1. Kapitel Einleitung› A. Die bisher erfolgte Richtlinien- und Gesetzgebung › II. Die EU-Geldwäscherichtlinien
II. Die EU-Geldwäscherichtlinien
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Das europäische Recht zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung wurde maßgeblich durch die oben geschilderte Entwicklung der 40 Empfehlungen der FATF beeinflusst. Es ist das Bemühen spürbar, diese sowohl in ihrer Fortentwicklung zu begleiten als auch möglichst getreu umzusetzen.
1. Kapitel Einleitung› A. Die bisher erfolgte Richtlinien- und Gesetzgebung › II. Die EU-Geldwäscherichtlinien › 1. Erste EG-GeldwäscheRL
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Ein erster Schritt hierzu war die sog. Erste EG-GeldwäscheRL.[9] Ein interessanter Fakt für Nostalgiker: Diese Richtlinie fand damals noch auf etwa fünf Druckseiten im europäischen Amtsblatt Platz. Die Erwägungsgründe betonen, dass es die Solidität und Stabilität eines Kreditinstituts gefährden sowie das Ansehen des Finanzsystems insgesamt in Mitleidenschaft gezogen werden kann, wenn Institute dazu benutzt werden, Erlöse aus kriminellen Tätigkeiten zu waschen. Insbesondere fokussierte man sich auf Gefahren aus der organisierten Kriminalität, und hier dem Drogenhandel im Speziellen.
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Bei der Bekämpfung der Geldwäsche konzentrierte man sich zunächst auf strafrechtliche, das heißt repressive Möglichkeiten der Geldwäschebekämpfung. Art. 2 der Richtlinie lautet schlicht: „Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Geldwäsche im Sinne dieser Richtlinie untersagtwird.“ Der vierte Erwägungsgrund präzisiert, dass die Geldwäsche vor allem mit strafrechtlichen Mitteln und im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit zwischen den Justiz- und Vollzugsbehörden zu bekämpfen sei.
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Die Finanzinstitute sollten allerdings ebenfalls in die Pflicht genommen werden. Dabei wurde zunächst ein Schwerpunkt gesetzt bei einer ersten europaweit einheitlichen Definitionder Geldwäsche (Art. 1 der Richtlinie) und der Schaffung von Vorschriften zur Identifizierung von Kunden und wirtschaftlichen Eigentümerndurch Kredit- und Finanzinstitute (Art. 3 der Richtlinie). Außerdem wurde ein Meldewesenfür Tatsachen, die ein Indiz für eine Geldwäsche sein könnten, eingeführt (Art. 6 ff. der Richtlinie), ebenso wie eine Vorschrift über die Einführung von Kontrollverfahren und Schulungsmaßnahmenin den Instituten. Die Anwendung der Richtlinie betraf auch damals schon bestimmte Unternehmen aus nicht-finanziellen aber geldwäschegefährdeten Sektoren (Art. 12), die Umsetzung hierzu wurde jedoch den Mitgliedstaaten überlassen.
1. Kapitel Einleitung› A. Die bisher erfolgte Richtlinien- und Gesetzgebung › II. Die EU-Geldwäscherichtlinien › 2. Zweite EG-GeldwäscheRL
2. Zweite EG-GeldwäscheRL
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Mit der Zweiten EG-GeldwäscheRL[10] wurde das europäische Geldwäscherecht aktualisiert und ausgebaut. Außerdem erhöhte sich die Regelungstiefe.
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Zwischenzeitlich war der Europäische Pass sowohl für Kreditinstitute und Investmentfirmen eingeführt worden: Unter der im Herkunftsstaat eines Instituts erteilten Erlaubnis konnte dieses im gesamten EWR grenzüberschreitend tätig werden und Zweigniederlassungen errichten. Daher bedurfte es einer Regelung der behördlichen Zuständigkeit für die Überwachung der Geldwäschebekämpfung bei solchen Zweigniederlassungen. Zuständig wurde hierfür deren jeweiliger Aufnahmestaat, in dem ein Institut eine Zweigniederlassungerrichtet hat. Zu diesem Zwecke wurden Zweigniederlassungen den Kreditinstituten begrifflich gleichgestellt.[11] Die Tätigkeiten von Wertpapierfirmen, Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren ( Fondsund Fondsgesellschaften), aber auch Geldwechseltätigkeiten und das Finanztransfergeschäftwurden in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbezogen. Hierfür wurde gem. Art. 1 Nr. 1 der Zweiten EG-GeldwäscheRL eine neue Definition des „Finanzinstituts“ eingeführt.
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Der Vortatenkatalogder Geldwäsche wurde erheblich ausgeweitet auf alle schweren, insbesondere auch organisiert begangenen, Straftaten.[12] Erstmals schrieb die Richtlinie die Einbeziehung von nicht-finanziellen Unternehmenin die geldwäscherechtlichen Pflichten konkret vor, unter Nennung der betroffenen Branchen (Art. 1 Nr. 2 der Zweiten EG-GeldwäscheRL). Außerdem verpflichtete sie die Mitgliedstaaten, den der Richtlinie unterliegenden Instituten und Unternehmen Zugang zu aktuellen Informationen über Geldwäschepraktiken und Indizien für verdächtige Transaktionen zu verschaffen (Art. 1 Nr. 10 der Zweiten GeldwäscheRL).
1. Kapitel Einleitung› A. Die bisher erfolgte Richtlinien- und Gesetzgebung › II. Die EU-Geldwäscherichtlinien › 3. Dritte EG-GeldwäscheRL
3. Dritte EG-GeldwäscheRL
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Mit der Dritten EG-GeldwäscheRL[13] wurde der europäische Rahmen der Geldwäschebekämpfung auf völlig neue Füße gestellt. Aufgrund der Umstellung auf den sog. risikobasierten Ansatzverdreifachte sich der Textumfang der Richtlinie, wobei die erstmals vorgesehenen technischen Durchführungsmaßnahmen[14] noch nicht eingerechnet sind. Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Institute wurden deutlich erhöht.
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Schon Erwägungsgrund Nr. 1 zeigt, woher der Wind wehte: „Massive Schwarzgeldströme können die Stabilität und das Ansehen des Finanzsektors schädigen und sind eine Bedrohung für den Binnenmarkt; der Terrorismus greift die Grundfesten unserer Gesellschaft an.“ Im Nachhinein betrachtet wundert man sich, welcher Grad an Alarmstimmung damals geherrscht haben muss, denn im zeitlichen Zusammenhang mit der Arbeit an der Richtlinie waren weder massive Schwarzgeldströme in besonders erhöhtem Maße zu erkennen, noch hat der Terrorismus die Grundfesten der europäischen Gesellschaft jemals ernsthaft anzugreifen vermocht.[15]
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Inhaltlich wurde, wie aus dem oben Zitierten schon naheliegt, ein neuer Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismusgelegt. Der Geldwäschebegriff wurde über einen verlängerten Vortatenkatalognochmals ausgeweitet (Art. 3 Nr. 5 der Dritten EG-GeldwäscheRL[16]). Die Vorschriften über die Feststellung und die Überprüfung der Identität von Kunden und wirtschaftlichen Eigentümern überarbeitete man und regelte dabei vor allen Dingen viele Details darüber, welche Schritte hierbei durchzuführen sind (siehe im Einzelnen hierzu Art. 6 ff.).
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Der Kreis der verpflichteten Unternehmen wurde grundsätzlich auf alle Güterhändlererweitert (Art. 2 (1) Nr. 3 (e)). Ferner wurden EU-Institute verpflichtet, die EU-Regeln auch in ihren Zweigstellen und Tochterinstituten in Drittländerneinzuhalten (Art. 34 (2)).
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Außerdem unterschied die Richtlinie erstmals gem. dem risikobasierten Ansatz in Fälle mit verringertem, mittlerem und erhöhtem Risiko der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung (Art. 11 f.). Für Fälle erhöhten Risikos wurden verstärkte Sorgfaltspflichtenvorgesehen (Art. 13). Durch das weitere Ziel der Korruptionsbekämpfung erhielten Geschäftsbeziehungen zu politisch exponierten Persönlichkeiten(PEPs) besondere Aufmerksamkeit und wurden dem Bereich des erhöhten Risikos zugewiesen (Art. 13 (4)).
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Auch die Auslagerungbzw. Zusammenarbeit mit anderen Stellen bei der Identifizierung von Kunden durch Institute wurde einer ausdifferenzierten Regelung in der Richtlinie zugeführt (Art. 14 ff.). Das Verdachtsmeldewesenwurde insoweit ausgebaut, als dass jeder Mitgliedstaat verpflichtet wurde, eine zentrale Meldestelle (Financial Intelligence Unit – FIU) zu schaffen; diese Stellen sollen innerhalb der EU miteinander kooperieren (Art. 21, Art. 38).
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