Beispiel:
Die Aufhebung einer Gaststättenerlaubnis gemäß § 15 GastG hat rechtsgestaltende Wirkung, der Gastwirt darf die Gaststätte nicht weiter betreiben (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GastG). Will die Behörde dieses Verbot zwangsweise durchsetzen, muss sie einen vollstreckungsfähigen Bescheid erlassen und insoweit gestützt auf § 31 GastG i.V.m. § 15 Abs. 2 GewO die Schließung des Betriebes anordnen.
E. Die Vollstreckung von Verwaltungsentscheidungen› III. Die Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen › 2. Vollstreckbarkeit des Verwaltungsakts
2. Vollstreckbarkeit des Verwaltungsakts
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Der Verwaltungsakt ist nur vollstreckbar, wenn er entweder unanfechtbar geworden ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat (§ 6 Abs. 1 VwVG, § 55 Abs. 1 VwVG NRW).
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Unanfechtbar ist ein Verwaltungsakt, wenn er nicht mehr mit Rechtsbehelfen angegriffen werden kann. Dies ist der Fall, wenn die Widerspruchs- (§ 70 VwGO) oder die Klagefrist (§ 74 VwGO) abgelaufen ist. Unanfechtbarkeit tritt weiter ein durch Rechtskraft eines klageabweisenden verwaltungsgerichtlichen Urteils, durch Rücknahme eines eingelegten Rechtsbehelfs, Beendigung des gerichtlichen Verfahrens durch Abgabe von übereinstimmenden Erledigungserklärungen oder durch Abschluss eines Prozessvergleichs. Hat der Betroffene die Widerspruchsfrist versäumt, aber gleichzeitig unter Glaubhaftmachung von Wiedereinsetzungsgründen einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 70 Abs. 2, § 60 Abs. 1, 2 VwGO gestellt, darf die Behörde den Verwaltungsakt nicht als unanfechtbar behandeln und Vollstreckungsmaßnahmen einleiten. Sie ist vielmehr gehalten, zuerst über das Wiedereinsetzungsgesuch zu entscheiden.[54]
b) Ausschluss der aufschiebenden Wirkung
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Allgemeines.Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ist ausgeschlossen in den Fällen des § 80 Abs. 2 VwGO. Im hier interessierenden Zusammenhang sind von Bedeutung § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 und 4 und Abs. 2 Satz 2 VwGO.
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Unaufschiebbare polizeiliche Anordnungen und Maßnahmen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO).Erfasst werden nur Verwaltungsakte von Polizeivollzugsbeamten, nicht hingegen von Ordnungsbehörden. Verkehrszeichen und -einrichtungen, die verkehrsregelnde Ge- oder Verbote zum Inhalt haben, sind nach heute ganz herrschender Auffassung als Verwaltungsakte in Gestalt einer Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 VwVfG) anzusehen.[55] So enthält ein Halteverbotszeichen gemäß § 41 Abs. 1 StVO zugleich das Gebot, bei verbotswidrigem Halten oder nach Ablauf der Zeit, während der das Halten erlaubt ist, wegzufahren.[56] Mit dem durch eine Parkuhr begründeten modifizierten Halteverbot (vgl. § 13 StVO) ist das Gebot verbunden, das Fahrzeug zu entfernen, wenn die in dieser Norm genannten Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.[57] Derartige Allgemeinverfügungen sind in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar.[58]
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Durch Bundes- oder Landesgesetz bestimmte Fälle (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 2 VwGO).Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung durch Bundesgesetz ist inzwischen in einer Vielzahl von Fällen erfolgt.[59] Die Länder haben fast durchweg[60] entsprechende gesetzliche Regelungen für Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen, die von den zuständigen Behörden in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden, erlassen (etwa § 112 Satz 1 JustG NRW).
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Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt schließlich, wenn die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten entweder von der Ausgangs- oder von der Widerspruchsbehörde besonders angeordnet wird. Eine derartige Vollziehungsanordnung ist auch gemeint, wenn § 6 Abs. 1 VwVG von „sofortigem Vollzug“ spricht, im Hinblick auf das besondere Vollstreckungsverfahren nach § 6 Abs. 2 VwVG ist dessen Wortlaut insoweit missverständlich.[61]
c) Vollstreckbarkeit vor Eintritt der Unanfechtbarkeit
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Nicht sofort vollziehbare Verwaltungsakte dürfen nur dann mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn ein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung zulässigerweise nicht mehr eingelegt werden kann[62]. Die Gegenansicht, die eine Vollziehung schon vor Erhebung von Widerspruch bzw. Klage für statthaft hält,[63] überzeugt nicht. Sie vernachlässigt den Wortlaut der Vollstreckungsgesetze von Bund und Ländern. Im Übrigen führt diese Ansicht dazu, dass ein Verwaltungsakt als sofort vollziehbar behandelt werden könnte, auch wenn die Behörde nicht in der Lage wäre, ein besonderes öffentliches Vollziehungsinteresse i.S.v. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO darzulegen. Ein derartiges Ergebnis ist mit der Intention des Gesetzgebers offenkundig nicht vereinbar.
E. Die Vollstreckung von Verwaltungsentscheidungen› III. Die Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen › 3. Verwaltungszwang ohne zugrunde liegenden Verwaltungsakt
3. Verwaltungszwang ohne zugrunde liegenden Verwaltungsakt
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Verwaltungszwang kann ausnahmsweise auch ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewandt werden. Dies ist einmal der Fall, wenn der Vertragspartner einer Behörde sich wirksam der sofortigen Vollstreckung unterworfen hat (§ 61 Abs. 2 Satz 1 VwVfG).[64] Die vertragliche Verpflichtung mit der Unterwerfungserklärung ersetzt dann den Verwaltungsakt, für das weitere Vollstreckungsverfahren gegen den Bürger zur Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen gelten die §§ 7 ff. VwVG (bzw. die entsprechenden Vorschriften der Vollstreckungsgesetze der Länder[65]) analog.
Eines Verwaltungsakts bedarf es weiterhin nicht in den Fällen des sofortigen Vollzugs (§ 6 Abs. 2 VwVG, § 55 Abs. 2 VwVG NRW) bzw. der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme nach Polizei- und Ordnungsrecht (dazu unten Rz. 68 ff.).[66]
E. Die Vollstreckung von Verwaltungsentscheidungen› III. Die Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen › 4. Ordnungsgemäße Ermessensausübung
4. Ordnungsgemäße Ermessensausübung
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Liegt ein vollstreckbarer Verwaltungsakt vor und kommt der Adressat der ihm darin auferlegten Pflicht nicht nach, steht es im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Vollzugsbehörde zu entscheiden, ob sie Verwaltungszwang ausüben und welche Maßnahmen sie ergreifen will (§ 6 Abs. 1 VwVG, § 55 Abs. 1 VwVG NRW).[67] Ein Entschließungs- bzw. Auswahlermessen hat die Behörde nur dann nicht, wenn Sondervorschriften ihr eine zwangsweise Durchsetzung oder die Art des Zwangsmittels verbindlich vorgeben, so wenn § 58 Abs. 1 AufenthG die Durchsetzung der Ausreisepflicht eines Ausländers im Wege der Abschiebung vorschreibt. Im Übrigen muss die Behörde ihre Auswahl unter den gesetzlich zulässigen Zwangsmitteln treffen, den Gleichheitsgrundsatz beachten[68] und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (§ 9 VwVG bzw. §§ 57, 58 VwVG NRW). Insbesondere hat die Behörde zu berücksichtigen, dass Zwangsmittel ihrem Charakter nach reine Beugemittel sind. Sie sollen nur den entgegenstehenden Willen des Pflichtigen brechen, hingegen nicht dessen bisheriges Verhalten – wie ein Bußgeld oder eine Strafe – ahnden. Insofern ist die Ausübung von Verwaltungszwang auch verschuldensunabhängig.[69]
E. Die Vollstreckung von Verwaltungsentscheidungen› III. Die Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen › 5. Die einzelnen Zwangsmittel
5. Die einzelnen Zwangsmittel
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