Sabine von der Wellen
Auf ihren Spuren
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Sabine von der Wellen Auf ihren Spuren Dieses ebook wurde erstellt bei
Die Geheimnisse von Cecilia Hyde
Marco
Jeannie
Eine neue Welt
Joel Jekyll
Der Tresor
Marcos Geschichte
Mieses Leben
Neues über Cecilia
Lisa
Joel Hyde
Das Jeannie Programm
Eine neue Hoffnung
Eine Entscheidung
Impressum neobooks
Die Geheimnisse von Cecilia Hyde
M ein lieber Joel,
wenn du diesen Brief in den Händen hältst, werde ich nicht mehr bei dir sein.
Ich werde dich schrecklich vermissen, denn du warst mein Sonnenschein, meine Luft zum Atmen und das Beste, was mir je passiert ist. Ich weiß, dass du das Einzige sein wirst, dass ich aus ganzem Herzen vermisse werde, egal wo ich jetzt bin.
Mein Leben lief nicht immer so, wie ich es mir wünschte, doch es lief immer so, wie ich es verdient habe. Darum hadere nicht mit dem, was passierte und dich diesen Brief erhalten ließ, sondern lebe dein Leben. Ignoriere alles, was dir zu Ohren kommen kann und behalte mich so in Erinnerung, wie du mich kanntest. Denn das ist der wertvolle Teil von mir, den nur deine Geburt in mir zum Klingen brachte.
Bitte sei dir immer im Klaren, dass ich die Liebesfähigkeit, zu der ich wohl doch im Stande war, nur über dich ausgebreitet habe. Über niemanden sonst. Vergiss das nie und ignoriere alles, was dir etwas anderes Einreden will. Bewahre mich in deinem Herzen und forsche nicht nach dem, was mich in ein anderes Licht rückt, als in das, was du bei mir kanntest. Das ist das einzige, um was ich dich aus ganzem Herzen bitte. Bleib mein mutiger Prinz, der sein Leben meistert.
Deine dich immer liebende Mutter
Zu spät!
Ich zog vor acht Wochen in diese Wohnung, die sich als eines der vielen Geheimnisse meiner Mutter entpuppte. Hätte mir jemand gesagt, dass sie die Hüterin vieler Geheimnisse war und ein Doppelleben führte, ich hätte es nicht geglaubt. Aber seit ihrem Tod werde ich ständig eines Besseren belehrt.
Ich bin siebzehn Jahre alt, Einzelkind, hatte nie einen Vater und habe nun auch keine Mutter mehr. Sie starb vor fünf Monaten bei einem Unfall und war alles, was in meinem Leben Bedeutung hatte. Allerdings erkannte ich das erst, als es schon zu spät war. Wer denkt auch schon daran, dass eine Mutter auch sterben kann?
Klar, als Siebzehnjähriger ist man sich sowieso sicher, dass man keine Mutter braucht. Man fühlt sich schon lange als Beherrscher seiner Welt und über alles erhaben. Vor allem über das, was eine Mutter noch meint, einem mit auf den Weg geben zu müssen. Man tut es als unwichtig ab und hält sie für spießig, weltfremd und völlig unwissend. Sie ist halt nur eine Mutter!
Aber wenn man dann aufwacht und erkennt, dass sie für immer weg ist, dann ist die Welt auf Schlag eine andere. Mit dem Tag sinkt auch die Herrschaft über das eigene Reich in sich zusammen und alles gleicht einem Trümmerfeld.
Die Leute sagen, man erholt sich von dem Verlust und das Leben geht weiter. Klar geht es weiter. Aber wie?
Der Ort, an dem ich jetzt lebe, war eins von Mamas Geheimnissen. Sie hatte diese Wohnung vor zwei Jahren gekauft, ließ uns aber weiterhin in der Mietwohnung wohnen. Mein Onkel meinte, dass sie bestimmt nur abwarten wollte, bis ich die Schule beendet habe. Aber sorry … eine kleine Erwähnung, dass wir Wohnungsbesitzer sind, wäre schon angebracht gewesen. Außerdem bin ich alt genug, um einen Schulwechsel zu verkraften oder eine längere Busfahrt in Kauf zu nehmen.
Ich war ja immer für ein Moped. Aber das war meiner Mutter zu gefährlich. Ich hätte ja einen Unfall haben können.
Tzzz, lachhaft. Sie hat es sogar zu Fuß erwischt. Mitten in der Nacht, mitten in einer erhellten Stadt zu einer Zeit, wo es kaum mehr jemanden auf die Straße treibt …
Dass es diese Wohnung gibt, offenbarte sich mir bei der Testamentseröffnung vier Wochen nach ihrem Tod, bei der auch mein Onkel Andreas, Mamas einziger Bruder, und Michelle, die Mitbesitzerin ihres Internetcafes, anwesend waren. An dem Tag erbte ich diese Wohnung und sogar Bargeld in Höhe von 25000 Euro. Mein Onkel erhielt Mamas Anteile an seiner Baufirma zurück und Michelle … sie bekam mich als Mitbesitzer mit 20% Anteilen am Internetcafe. Die anderen dreißig Prozent meiner Mutter gingen an Michelle, weil sie ihr keine Hilfe mehr sein wird.
Mein Onkel hatte mich nach dem Unfall meiner Mutter zu sich geholt. Aber er ist selbst alleinstehend, hat eine Baufirma und drei Kinder. Mir war klar, ihn beglückte der Umstand nicht, dass er mich auch noch am Hals hat. Und weil sein ältester Sohn Timo nach den Sommerferien in die Stadt ziehen musste, um sein Studium beginnen zu können, hatten wir die Idee mit der WG in der von mir geerbten Wohnung. Er möchte Lehrer werden.
Timo und Lehrer. Die armen Schüler!
Ich fragte mich immer, wie meine Mutter sich eine Wohnung überhaupt leisten konnte und woher sie so viel Geld hatte. Aber mittlerweile ahne ich so manches.
Da ich noch nicht achtzehn bin, hat mein Onkel das Sorgerecht. Mir war von Anfang an klar, dass er keinen Bock hat, sich um noch einen Jugendlichen zu kümmern. So ließ er mich und Timo in meine Wohnung ziehen. Außerdem wohnen Katja und Manuell noch hier. Das Ganze schimpft sich WG.
Katja war Timos Wahl, Manuel ganz klar meine. Er ist ein Computerfreak und wurde für mich in den letzten Wochen zu einem Freund, der einige Geheimnisse meiner Mutter mit mir lüftete.
Zu unserem Domizil gehört ein großes, gemeinsames Wohnzimmer, eine ultramoderne Küche und ein riesiges Badezimmer mit einer ultramodernen Dusche. Alles war fast ungebraucht - bis auf mein Zimmer. Das hatte meine Mutter wohl hin und wieder bewohnt, wenn sie in der Stadt war und ich glaubte, dass sie eine ihrer Nachtschichten in ihrem Internetcafe hatte oder auf einer Geschäftsreise war. Daher wollte ich da unbedingt einziehen. Es lässt mich etwas von der Cecilia erspüren, die sie außerhalb unserer vier Wände und meines behüteten Lebens war. Der anderen Cecilia.
Dieser Brief von ihr, den ich am Tag der Testamentseröffnung neben der Wohnung und dem Geld erhalten hatte, ist mir mehr wert, als alles auf der Welt. Er ist für mich wie eine Verbindung zu ihr, die noch nach ihrem Tod besteht. Er gibt mir das Gefühl, dass ich sie noch nicht ganz verloren habe.
Aber dass sie ihn verfasste, erschreckt mich. Schließlich zeigt das, dass sie mit ihrem Tod rechnete. Wer tut das schon? Und ihre Bitte kann ich ihr nicht erfüllen. Wie soll man das auch können, wenn man plötzlich feststellt, dass die eigene Mutter ganz offensichtlich ein Jekyll and Hyde war.
Es ist jetzt fünf Monate her, als ich nach der Schule nach Hause kam und zwei Polizeibeamten an der Tür klingelten, bevor ich noch die Jacke ausziehen konnte.
Damit begann für mich ein rabenschwarzer Tag. Der schlimmste in meinem Leben.
„Joel Kammlagen?“
Ich hatte sofort ein schreckliches Gefühl, dass etwas passiert war.
Noch heute wundere ich mich darüber, dass mich da erst dieses Gefühl beschlich und nicht dreizehn Stunden zuvor, als Mama mich und die Erde verließ.
Ich habe einige Zeit damit verbracht zu ergründen, was ich in dem Moment getan habe, als sie starb und warum ich das nicht spürte. Naja, ich weiß nicht, ob ich nichts spürte. Ich habe geschlafen. Als meine Mutter sich aus meinem Leben stahl, lag ich in meinem Bett und habe einfach nur geschlafen.
Читать дальше