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Als Teil des Sonderprivatrechts unterfallen Patent-, Gebrauchsmuster- oder Sortenschutzrechte, auch das Know-how grundsätzlich dem BGB. Aus diesem Grund kann nicht deutlich genug betont werden, dass für die vertragliche Verwertung technischer Schutzrechte mit einem Inlandsbezug die Grundsätze und Bestimmungen des BGB anwendbar sind. Diese Erwägung steht aber unter dem Vorbehalt, dass sich nicht aus den Regelungen technischer Schutzrechte oder verwandter Schutzpositionen etwas anderes ergibt. Hier gewinnen zum Teil auch Rechtsentwicklungen in anderen Gebieten des Geistigen Eigentums wie etwa dem Urheber- und Markenrecht zunehmende Bedeutung, sofern sie sich auf die hier zu behandelnden Schutzrechte übertragen lassen.
II. Vertragsfreiheit und Patentrecht
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Technische Schutzrechte sind vom nationalen wie internationalen Gesetzgeber als verkehrsfähige Wirtschaftsgüter ausgestaltet worden (oben § 2 Rn. 1und 8). Patente, Gebrauchsmuster, Halbleiter- oder Sortenschutzrechte sind beschränkt oder unbeschränkt übertragbar(vgl. u.a. § 15 Abs. 1 PatG, § 22 Abs. 1 GebrMG, § 11 Abs. 2 HalbLSchG, § 11 Abs. 1 SortenSchG; Art. 27, 28, 33, 35–36 TRIPs (WTO); Art. 71 ff. EPÜ; Art. 8 VO(EU) 1257/2013) und können Gegenstand von ausschließlichenoder nicht ausschließlichen Lizenzensein (§ 15 Abs. 2 PatG, § 22 Abs. 2 GebrMG). Allerdings enthalten weder das BGB noch das Patent- und Gebrauchsmustergesetz dezidierte Regelungen über eine vertragliche Verwertung der genannten Rechte. Der Gesetzgeber trägt damit dem Gestaltungsspielraum der Parteien Rechnung. Zwingende Vorgaben für Verträge über technische Schutzrechte ergeben sich vor allem aus den gesetzlichen Regelungen über die Zulässigkeit, zu Inhalt und Umfang, Begründung und Beendigung des jeweiligen Schutzrechts, ferner sind die Bestimmungen des EU-Kartellrechts zu beachten (unten § 4 Rn. 128 ff.). Zumindest mittelbar berücksichtigt werden sollten die Regelungen des Insolvenzrechts und des Steuerrechts, bei Auslandsbezug auch des Außenwirtschaftsrechts und des Devisenrechts. Darüber hinaus werden den Parteien aber allenfalls Grenzen durch die allgemeinen Bestimmungen ( §§ 134, 138, 242, 826 BGB) gesetzt.
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In diesem Rahmen sind die Parteien auf eine präzise Vertragsgestaltung angewiesen. Bei Unklarheiten im Vertragstext kommt es auf die Auslegung des Vertrages an. Auch im Patentvertragsrecht gelten dafür die allgemeinen Grundsätze: Bestehen Zweifel über den Erklärungsgehalt einzelner Vertragsbestimmungen oder sogar Lücken im Vertragswerk, dann greifen die zivilrechtlichen Auslegungsvorschriften der § 133, 157, 242 BGB. Da es sich regelmäßig um empfangsbedürftige Willenserklärungen der Parteien handelt, sind die inneren Vorstellungen der Vertragspartner für die Einigung nicht maßgebend. Vielmehr sind nur die Verhaltensweisen (Erklärungshandlungen) von Bedeutung, die dem anderen Teil bekannt geworden bzw. zugegangen sind.
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Eine erläuterndeoder ergänzende Vertragsauslegungdarf sich nicht in Widerspruch zu dem im Vertrag zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen setzen und darf nicht zu einer unzulässigen Erweiterung des Vertragsinhaltes führen.[4] Führt eine Interpretation anhand des Vertragswortlauts nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, können in einem weiteren Auslegungsschritt auch die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände einschließlich des wirtschaftlichen Zwecks der Vereinbarung einbezogen werden, soweit sie Hinweise für die Bedeutung der Erklärungen enthalten.[5] Auch ein nach Vertragsschluss erkennbares Verhalten der Vertragspartner kann ggf. Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen und deshalb als Indiz für die Auslegung von Bedeutung sein.[6] Eine Grenze findet die ergänzende Vertragsauslegung in der sog. Zweckübertragungslehre(unten Rn. 8 ff.).
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Häufig gehen Verträgen über technische Schutzrechte mehr oder weniger langwierige Verhandlungenvoraus. Zwar kommt den hier abgegebenen Erklärungen der Parteien nicht notwendigerweise die Qualität von Willenserklärungen zu, da es am Rechtsbindungswillen fehlen wird. Auch eine vorläufige Verständigung über einzelne Punkte eines künftigen Vertrages (sog. Punktation) gilt im Zweifel selbst dann als nicht bindend, wenn sie schriftlich niedergelegt wurde (§ 154 Abs. 1 S. 2 BGB). Die hier abgegebenen, auch konkludenten Erklärungen und Verhaltensweisen (z.B. die widerspruchslose Entgegennahme von Erklärungen) können aber zur Auslegung eines später geschlossenen Vertrages herangezogen werden. Das gilt insbesondere für einen im Rahmen von Vorverhandlungen geführten Schriftwechsel.[7] Die Vertragsfreiheit eröffnet den Parteien aber im Vorfeld komplexer Vertragswerke unterschiedliche Gestaltungsformen, um sie bereits während oder im Anschluss von Vertragsverhandlungen rechtlich zu binden und damit das Risiko eines Scheiterns zu begrenzen (unten Rn. 17 ff.).
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Bei Abschluss und Abwicklung eines Vertrages über technische Schutzrechte unterliegt das gesamte Verhalten der Kontrahenten diesen Billigkeitsmaßstäben. Es ist so zu deuten, wie redliche und verständige Menschen es unter gleichen Umständen verstehen würden. Daraus ergibt sich, dass für die Ermittlung des Vertragsinhalts der Standpunkt eines neutralen, über den Parteiinteressen stehenden Beobachters eingenommen werden muss, der Vertragszweck also nach objektiven Maßstäbenermittelt wird.
2. Zweckübertragungslehre und Spezifizierungslast
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Rechtsprechung und Gesetzgebung haben in der Vergangenheit aber auch besondere Grundsätze und Wertungen einer Auslegung von Verträgen über immaterielle Güter entwickelt. Eine für das Lizenzvertragsrecht im gesamten Immaterialgüterrecht zentrale Funktion übernimmt die im Urheberrecht gesetzlich normierte Zweckübertragungslehre. Sind danach bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet, so bestimmt sich nach dem von beiden Vertragsparteien zugrunde gelegten Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten sich das Nutzungsrecht erstreckt. Entsprechendes gilt für die Frage, ob ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, ob es sich um ein einfaches oder ausschließliches Nutzungsrecht handelt, wie weit Nutzungsrecht und Verbotsrecht reichen und welchen Einschränkungen das Nutzungsrecht unterliegt (§ 31 Abs. 5 UrhG). Obwohl weder das Patent- noch das Gebrauchsmustergesetz eine entsprechende Bestimmung kennen, werden diese Grundsätze vom BGH auch auf technische Schutzrechte übertragen.[8]
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Der Zweckübertragungsgrundsatz ist im Kern eine Auslegungsregel, die dazu dient, die Interessen des Rechtsinhabers bei Verträgen über sein Schutzrecht zu wahren.[9] Der Erfinder bzw. Rechtsinhaber will danach nicht mehr Rechte übertragen bzw. lizenzieren, als zur Erreichung des Nutzungs- bzw. Verwertungszwecks erforderlich ist.[10] Die Zweckübertragungslehre ist folglich nur subsidiär für den Fall anwendbar, dass eine Vereinbarung nicht getroffen wurde oder diese nicht hinreichend präzise erscheint. In diesem Fall stellt die Zweckübertragungslehre sicher, dass der Umfang der Rechtseinräumung einschließlich konkreter oder gewollter Verfügungen durch den von den Parteien verfolgten Zweck bestimmt und begrenzt wird.
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Der Zweckübertragungsgrundsatz enthält damit eine Spezifizierungslastdes Rechtserwerbers bzw. des Verwerters. Werden die Nutzungsarten nicht „ausdrücklich einzeln bezeichnet“ bzw. Teilrechte nicht hinreichend bestimmt, so wird die Auslegung auf den Vertragszweck fixiert und danach das Nutzungsrecht definiert. Das kann auch Rechtsnachteile für den Erwerber nach sich ziehen, insbesondere dann, wenn der Vertragszweck hinter dem Wortlaut der Abmachung bzw. hinter dem nach den allgemeinen Regeln resultierenden Auslegungsergebnis zurückbleibt.[11] Der Zweckübertragungsgrundsatz erlaubt es den Gerichten, pauschale Formulierungen restriktiv auszulegen und auf einzelne, den Vertragszweck hinreichend erfüllende Nutzungsarten oder entsprechende Verfügungen zu begrenzen.
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