Sabine von der Wellen
Ein verhängnisvoller Wunsch
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Inhaltsverzeichnis
Titel Sabine von der Wellen Ein verhängnisvoller Wunsch Dieses ebook wurde erstellt bei
Isabels verlorene Träume
Ein neuer Weg
Eine erschreckende Erkenntnis
Der Vergangenheit ausgeliefert
Die Maifeier
Die Ernüchterung
Keine Zeit für Träume
Eine ungewisse Zukunft
Cedrics Hoffnung
Die Geister, die sie rief
Des Schicksals langer Arm
Nicht immer gibt es ein Happy End
Epilog
Impressum neobooks
Weiches, trostspendendes Licht drang von der Straßenbeleuchtung in das halbdunkle Wohnzimmer. Von dem Lärm auf der Straße war kaum noch etwas zu hören. Manchmal fiel ein bunter Lichtschimmer auf die Wand gegenüber dem Fenster und fernklingendes, dumpfes Donnern rollte durch die kleine, gemütliche Wohnung.
Die Kerze auf dem kleinen Tisch war schon lange heruntergebrannt und die schön geschmückte und zum Essen angerichtete Tafel im Halbdunkel versenkt. Ein paar Luftschlangen hingen schlapp von der Lampe herunter und berührten fast den Hals der leeren Sektflasche.
Plötzlich durchbrach das nahe Kreischen eines der letzten Feuerwerkskörper dieser Silvesternacht die Stille und langsam kam Bewegung in die Gestalt vor dem kleinen Sofa.
„Verdammt!“
Leise und gehemmt drang dieser Laut aus dem rot angemalten Mund, dessen Farbe sich bis zum Wangenknochen verschmiert hatte.
„So eine verdammte Scheiße.“
Langsam schob Isabel sich von dem dunkelblauen Teppich hoch und hielt sich noch einen Moment an der Sofalehne fest, um sich dann stöhnend auf die Füße zu ziehen.
Leicht schwankend bemühte sie sich darum, einige Schritte vorwärtszutun. Doch die Koordination ihres Körpers wollte sich offenbar nicht ihrem Willen unterwerfen. Seufzend versuchte sie es erneut, als sich plötzlich etwas in ihrem Magen aufbäumte, als hätte sie ein Wildpferd verschluckt.
Eine Hand vor den Mund reißend, lief sie mit wankenden Schritten zur Toilette und schaffte es gerade noch rechtzeitig, sich über der Schüssel auf die Knie fallen zu lassen. Dort erbrach sie sich und suchte blind nach dem Papier, um sich den Mund abzuputzen. Ein bitterer Geschmack breitete sich auf ihrer Zunge aus und wieder schüttelte sich ihr Körper in Würgekrämpfen.
Der Geruch von Erbrochenem erfüllte den Raum und sie hob schwerfällig den Arm und drückte die Toilettenspülung. Glucksend verschwand die stinkende Flüssigkeit aus Alkohol und Gallensaft im Toilettenschlund.
Einige Zeit blieb sie noch benommen vor der Toilette hocken, bevor sie erneut versuchte, sich auf die Füße zu stemmen.
Ihr Blick fiel auf den kleinen Spiegel über dem Waschbecken. Dunkel verschmierte Augen und ein entsetzlich entstellter Mund sahen ihr Mitleid heischend entgegen. Sprenkel von Erbrochenem verdunkelte das schöne Blau ihres Kleides.
Der Mund öffnete sich und leise drangen aufgebrachte Worte daraus hervor. „Du kotzt mich an!“
Kurz starrten ihr die Augen noch dümmlich aus dem Spiegel entgegen, dann verändert sich deren Ausdruck und der Mund verzog sich breit. Glucksendes Lachen brach in einer Fontäne über das kleine Badezimmer herein.
„Du kotzt mich an! Hahaha! Du kotzt mich wirklich an. Ja, das hast du tatsächlich getan.“
Niveaulos und heruntergekommen. Und dann lachst du auch noch darüber. Ganz schön tief gesunken und sowas von erbärmlich.
Augenblicklich verzog sich ihr Mund und das Lachen wurde von einem Schluchzer abgelöst. Die verschmierten Augen fingen zu glänzen an. Tränen quollen aus ihnen hervor und der eben noch fröhlich gestimmte Gesichtsausdruck wurde zu einer weinerlichen Grimasse.
Isabel schlug die Hände vors Gesicht und wankte laut schluchzend ins Wohnzimmer zurück. Dunkelheit umschloss sie, die plötzlich jäh unterbrochen wurde.
Den Lichtschalter mit der Hand umschließend, sah sie sich verweint in dem Raum um.
Das Essen auf dem kleinen Tisch war nicht angerührt worden. Eine leere Sektflasche stand wie eine Trophäe mitten auf dem Tisch platziert, und eine lag vor dem Sofa auf dem Boden. Die Kerze auf dem Tisch war schon lange in ihrem Halter ausgebrannt und Kälte lag über allem.
Fröstelnd schlich sie zu ihrem Sofa und zog die Decke um ihre Schultern, als ein roter, leuchtender Punkt auf dem kleinen Beistelltisch ihre Aufmerksamkeit forderte.
Schnell warf sie die Decke zur Seite und lief, schwankend wie ein alter Kutter auf hoher See, um das Sofa herum zu dem kleinen Tischchen.
„Er hat doch noch angerufen! Bestimmt hatte er eine Panne oder einen Unfall … auf dem Weg zu mir,“ schoss es ihr dabei hoffnungsvoll durch den Kopf und sie drückte auf den Knopf des Anrufbeantworters, die letzten versiechten Tränen aus den verschmierten Augenwinkeln wischend. „Er hat mich nicht absichtlich sitzengelassen.“
Eine Stimme erklang.
„Isabell, ich kann heute nicht mehr kommen. Wir haben noch Besuch, und da kann ich mich unmöglich loseisen. Tut mir leid.“ Seine Worte waren geflüstert und nur heimlich an sie gerichtet. Dahinter Gelächter und Partystimmung.
Mit einem gequälten Aufschrei riss Isabel den Anrufbeantworter vom Tisch und ließ ihn zu Boden krachen. Dann richtete sie sich auf und stand unschlüssig da.
Eine dumpfe Wut machte sich in ihrem Inneren breit, dehnte sich bis in die letzten Poren aus und ließ sie erzittern. Diese Wut hatte sie fast den ganzen Abend begleitet, wenn sie nicht gerade von dem Elend abgelöst wurde, dass ihr immer wieder ihr trostloses Leben vor Augen gehalten hatte.
Langsam griff sie zum Telefonhörer und wählte eine Nummer. Schon als sie den Hörer an ihr Ohr hielt, überkamen sie die Zweifel.
Was machst du da? Du wusstest doch, dass er verheiratet ist. Er hat eine Familie, mit der er feiert. Das war dir doch klar!
„Berger.“
Das war seine Tochter Jasmin. Sie war einen Tag zuvor zwölf Jahre alt geworden und durfte Silvester das erste Mal mitfeiern.
„Falsch verbunden“, klang es müde und traurig durch den Raum. „Entschuldigung!“
Grüß deinen Vater, hätte sie am liebsten noch voller Boshaftigkeit gerufen. Doch ihr Gewissen verbat ihr das. Schnell schmiss sie den Hörer auf die Gabel, als wäre er glühend heiß. Das alles war so ungerecht, so grausam. Alle feierten diesen Tag, nur sie war allein Zuhause und hatte vergeblich auf einen Mann gewartet, der viel lieber mit seiner Familie feierte.
Alles umsonst. Das schöne Essen, sein Lieblingssekt, für den sie durch fünf Geschäfte gelaufen war, bis sie ihn endlich gefunden hatte und das schöne, blaue Kleid mit der blauen Spitzenunterwäsche und den Strapsen darunter. Sie hatte sich so herausgeputzt, um ihm und sich eine wunderschöne Silvesternacht zu bescheren und ihn seine angeblichen Probleme mit seiner Familie vergessen zu lassen. Schließlich mochte sie ihn wirklich, und hatte auch ein Anrecht auf etwas Glück.
Aber doch nicht mit einem verheirateten Mann!
Langsam ging Isabel in das angrenzende Schlafzimmer, drückte auf den Lichtschalter und sah sich in dem großen Spiegel ihres Schrankes an. Auch hier waren die Kerzen heruntergebrannt. Sie hatte Glück, dass ihre selbstvergessene Unachtsamkeit ihr nicht die Wohnung unter dem Hintern weggebrannt hatte.
Ein gequälter Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht, als sich sofort die Erinnerung an den Brand in ihrer Kindheit in ihren Kopf schob. Sie sah sich und ihre Schwester Karin im Schlafanzug und unter einer Decke geschützt aus dem großen Dielentor eilen, von ihrem Vater vor sich hergetrieben. Er selbst war hinter ihnen keuchend zusammengebrochen. Ihre Mutter war zu ihm gerannt und hatte ihn am Arm weitergezogen, mit einem Aufschrei Isabel auffordernd, ihr zu helfen. Zusammen hatten sie ihren Vater weggezerrt, während das alte, schöne Haus ihrer Kindheit vor ihren Augen in hellen Flammen aufgegangen und zusammengefallen war. Und damit hatte ihre ganze schöne Kindheit geendet. Das war der Auftakt zu einem neuen Leben, dass allen Glückes beraubt war. So kam es Isabel zumindest in diesem Augenblick vor. All ihr Glück in ihrem Leben war damals in dieser einen Nacht verbrannt.
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