„Sie fasst es besser auf, als du es dir gedacht hast, Alain. Soll ich euch noch immer Gesellschaft leisten oder hast du es dir anders überlegt?“ Travis macht bereits kehrt.
Doch ich antworte an Alains Stelle: „Travis. Du willst doch nicht etwa kneifen?“, und fordere ihn damit heraus.
„Du nimmst den Mund ganz schön voll, Beauty.“
Alain versperrt mir die Sicht, was mir ein gespielt empörtes Stöhnen entringt. Er baut sich vor mir auf, nimmt mich knurrend in die Mangel, stützt beide Hände neben meinem Kopf vorbei auf dem Beckenrand ab und beugt sich zu mir herunter. Meine Lippen verziehen sich zu einem schuldbeladenen Lächeln.
„Hmmm“, seufzt Alain bedrohlich, mustert mich eindringlich. „So, du kleiner Nimmersatt. Was hast du dir in deinem hübschen Köpfchen ausgemalt?“ Sein warmer Atem kitzelt an meiner Nasenspitze. Ein herausforderndes Funkeln tritt in seine Augen, während sein gieriger Blick mich gefangen nimmt.
Ich räuspere mich. „Wie war das gemeint, als du damals sagtest, du möchtest nicht, dass mich eine andere Frau vor deinen Augen anrührt, küsst, befriedigt, geschweige denn ein anderer Mann?“
„Die Dreier-Diskussion?“ Alain hebt überrascht die Augenbraue.
„Du bist dabei, deine Regeln zu brechen“, werfe ich ihm vor.
„Hmmm. Wenn ich mich recht entsinne, hast du die Regeln schon bei deinem eher unfreiwilligen, aber provozierenden Kuss mit Hannah gebrochen. Doch dir sei vergeben.“ Er stupst mich mit der Nase an und verschließt meine Lippen mit einem kurzen, züchtigen Kuss.
„Ich wusste es doch, dass du mir das noch irgendwann vorhalten wirst. Aber, Alain, ich habe meine Moralvorstellungen und ich würde weder dich betrügen noch Hannah hintergehen. Sie liebt ihn und er …“
„Irina!“
„Dieser Ort vernebelt dir die Sinne, Liebster!“
„Irina. Ich hatte nicht vor, dich mit Travis zu teilen!“
Gott sei Dank! Innerlich stoße ich einen Seufzer der Erleichterung aus.
„Erinnerst du dich an gestern Nacht? Ich habe dir den Kimono zurechtgerückt und gesagt, dass ich immer noch derselbe bin. Die Dinge haben sich also nicht geändert. Du bist mein, Irina! Ich bin nicht gewillt, dich zu teilen, und sei es auch mein bester Freund.“
„Oh. Dann war Nacktbaden also nicht vorgesehen?“ Bestimmt werde ich blass um die Nase.
„Nicht, solange Travis uns Gesellschaft leistet“, antwortet Alain trocken und setzt sich auf den Sitz daneben.
„Oh!“ Meine Ausschweifung – und damit meine ich meinen Striptease – wird ein Nachspiel haben! Bestimmt! Seine ernste Miene verrät es.
„Dein frivoles Verhalten gibt mir zu denken. Als Travis die brenzlige Situation erkannte und sich diskret zurückziehen wollte, hast du ihn gebeten … falsch, regelrecht herausgefordert, sich zu uns zu gesellen. So war das keineswegs vorgesehen, Irina. Und ich werde dich auch nicht ungeschoren aus dieser Situation entlassen. Die Peepshow war zu viel des Guten! Strafe muss sein!“
„Du genießt es sichtlich, immer alles zu deinem Vorteil auszulegen, nicht wahr?“, reize ich ihn bis aufs Blut.
„Vielleicht gefällt dir die Strafe ja. Nutze das kurze Zeitfenster, das ich dir gönne!“
„Dafür müsste ich zuerst wissen, was meine Strafe ist!“
Alain zwinkert Travis verschwörerisch zu, der schon Platz genommen hat und unser Wortgefecht amüsiert beobachtet. „Du wirst Travis zu einem Höhepunkt verhelfen …“
Mein Herz bleibt stehen. „Alain!“ Sein Name klingt wie ein Schimpfwort.
„Lass mich erst ausreden, Liebes. Du wirst für ihn kommen, ihm diesen glückseligen Gesichtsausdruck schenken, den ich so liebe, für ihn schreien, und er darf sich an deinem Körper ergötzen. Alles von einer gesunden Distanz aus. Travis wird sich selbst Erleichterung verschaffen, während er dir zusieht.“
Nervös blicke ich zu Travis. Dann wieder zu Alain. „Wer bist du und was hast du mit meinem Freund gemacht?“
„Alain. Was, wenn es ihr gefällt? Hast du das bedacht? Dann hat die Strafe ihr Ziel verfehlt.“
„Das Risiko gehe ich ein.“ Er mustert mich schmunzelnd.
„Darf ich verhandeln?“, melde ich mich heiser zu Wort.
„Tut mir leid. Ich gewähre keinen Verhandlungsspielraum.“
Da spricht er, der skrupellose Geschäftsmann. Alain, wie er leibt und lebt.
Anstatt endlich mit der angedrohten Maßregelung zu beginnen, ja, eine Bestrafung, denn ich glaube kaum, dass ich es genießen werde, spannen Alain und Travis mich auf die Folter.
Diese Teufel!
Die langweilige Diskussion über Sportwagen versus Geländewagen, ein banales Thema, das mich keineswegs interessiert und darum wohl bewusst gewählt wurde, schürt meine Ungeduld. Könnte ich wenigstens mitreden, würde es mich ablenken und die wirren Gedanken in meinem Kopf ausbremsen, gar stilllegen. Ich könnte meinem Kopfkino eine verdiente Pause gönnen.
Doch dieser Luxus wird mir nicht zugesprochen. Wenn ich nachmittags nicht geschlafen hätte, würde ich den Schlaf jetzt nachholen. Allerdings bin ich zu aufgedreht. Ich rutsche unruhig auf meinem Platz hin und her und kann das Sprudelbad gar nicht genießen. Aus Langeweile sichtlich unterfordert oder doch überfordert mit der Situation, muss ich mich auf andere Gedanken bringen. Ich halte es nicht mehr aus. Meine Fantasie geht langsam mit mir durch.
PS-Zahlen, Preise, Hubraum, Sekundenzahlen. Zahlen über Zahlen werden einander zugeschmettert …
Zahlen. Das ist es!
Ich fasse den Entschluss, meinen Tauchrekord von 48 Sekunden aus der Schulzeit zu brechen und werde unter Wasser die Sekunden zählen. Ich halte mir die Nase zu, fülle meine Lungen mit Sauerstoff, blähe meine Backen auf, Reserve kann gewiss nicht schaden, schließe zu guter Letzt meine Augen und tauche ab.
1, 2, 3, 4 … Nach und nach werden meine wirren Gedanken von Zahlen verdrängt … 25, 26, 27 … Das Wasser um mich herum wird unruhiger und plötzlich gehen die Düsen aus … 30, 31, 32. Ich werde von beiden Seiten an den Armen gepackt und aus dem Wasser gezogen.
„Verdammt! Irina!“
Meine Lungen füllen sich mit Sauerstoff. Ich inhaliere tief und grinse in die zwei völlig verstörten Gesichter. Alains Augen sind vor Schreck geweitet, das Gesicht kreidebleich.
„Beauty! Also, das ist mir bis jetzt noch nie untergekommen. Dachtest du wirklich, du könntest dich ertränken und so deiner Strafe entrinnen?“ In Travis’ Stimme höre ich ein gewisses Amüsement. Auch die Mundwinkel, die kaum merklich zucken, verraten, dass er mich durchschaut hat.
„32 Sekunden!“ Abermals nehme ich ein paar tiefe Atemzüge und trotzdem ersticke ich beinahe vor Lachen. „17 Sekunden länger und ich hätte meinen damaligen Rekord gebrochen“, keuche ich.
Alain blickt mich fassungslos an, löst den Schraubzwingengriff um meinen Arm und lässt sich kopfschüttelnd auf seinen Sitz sinken. Er versteht die Welt nicht mehr.
„Alain. Du solltest dein Gesicht sehen“, pruste ich.
Travis bedenkt mich mit einem warnenden Blick.
„Oh, du Biest! Du wirst gleich aufs Neue nach Atem ringen“, knurrt Alain, steht wiederum auf und zieht mich an seine Brust.
Unerbittlich nimmt er meine Lippen gefangen, seine Hand stützt meinen Hinterkopf und er schiebt mir gierig die Zunge in Mund. Stöhnend und mit weit aufgerissenen Augen setze ich mich gegen seine rabiate Art zur Wehr, schlage, stemme mich gegen seine starke Brust und versuche, ihn von mir zu stoßen. Doch ich komme gegen seine geballte Kraft nicht an. Mit einem resignierten Seufzer ergebe ich mich ihm, schließe die Augen und lasse mich erobern. Unsere Zungen liefern sich einen wilden Kampf. Ich bekomme kaum noch Luft.
Als die Lungen ihr Recht fordern, umfasst Alain meine Schultern und bringt mich mit mildem Druck dazu, mich umgekehrt auf seinen Schoß zu setzen. Scheu blicke ich dabei in Travis’ Augen, die mich lüstern anfunkeln. Er hat uns gegenüber Platz genommen, lehnt sich zurück, den Kopf relaxt auf seinen Arm gebettet, die andere Hand unter Wasser. Weder Schaum noch Bläschen verdecken seine Blöße und mir wird schlagartig klar, dass ihm ebenso wenig von mir verborgen bleibt.
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