4.2 Verletzung der Privatsphäre
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Der Schutzbereich des Rechtes auf Privatsphäre bemisst sich in dreifacher Hinsicht, nämlich thematisch, räumlich und zeitlich. Thematisch werden Vorgänge erfasst, die aufgrund ihres Informationsgehaltes als privat eingestuft werden, weil die Angelegenheit naturgemäß dem persönlichen Bereich zugeordnet wird oder ihr öffentliches Zeigen als unschicklich oder peinlich gilt. Der Fortschritt von Aufnahmetechnik, z.B. Handykameras, führt zu gesteigerten Risiken für die Persönlichkeitsrechte von Prominenten.[402] Das Alltagsleben gehört grundsätzlich zur Privatsphäre, so dass dann eine Abwägung mit dem Informationsinteresse der Allgemeinheit stattfinden muss (Restaurant-Besuch,[403] Verlassen der Wohnung, Schlendern durch die Straßen, Ski-Urlaub, Tennisspiel o.Ä.).
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Räumlich erstreckt sich der Schutz der Privatsphäre auf einen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann; in dem er die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und damit der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein, auch ohne dass er sich dort notwendig anders verhielte als in der Öffentlichkeit.[404] Der häusliche Bereich ist eine solche geschützte Sphäre.[405] Wo die Grenzen der geschützten Privatsphäre außerhalb des Hauses verlaufen, lässt sich jedoch nicht generell und abstrakt festlegen.[406] Jedoch ist bei der Abwägung zugunsten des Persönlichkeitsrechts auch zu berücksichtigen, ob die Aufnahme etwa unter Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrlicher Nachstellung entstand.[407]
4.3 Kinder- und Jugendschutz
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Der Bereich, in dem Kinder sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, soll umfassender geschützt sein als derjenige von Erwachsenen.[408] Dazu zählt auch das Anonymitätsinteresse.[409] Dies folgt nicht nur aus dem die spezifische Eltern-Kind-Beziehung schützenden Art. 6 Abs. 1 GG, sondern auch aus dem eigenen Recht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.[410] Ein Schutzbedürfnis fehlt damit nur dann, wenn sich die Kinder allein oder gemeinsam mit den Eltern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden,etwa an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen oder gar im Mittelpunkt solcher Veranstaltungen stehen[411] und die Berichterstattung einen ausreichenden Bezug zu der Veranstaltung als zeitgeschichtliches Ereignis aufweist.[412] Ein Anspruch darauf, die Veröffentlichung jeglicher Fotos eines bestimmten Minderjährigen bis zu dessen Volljährigkeit zu unterlassen, besteht nicht.[413]
4.4 Verletzung von Ehre und Ruf
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Das Foto kann selbst oder mittels des Kontext, in den es gestellt wird, Ehre und Ruf beeinträchtigen.[414]
4.5 Verletzung des Wahrheitsschutzes
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Der Bildnisschutz umfasst auch den Schutz vor entstellender oder verfälschender Darstellungen, sofern dies persönlichkeitsrechtsverletzten Charakter haben kann. Dies gilt verstärkt in Zeiten der digitalen Bildbearbeitung, insbesondere in Fällen der Fotomontage.[415] Allerdings verletzt eine erkennbare Fotomontage, sofern sie keine falschen Tatsachenbehauptungen erhält und auch nicht fototechnisch geändert wurde, nicht schon allein das Persönlichkeitsrecht einer so abgebildeten Person.[416] Auch das Ereignis, auf das sich das Bildnis bezieht, muss tatsächlich geschehen sein; Spekulationen rechtfertigen keinen Eingriff in das Recht am eigenen Bild.[417]
Die Entstellung kann aber auch durch irreführende Vertauschung der Bildfolge, durch Auslassung oder sonstige Entstellungen oder durch das Bildnis entstehende falsche Eindrücke bewirkt werden.[418]
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Auch die Bildnisveröffentlichung ist ihrer satirischen Einkleidung zu befreien, um sodann den dahinter liegenden Aussagegehalt der bildlichen Darstellung zu ermitteln.[419] Dabei ist der ermittelte Aussagekern der Prüfung, ob ein Persönlichkeitsrecht verletzt ist, und der Güterabwägung ebenso zu unterziehen wie auch die Einkleidung der Aussage. Auch diese – also beim Bildnisschutz die bildliche Darstellung selbst – ist gesondert daraufhin zu überprüfen, ob sie eine Kundgabe der Missachtung einer Person enthält oder auf andere Weise das Persönlichkeitsrecht verletzt.[420] So hatten die Gerichte zu prüfen, ob die Verwendung eines technisch manipulierten Fotos des Gesichts eines prominenten Klägers eine eigenständige Persönlichkeitsbeeinträchtigung bewirkt. Die Bildaussage werde jedenfalls dann unzutreffend, wenn das Foto über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus verändert werde.[421] Diese Unwahrheit hat dann Auswirkungen auf die Güterabwägung, gerade auch bei der Verwendung von fotografischen Abbildungen in satirischen Kontexten, wenn nämlich die Manipulation dem Betrachter nicht erkennbar ist, so dass er die Veränderungen nicht als Teil der für satirische Darstellungen typischen Verfremdungen und Verzerrungen deuten und damit für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann.[422]
4.7 Anonymitätsverletzung
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Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch das berechtigte Interesse auf Anonymität. So besteht ein berechtigtes Interesse eines Straftäters, durch eine (identifizierende) Bildnisveröffentlichung nicht in seiner Resozialisierung gefährdet zu sein. Allerdings vermittelt das allgemeine Persönlichkeitsrecht Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht oder nicht mehr mit der Tat konfrontiert zu werden.[423] Bei Tatverdächtigen gelten auch bei der Bildberichterstattung die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung.
4.8 Leben, Körper, Gesundheit
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Ein entgegenstehendes berechtigtes Interesse kann vorliegen, wenn die Bildnisveröffentlichung zu einer nicht ganz fern liegenden Gefährdung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit oder Eigentumführen kann (z.B. Gefährdungssituation bei Privatpersonen, wenn sie Rache oder der Gefahr einer Entführung[424] ausgesetzt sind oder die Identifikation eines Geheimagenten durch ein Bildnis).[425] Bei Sicherheitsgefährdung setzt dies aber voraus, dass sich die betroffene Person sonst bemüht hat, ihre öffentliche Identifizierung zu vermeiden und nicht selbsttätig in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten ist.[426]
5. Das Caroline-Urteil des EGMR – Inhalt und „Einpassung“ in das deutsche Rechtssystem – Das Hannover II-Urteil des EGMR
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Streitgegenstand des Caroline-Urteil des EGMR waren einige Fotoserien, die Caroline von Monaco allein oder in Begleitung von Dritten in Privatsituationen zeigen, beispielsweise im Ski-Urlaub oder mit ihrem zeitweisen Lebensgefährten auf der Terrasse eines Restaurants.
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Der Gerichtshof sah – anders als das BVerfG – durch die Fotos die Rechte von Caroline von Monaco aus Art. 8 EGMRK verletzt. Dabei sind in der Beurteilung des Umfangs der Privatsphäre keine wesentlichen Unterschiede zur bundesdeutschen Rspr. zu erkennen. Allerdings bestehen wesentliche Unterschiede hinsichtlich des – nach der EGMRK durch Art. 10 geschützten – Ausgleichs mit der freien Meinungsäußerung und Pressefreiheit. Der EGMR schränkte damals noch den „Schutzbereich“ der Pressefreiheit ein:
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„Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass ein grds. Unterschied gemacht werden muss zwischen einer Berichterstattung über Fakten, die – selbst wenn sie kontrovers behandelt werden – geeignet sind, zu einer Debatte in einer demokratischen Gesellschaft beizutragen, wenn sie sich auf Politiker bspw. in Ausübung ihrer Ämter bezieht, und einer Berichterstattung über Einzelheiten zum Privatleben einer Person, die überdies solche Funktionen wie im vorliegenden Fall nicht ausübt. Wenn die Presse im ersten Fall auch ihre wesentliche Rolle als „Wachhund“ in einer demokratischen Gesellschaft spielt und dazu beiträgt, „Ideen und Informationen zu Fragen von öffentlichem Interesse weiterzugeben“, so trifft dies auf den zweiten Fall nicht zu. …“[427]
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