Allerdings kann Liz doch unmöglich verlangen, dass ich so vor ein Rudel hungriger Wölfe trete? Außer dem Body und meinen High Heels habe ich nichts im Bad vorgefunden.
Ich öffne die Tür einen Spaltbreit und will Alain zu Hilfe rufen. Doch er wartet bereits auf mich, lehnt sich lässig an die Wand gegenüber und starrt nachdenklich auf sein Handy. Wahrscheinlich beantwortet er wieder irgendwelche E-Mails. Typisch! Auch im Urlaub kann er nicht abschalten.
Jedoch kann ich dem Abhilfe verschaffen.
„Alain“, flüstere ich und öffne die Tür ganz. Sofort wird mir seine gesamte Aufmerksamkeit zuteil und das Handy verschwindet in der Hosentasche seiner schwarzen Jeans. Ich muss schmunzeln. Wenn er mich weiterhin so anschmachtet, wird es wohl etwas eng darin werden.
Alain räuspert sich. „Dieses durchtriebene Biest! Dacht ich’s mir doch.“ Er schreitet zügig auf mich zu. „So willst du mir doch nicht etwa vor die Meute treten?“ Erst jetzt erblicke ich den Kimono, den Alain über dem Arm trägt. Er hält ihn mir hin, damit ich bequem hineinschlüpfen kann. „Wollen wir das Essen nicht überspringen?“, wispert er mir verheißungsvoll ins Ohr.
„Schatz, du hast mir so von Lizzys Pancakes vorgeschwärmt, die möchte ich mir wirklich nicht entgehen lassen …“
„Jetzt bekomme ich wohl die Quittung für heute Morgen?“, brummt er.
„Nein. Ich habe ungelogen einen Bärenhunger.“ Und wie aufs Stichwort knurrt mein Magen.
„Liebes. Was war denn vorhin los?“ Alain hält mich am Arm zurück und betrachtet mich besorgt.
„Corinne stresst mich ebenfalls mit der Hochzeit. Es gibt noch so viel vorzubereiten und sie hält mich und Tante Marie ganz schön auf Trab“, flunkere ich.
„Hmmm. Wie wär’s, wenn du dir nächste Woche freinimmst?“
„Wäre eine Überlegung wert.“
Alain nimmt mich in den Arm und drückt mir einen kurzen Kuss aufs Haar, bevor wir zusammen das Esszimmer betreten.
„Mmmmh. Liz. Die sind unübertrefflich!“, lobe ich die Köchin mit noch vollem Mund. „Sorry.“ Ich schlucke den Bissen runter. „Mmmmh.“ Ich komme aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus.
Sogar David, der neben mir sitzt, staunt nicht schlecht, als ich den vierten Pfannkuchen auf meinen Teller verfrachte. Er sieht ungläubig zu Alain, welcher mich ebenfalls mit großen Augen anstarrt. Sie fragen sich bestimmt: Wo steckt sie das denn alles hin?
„Was ist? Du, Alain, hast mit Lizzys Pancakes geprahlt und magst gerade mal zwei Stück essen und du, David, drei. Und ich habe gedacht, du würdest Koteletts zum Frühstück verspeisen.“
Alle brechen in schallendes Gelächter aus, selbst David. Erst als wieder Ruhe einkehrt, vernehme ich das Klingeln von Alains Handy. Ich sehe ihn fragend an, als er einen Blick aufs Display wirft. Das kurze, kaum merkliche Zucken seiner Mundwinkel macht mich stutzig.
Er zwinkert mir verschwörerisch zu, als er den Anruf entgegennimmt. „Hauptmann Meyer, wie geht es Ihnen?“
Ein entsetzter Aufschrei löst sich aus meiner Kehle und verstummt abrupt, da mir der letzte Bissen des Pfannkuchens im Halse stecken bleibt. „Mein Dad“, hüstle ich, als sich alle Augen auf mich richten. „Alain. Bitte. Lass mich mit ihm sprechen. Ich werde ihn besänftigen.“
Doch Alain winkt ab. „Herr Meyer. Ich bekenne mich schuldig im Sinne der Anklage. Ich habe Ihre Tochter spontan nach London entführt.“ Amüsement schwingt in seiner Stimme mit. Er erhebt sich vom Stuhl und schreitet lachend davon. „Morgen Nachmittag werden wir die Heimreise antreten. Ich versichere Ihnen …“ Die Tür fällt hinter ihm ins Schloss.
„Keine Sorge. Alain hat seine Kniffe und Tricks, Leute um den Finger zu wickeln. Spätestens nach fünf Minuten frisst dein Dad ihm aus der Hand.“ Travis legt mitfühlend seine Hand auf meinen Arm.
Bange Minuten des Wartens und des Bibberns liegen vor mir, bis Alain grinsend den Raum wieder betritt. Wortlos reicht er mir das Handy.
„Hauptmann!“, begrüße ich Paps.
„Tochter. Ich habe vernommen, dass du das Land verlassen hast?“
„Ich bin in London“, antworte ich kleinlaut.
„Du weißt, dass ich über solche Angelegenheiten gerne informiert werde.“
„Paps. Es kam ziemlich plötzlich. Alain hat mich mit der Reise überrascht.“
„Ich weiß. Er hat dich gekonnt verteidigt. Der Junge hat sich prächtig entwickelt …“
Junge? Wie war das jetzt gemeint? Paps muss Alain wohl noch von früher in Erinnerung haben. Ein Dorf, wo jeder jeden kennt. Gar nicht so abwegig, der Gedanke.
„Irina? Bist du noch da?“ Mein Vater holt mich aus meinen Gedanken.
„Ja, Paps.“
„Ich habe gehört, du arbeitest jetzt für Foster?“
„Hmhmhm“, summe ich.
„Es ist besser, Berufliches und Privates zu trennen. Dieses Arrangement ist ziemlich heikel. Foster senior ist ein gebranntes Kind, musst du wissen. Es verwundert mich, dass er sich darauf eingelassen hat. Aber wir werden ein andermal in Ruhe darüber sprechen. Genieße deinen restlichen Aufenthalt.“
„Danke, Paps. Werd ich machen. Wir sehen uns nächstes Wochenende zu Corinnes und Marcs Hochzeit. Hab dich lieb.“
Alain grinst wie ein Honigkuchenpferd, als ich auflege.
„Wie machst du das bloß?“, frage ich ihn verblüfft. Anerkennung mischt sich in meine Stimme.
„Wir haben einen gemeinsamen Nenner, Irina. – Dich!“
Nach einem geradezu harmlosen Gymnastikraum, einer kleinen Turnhalle, wie ich sie noch aus meiner Schulzeit und dem Turnunterricht kenne, ausgestattet mit Sprossenwand, Bock, Barren, Matten, Klettertau und Stange – nicht in meinen kühnsten Träumen hätte ich mir vorstellen können, was man damit alles anstellen kann –, zeigen Travis und Alain mir das Burgzimmer …
Ein Bett, dem eines Königs gleich: groß, stattlich, mit dicken, verschnörkelten Bettpfosten, dominiert den Raum. Ein Himmelbett. Doch so unschuldig dieses Zimmer im ersten Moment wirkt, werde ich eines Besseren belehrt, als ich genauer hinsehe und an jedem der Pfosten eine schwere silberne Eisenkette entdecke.
Ich schlucke trocken.
Das Bett ist wohl genau nach Alains Geschmack. Ich spüre, nein, ich weiß, dass er sich vor seinem inneren Auge gerade ausmalt, wie ich angekettet auf diesem Bett liege oder wie er mich an einen der Pfähle fesselt. Nicht mit einem Seil, nein, ich vermute, die tiefen Kerben oberhalb der zwei Bettpfosten am Fußende sind dafür vorgesehen, dass man die Ketten darüberwerfen kann und sie in den Furchen verankert bleiben.
Auch bei mir setzt sich eine Art Kopfkino in Gang und ich fühle im Geiste schon, wie sich das kalte Metall um meine Handgelenke schmiegt, das lackierte Holz, die Verzierungen sich auf meinem nackten Rücken abzeichnen und Alains warme, feuchte Lippen über meine Haut wandern, meine Sinne wach kitzeln und meinen Körper aufs Köstlichste verwöhnen.
Mmmmh! Ich presse meine Lippen und meine Schenkel zusammen.
Alain betrachtet jede noch so kleine Regung meines Gesichts und deutet meine Gestik. „Was in deinem hübschen Köpfchen wohl vorgehen mag?“ Er lächelt wissend, ist er doch ein Meister der Körpersprache.
Ich blinzle unter meinen langen, schwarzen Wimpern hervor und schenke ihm ein verliebtes Lächeln. Doch als ich im rechten Augenwinkel den beleuchteten Glasschrank erblicke, fange ich an, mich zu verspannen. Travis muss die Spots darin gerade erst eingeschaltet haben. Peitschen, Gerten, Rohrstöcke und Paddel stehen, ich vermute mit System geordnet, in der Vitrine. Meine Lust bekommt einen gewaltigen Dämpfer.
„Travis. Bitte etwas mehr Feingefühl“, ermahnt Alain seinen Freund.
Weiter wandert mein Blick zur schweren Kommode direkt daneben. Ihr Inhalt lässt sich nur erahnen, aber mit ziemlicher Sicherheit kann ich sagen, dass dort kleiner Krimskrams gehortet wird, der wohl jedes Sklavinnenherz höherschlagen lässt, wie schon zuvor bei den Schlaginstrumenten.
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