GAY HARDCORE 22
Erziehung bei Monsieur Laurent
Maik Keller
Gay Hardcore 22
© 2021 Bruno Books
Salzgeber Buchverlage GmbH
Prinzessinnenstraße 29, 10969 Berlin
buch@salzgeber.de
Umschlagabbildung: © Lucas Entertainment
lucasentertainment.com
(Models: Tomas Brand und Max Adonis)
Printed in Germany
ISBN 978-3-95985-424-5
Die in diesem Buch geschilderten Handlungen sind fiktiv.
Im verantwortungsbewussten sexuellen Umgang miteinander gelten nach wie vor die Safer-Sex-Regeln.
Alte Schule
Handarbeit
Korrekturen
Fördern und fordern
Karambolage
Fortbildung im Dampfbad
Merci, Maître
Kraftdreikampf
Schlagende Verbindung
Götter und ihre Lieblinge
Antoine kam gern nach Nanterre. Er beklagte sich zwar darüber, Wochenende für Wochenende, manchmal sogar Nacht für Nacht die zivilisierte Welt verlassen zu müssen, um seine Freizeit mit dem ›Mann seiner Alpträume‹ in der Provinz zu verbringen, doch abgesehen davon, dass sie ›im Nirwana‹ lag, fühlte er sich in Laurents Wohnung wohl. Die Verbindung nach Paris war, obwohl er immer das Gegenteil behauptete, ausgezeichnet, und die Wohnung lag nur wenige Minuten von der RER-Station entfernt. Antoine gewöhnte sich an den atemberaubenden Blick von der Dachterrasse auf die imposanten Hochhäuser und den Großen Bogen von La Défense, und er genoss die Sonnenuntergänge mehr als er zugab. Mit Inbrunst und Ausdauer wässerte er die Olivenbäume, die Laurent nicht richtig pflegte und die er seiner Meinung nach mehr als einmal vor dem Verdursten gerettet hatte.
Antoine lebte mit Männern zusammen, die er als seine Freunde bezeichnete und mit denen er, wie Laurent seinen Erzählungen entnahm, trotz seines insgesamt sehr abwechslungsreichen Geschlechtslebens keinen Sex hatte. Sie wohnten in wechselnder Anzahl und Besetzung, aber meistens zu viert, in einer winzigen, unpraktischen und völlig überteuerten Wohnung – aber eben Métro Oberkampf.
Antoine fand heraus, dass es in Nanterre ein Programmkino gab. Die Vorstellung, ›in der Pampa‹ ins Kino zu gehen, löste bei ihm zwar eine Art Panikattacke aus, aber er hatte keine Wahl: Ein preisgekrönter Film, den er unbedingt sehen wollte, in den großen Sälen von Paris aber verpasst hatte, war, oh Wunder!, als Spätvorstellung im Programmkino der ›Peripherie‹ noch zu sehen. Laurent verfolgte skeptisch, wie Antoine Eintrittskarten online kaufte und stellte beeindruckt fest, dass sie mit dem Strichcode auf dem Smartphone tatsächlich durch die Einlasskontrolle kamen. »Willkommen in der Welt«, sagte Antoine.
Laurent gefiel der Film. Antoine erklärte, der Film könne einem nicht einfach nur ›gefallen‹; es handle sich um nichts anderes als ein kinematographisches Meisterwerk. Auf dem Rückweg hielt er Vorträge über die Mitwirkenden, deren russisch klingende, tatsächlich aber kirgisische Namen Laurent noch nie gehört hatte. Laurent spürte, dass von seiner Seite mehr Begeisterung gefragt war, und erwähnte einige Szenen lobend – die allerdings genau jene waren, in denen sich der Regisseur laut Antoine dem Mainstream-Geschmack angebiedert hatte. Die Laune des jungen Mannes verschlechterte sich.
Um gut Wetter zu machen, schlug Laurent vor, das kommende Wochenende in Paris zu verbringen und in Antoines Wohnung zu übernachten. Antoine lehnte den Vorschlag wieder einmal derart kategorisch ab, dass Laurent sich fragte, ob es heutzutage in einer Wohngemeinschaft immer noch – oder schon wieder – ein Problem sei, einen Mann nach Hause zu bringen und mit ihm Sex zu haben.
»Das ist überhaupt kein Problem«, meinte Antoine grimmig. »Das Problem ist: wenn wir dort das machen, was Sie unter Sex verstehen, dann rufen die sofort die Polizei.«
Laurents schüchtern vorgebrachten Einwand, es geschehe ja alles zwischen ihnen freiwillig und in gegenseitigem Einverständnis, wischte er mit einem höhnischen Lachen weg: »Wenn ich dann noch sage, dass ich das freiwillig mache, komme ich mein ganzes Leben nicht mehr aus der Psychiatrie raus.« Und nach kurzem Nachdenken: »Es gibt Therapieansätze, da wird diese Art von Freiwilligkeit sofort und ohne weitere Nachfragen mit Medikamenten behandelt.«
Antoine setzte sich in den Kopf, ein Baguette zu kaufen, aber die Bäckereien hatten um diese Uhrzeit natürlich schon geschlossen – noch geschlossen, wie Laurent nach einem Blick auf die Uhr anmerkte –, was Antoines Stimmung weiter verdüsterte. Als sie zu Hause ankamen, war sie auf dem Tiefpunkt.
Im Aufzug küssten sie einander, und zwar die gesamte Fahrt über und derart leidenschaftlich, dass Laurent dachte, Antoines schlechte Laune habe sich gelegt. Dem war aber nicht so; als die Aufzugstür sich öffnete, ließ Antoine ihn los und ging mit starrem Blick die Treppe nach oben. Laurent schloss die Tür auf, und Antoine ging ins Wohnzimmer, wo er sich aufs Sofa fallen ließ. Er hielt es nicht lange aus; er stand wieder auf, öffnete die Terrassentür, ging hinaus, lehnte sich über das Geländer, winkte den gewaltigen, hell erleuchteten Wolkenkratzern zu und entschied, dass man trotz der kühlen Witterung – es war kein schöner Sommer – draußen essen würde.
Laurent bereitete den kleinen Imbiss vor. Antoine wartete geduldig auf dem Liegestuhl, den Laurent gekonnt für ihn aufgeklappt hatte, bis er mit den Vorbereitungen fertig war.
Die Nacht war sternenklar. Trotz des Lichts über der Stadt konnte Antoine allmählich bestimmte Planeten und Sternbilder erkennen und ihren Lauf verfolgen, besonders der Mars fiel ihm ins Auge, wegen seines rötlichen Schimmers. Über dem T-Shirt, das er bei jedem Wetter anhatte, trug er eine Jacke, weil es kühl und windig war. Unten war er inzwischen nackt, wie Laurent bemerkte, als er Wein und Tee hereinbrachte; er legte die Jeans, die Antoine unterwegs hatte fallen lassen, über eine Stuhllehne. Das neue Schwanzpiercing, ein dicker, silbrig blitzender Metallring, müsse an die frische Luft, erklärte Antoine, weil es so viel größer sei als das alte; sonst könne sich sein Schwanz entzünden. »Was Ihnen vermutlich egal wäre – mir und einigen anderen aber nicht.«
Laurent goss die Getränke ein: Es war angerichtet. Antoine erhob sich aus dem Liegestuhl und setzte sich an den Tisch.
»Wirklich frisch heute«, meinte Laurent.
Antoine biss ein gewaltiges Stück Käse ab und zeigte auf die Knopfleiste von Laurents Hemd.
»Aufmachen«, sagte er.
Laurent schüttelte den Kopf.
»Heute ist ein Tag des geschlossenen Hemds, definitiv«, sagte er.
»Wenn ich sage definitiv, ist es auch nie definitiv«, maulte Antoine mit vollem Mund.
Laurent trank einen Schluck Wein.
»Das ist eben der Unterschied«, meinte er.
»Und worin besteht er genau, dieser Unterschied?«
Nach jenem ersten Abend auf der Dachterrasse hatte Antoine erklärt, er gehe jetzt, und zwar für immer, wenn Laurent ihm nicht verspreche, dass so etwas nie wieder vorkomme. Laurent antwortete erst gar nicht, dann ausweichend, aber Antoine ließ nicht locker. Schließlich gestand Laurent, er könne das nicht versprechen, und er wolle es auch gar nicht, und Antoine war gegangen.
Laurent hatte in diesen Dingen keinen Stolz: Nach wenigen Tagen schrieb er Antoine und bat ihn, zurückzukommen, weil er es ohne ihn nicht aushalte. Das war nicht nur so dahergesagt: Er hielt es schlicht und einfach ohne ihn nicht aus.
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