»Warum denn ein Problem?«, fragte Bernard.
»Ja, habe ich auch gefragt«, meinte Laurent.
Sein Glas war leer.
»Es sei die Erwartungshaltung, hat er mir erklärt. Alle dürften doof sein, oder mal was Doofes machen, oder sagen, nur er nicht. Und reibt dabei unverändert heftig meinen Schwanz; ich sag’s dir …Wenn andere was Dummes sagten oder machten, sei das normal, aber bei ihm, da heißt es immer: du , bei deiner Intelligenz! Und drückt mir auf die Eier, dass ich kurz zusammenzucke, und schaut mich an, während er weiterreibt, und sagt: dass er sich mit mir trifft, das sei natürlich auch kein Zeichen für einen IQ im Geniebereich. Es waren nicht mehr viele Leute im Zug, aber einige doch, und es wurde immer schwerer, unbeteiligt zu wirken. Und er stellt auch fest, ich hätte ja jetzt einen ziemlich Harten, und schlägt vor, ob wir doch mal nachsehen, ob die Toilette wirklich so eng und schmutzig ist, und seine Finger verleihen seinem Vorschlag Nachdruck. Ich meine, er hatte mich da in jeder Hinsicht in der Hand … Und was ich auf einmal gegen eng hätte, fragt er und grinst frech, eng, das sei sein Arsch ja auch, und schmutzig seien seine Gedanken, und überhaupt: vielleicht sei es ja eine Behindertentoilette, die wären groß und sauber, und fährt mit kräftigen Bewegungen an meinem … Harten auf und ab.«
Bernard kratzte sich am Kopf.
»Hm«, meinte er.
Laurent seufzte.
»Ich meine, ich bin ja auch nur ein Mensch«, sagte er nach einer Weile. »Es war dann aber keine Behindertentoilette.«
Bernard räusperte sich.
»Er schimpft erst, wie unmöglich er es findet, dass ein Zug, der so lange unterwegs ist, keine Behindertentoilette hat; es kann doch nicht sein, sagt er in einem Ton, als sei ich dafür verantwortlich, dass man immer noch nicht begreift, dass, wenn man was für Randgruppen tut, dass das dann auch der Gesamtgesellschaft zugutekommt – regt sich dann aber ab, als meine Hose auf ist, und das Ding da so erwartungsfroh heraussteht, geht in die Knie und tut sein Bestes. Dass er sich auszieht war natürlich nicht drin, bei so wenig Platz, und ich bin lieber stehengeblieben, weil: die Brille … über deren Zustand hatte er sich am meisten aufgeregt. Er kam insgesamt mit den beengten Verhältnissen nicht klar, muss man sagen, so langgliedrig, wie er dann eben doch ist: was er da ablieferte, war nicht auf dem Niveau, was er schon mal hatte. Lutschte bisschen einfallslos am Stängel rum.«
»Klingt nicht gut.«
»War’s auch nicht – gar kein Vergleich mit … wie hieß der, der das damals im TGV so teuflisch gut gemacht hat?«
Bernard überlegte: »Xavier?«
»Auch ein Xavier, stimmt«, sagte Laurent. Und seine Gedanken verloren sich in Erinnerungen …
Auch Bernard schwieg.
»Ich meine, im TGV, da ist das alles nochmal enger«, sagte Laurent nach einer Weile. »Aber der war …«
»Ja«, meinte Bernard mit trockenem Hals, »der wusste wirklich , worum es geht. Der war hochbegabt.«
Es entstand eine Pause; Bernard schien nachzudenken.
»Weißt du«, sagte er schließlich, »ich glaube, die haben im TGV auch was verkleinert. Ich meine, damals passten wir da zu zweit rein, mit diesem … Xavier noch dazwischen – das geht heut gar nicht mehr. Und das kann ja nicht nur an uns liegen, dass wir derart zugelegt hätten – Moment …«
Es gab eine Pause.
»Na endlich!«, rief er freudig. »Boarding!« – nur um einige Augenblicke entsetzt aufzustöhnen: »Die Schlange! Wenn du diese Schlange sehen würdest …«
Schicksalsergeben atmete er durch. »Na gut«, sagte er ruhig.
»Wie dem auch sei«, meinte Laurent, »so richtig schlecht war es natürlich auch nicht, und als dann Weichen kamen … da hat er recht, das spürt man ja im TGV nicht, aber in so einem Regionalzug, muss ich ehrlich sagen … doch, das überträgt sich, wenn man da so unkalkulierbar aufeinandergeworfen wird: Da musste er dann wirklich bloß hinhalten, das hat schon von sich aus was ganz Spezielles, wenn’s einen so schüttelt. Naja, dann wurde Oissel ausgerufen, und wir mussten abbrechen. Unverrichteter Dinge, was ihn aber nicht gestört hat; er fand’s trotzdem geil, wie er mir strahlend verkündet, als wir im Gang sind, weil: irre versaut.«
»Das konntest du ihm nicht abgewöhnen, dieses ewige: versaut?«, fragte Bernard.
»Nicht wirklich«, meinte Laurent. »Ob ich denn jetzt eingesehen hätte, fragte er ganz selbstbewusst, dass meine Vorurteile gegen Zugtoiletten völlig unbegründet seien … und war enttäuscht, als ich gesagt hab, dass das nun nicht besonders gut war, was er da abgeliefert hat, und dass das nicht nur an dem engen Raum lag; und dass es schade ist, dass er das selbst nicht merkt. Bemerkungen zum Thema hochbegabt habe ich mir verkniffen, er war auch so ziemlich geknickt, als er aus dem Zug stieg.«
»Das geht manchmal nicht anders«, meinte Bernard. »Sonst halten sie sich gleich für Überflieger.«
»Auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof sahen wir schon von weitem diese wirklich nicht zu übersehende Riesenkarre stehen; er wusste sofort Marke, Typ und Leasingrate, und als ich sagte, dass das der Wagen sei, mit dem wir abgeholt werden, wurde die Stimmung schlagartig besser. Einen erneuten Dämpfer erhielt sie, als ich ihm auf dem Rücksitz eine geknallt hab.«
Bernard räusperte sich: »Einfach so?«
»Ergab sich so«, meinte Laurent. »War aber auch allmählich dran.«
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.