechtigte gehalten, sich an die staatliche Rechtsschutzorganisationzu wenden, die zur Verwirklichung der Rechte ihre Hoheitsgewalt einsetzt.
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Nur in Ausnahmefällenist private Gewaltübungin dem genannten Sinne erlaubt, in erster Linie bei defensiven Maßnahmen (§§ 227, 228, 859 I, 904 BGB; §§ 32, 34 StGB), sodann auch zum Zwecke der Selbsthilfe (§§ 229–231; §§ 562b, 859 II, III).
(1) Die Notwehrist die Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden (§ 227 II BGB, § 32 II StGB). Die durch Notwehr gebotene Handlung ist nicht widerrechtlich (§ 227 I), auch wenn sie die Rechte und Schutzinteressen des Angreifers beeinträchtigt.
(2) Notstandshandlungenkönnen gem. §§ 228, 904 BGB und § 34 StGB rechtmäßig sein.
(a) Gemäß § 228 S. 1 BGBhandelt nicht widerrechtlich, wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch diese Sache drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden; vorausgesetzt ist jedoch ferner, dass die Beschädigung oder Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und dass der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr selbst verschuldet, so ist er zum Schadensersatze verpflichtet (§ 228 S. 2).
(b) Der Notstand gemäß § 904 BGBsetzt voraus, dass durch die Einwirkung auf eine Sache eine gegenwärtige Gefahr, die nicht von der Sache selbst ausgeht, abgewendet werden kann (zB: ein Brand kann nur von einem benachbarten Garten aus unter Beschädigung der Pflanzen bekämpft werden). Die Einwirkung auf die Sache ist rechtmäßig, wenn sie zur Abwendung der Gefahr notwendig ist und wenn der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Der Eigentümer der aufgeopferten Sache kann Schadenersatz verlangen (§ 904 S. 2).
(c) Weiter ist der rechtfertigende Notstand nach § 34 StGBgefasst: Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine „Tat“ begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt; es gilt dies nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
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(3) Die erlaubte Selbsthilfe ( §§ 229 –231)bezieht sich auf die Durchsetzung von Ansprüchen. Sie besteht in Maßnahmen, die darauf abzielen, einen Anspruch durch private Gewaltübung zu sichern oder durchzusetzen. Eine derartige Selbsthilfe, die sogar in der Festnahme eines fluchtverdächtigen Schuldners bestehen kann, setzt voraus, dass obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 229, weitere Einschränkungen § 230). So darf z.B. der Vermieter die Wohnung nicht einfach eigenmächtig räumen, wenn er wegen Mietrückständen gekündigt hat und der Mieter unbekannten Aufenthalts ist; er muss zunächst den Mieter auf Räumung verklagen (BGH NJW 2010, 3434).
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Wer einen Anspruch gegen einen anderen zu haben glaubt, den dieser nicht freiwillig erfüllen will, muss in aller Regel die Gerichte bemühen. Das klassische Verfahren für die Verfolgung privatrechtlicher Ansprüche bietet der in der ZPO geregelte Zivilprozess. Zum Verständnis des Zivilrechts ist es wichtig, sich einen Begriff von seinem Ablauf zu machen.
Typisch für das deutsche Rechtssystem ist die gedankliche Trennung des Anspruchs, den eine Person gegen eine andere zu haben glaubt, von der gerichtlichen Verfolgung und Durchsetzung. Auf dieser Trennung beruht die Einteilung in materielles Recht und Prozessrecht. Die Feststellungen, ob ein Anspruch besteht (materielles Zivilrecht) und ob bzw wie der Anspruch gerichtlich geltend gemacht und hoheitlich durchgesetzt werden kann (Zivilprozessrecht), bilden demnach zwei verschiedene und selbstständige Beurteilungsvorgänge. Man kann die Trennung des für den Rechtsbetroffenen letztlich Zusammengehörigen bedauern; sie ist aber wichtig. Das römische Recht verquickte den Anspruch und das Recht, den Anspruch klageweise vor Gericht geltend zu machen, im Begriff der actio (Aktionensystem). Nach unserem Rechtsschutzsystem verleiht hingegen nicht erst der materiellrechtliche Anspruch die Befugnis, vor Gericht zu klagen. Vielmehr kann jeder gegen jeden einen Anspruch, den er zu haben glaubt, einklagen. Ob der Anspruch wirklich besteht, wird dann das Gericht in seinem Urteil feststellen. Das Recht, bei Gericht zu klagen, besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob die Klage auch sachlich begründet ist.
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Das Verfahren gliedert sich in zwei Vorgänge:
(a) das Erkenntnisverfahren, in dem vom Gericht geprüft wird, ob die begehrte Rechtsfolge besteht;
(b) das Vollstreckungsverfahren, in dem ein zu Gunsten des Klägers ergangenes Urteil, wenn nötig, hoheitlich gegen den Verurteilten vollstreckt wird.
Wir wollen uns ein Bild vom Erkenntnisverfahren anhand eines einfachen Beispiels machen:
Fall 5:
K klagt bei Gericht gegen B.
Klagantrag: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 500 € zu zahlen. Dazu trägt K folgenden Sachverhalt vor: Der Beklagte suchte den Kläger am 15. Mai in dessen Wohnung mit der Bitte auf, ihm bis zum 1. Juni einen Betrag von 500 € zinslos zu überlassen. Der Kläger erfüllte dieses Ansinnen und übergab dem Beklagten an Ort und Stelle 500 €.
Antrag des Beklagten: Die Klage wird abgewiesen. Dazu trägt der Beklagte vor: Der Beklagte zahlte das Geld am 3. Juni an den Kläger zurück.
Das Gericht hat zuerst zu prüfen, ob die im Interesse eines zweckmäßigen und rechtsstaatlichen Verfahrens durch das Prozessrecht vorgeschriebenen Regeln eingehalten sind (Prüfung der Zulässigkeit der Klage); zB ob die Klage in der richtigen Form und vor dem zuständigen Gericht erhoben wurde. Ist das nicht der Fall, so lässt es sich auf „die Sache selbst“ gar nicht ein; vielmehr wird es die Klage als unzulässig abweisen (Besonderheiten in § 281 I ZPO).
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