Unter der Jacke war sie nackt, zumindest lag darunter ihr bloßer Leib. Ich erkannte, dass ein Teil ihres Körpers von Kunsthaut bedeckt war. Schwach konnte ich auch die schmalen, weißen Narbenlinien eines Laserskalpells ausmachen. Sie schienen den ganzen Körper zu umlaufen. An ihrer Computersimulation war mir Derartiges nie aufgefallen. Ihre Brüste waren klein und fest, die Brustwarzen aufgerichtet. Sie bemerkte, dass ich sie anstarrte.
»Zieh dich aus und leg dich dort hin«, sagte sie und wies mit der Hand auf eine Liege.
Ich entkleidete mich und ließ die Sachen auf den Boden fallen. Es war unangenehm kalt im Zimmer. Fröstelnd legte ich mich hin.
»Auf den Bauch«, sagte sie und hockte sich neben mich. Ihre zugeschliffenen Nägel kratzten über meinen Rücken. Sie stand auf, verließ das Zimmer und kehrte mit einem schwarzen, quadratischen Metallkasten auf Rollen, der ihr bis zu den Knien reichte, zurück. Sie verband mehrere Anschlüsse mit einem kleinen Monitor, löste ein bleistiftgroßes Gerät aus seiner Halterung und fuhr mir damit über den Rücken. Grüne Zahlenkolonnen erschienen auf dem Monitor, unterbrochen von grafischen Umrissen des menschlichen Körpers. Sie führte die Spitze des Gerätes meine Wirbelsäule entlang und drückte es zwischen die Schulterblätter. Heiß stieß mir ein plötzlicher Schmerz in den Schädel. Durch meine Wirbelsäule flutete geradezu stoffliche Kälte. Ich stöhnte. Ihre Hand glitt beruhigend über meinen Rücken.
»Ich muss erst die Blockade lösen«, sagte sie. »Sonst bekommst du keine Erektion. Das ist etwas anderes als im Cyberspace!«
Ich wollte den Arm hochziehen, doch ich konnte ihn nicht mehr bewegen. Ein dumpfes, taubes Gefühl lähmte mich.
»Gleich vorbei«, sagte sie leise. »Ich habe so etwas noch nie gemacht. Aber es sieht gut aus.«
Sie nahm den Stift von meiner Wirbelsäule und drehte mich auf den Rücken. Ich fühlte mich völlig unbeteiligt, beobachtete jedoch mit wachsender Faszination, was sie als Nächstes tun würde. Langsam wich das Gefühl der Taubheit. Ich rieb meine prickelnden Fingerspitzen.
Sie zog eine Spritze auf und injizierte mir vorsichtig einen Teil der gelblichen Flüssigkeit in den Oberarm. »Es wird deine Seele öffnen. Ich habe lange gebraucht, um den Stoff zu bekommen.« Sie zog die Nadel heraus und injizierte sich die zweite Hälfte.
»Schließ die Augen«, flüsterte sie.
Ich gehorchte, spürte aber ihre tastenden Hände. Meine Haut sog gierig ihre Wärme auf, ihre Berührungen. Als sie mich küsste, waren ihre Lippen trocken und kalt. Sie setzte sich langsam auf mich, und ich fühlte, wie ich in sie drang. Ihr Körper schmiegte sich an mich, ich verspürte die beginnende Wirkung der Droge. Sie begann mit langsamen kreisenden Bewegungen und ich bemerkte, wie sie sich mit den Händen rechts und links von meinem Kopf abstützte. Ich öffnete die Augen. Mein Blickfeld war seltsam eingeengt, verzerrt und wurde nach und nach von anderen Bildern überlagert.
»Ich habe vor zwei Wochen meine Regel erzwungen.« Ihre Stimme überlagerte ein lauter werdendes Rauschen. »Es wird sicher nicht beim ersten Mal klappen. Du darfst es dir auf keinen Fall wünschen …« Ihre Stimme wurde vom Rauschen verschluckt.
Ich versuchte, die fremden Bilder aufzunehmen. Verwaschene rot-gelbe Farben ohne Konturen zuckten in einem langsamen Rhythmus vor meinen Augen. Ich glaubte, die stark vergrößerten Umrisse von Zellformationen zu erkennen. Das Rauschen wurde zu einem dumpfen, gemächlichen Pochen. Im Hintergrund nahm ich ein fast unhörbares Flüstern wahr. Wie ein Seufzen der Luft über dem Wasser einer stillen See, kurz vor dem Sturm. Irgendwie fühlte ich ihre Lippen, meine Lippen, unsere sich berührenden Zungen und konnte beides nicht voneinander trennen. Es war eine Entkrampfung, als ich laut, fast tierisch aufschrie. Ein heißes, prickelndes Stechen quoll in mir auf, wild tanzten die Farben um mich herum. Als wir einander durchdrangen stockte mir der Atem, als hätte ich einen Schlag auf die Brust bekommen. Das Bild zerstob, es wurde dunkel. Ich wusste nicht, ob die Droge Traumsequenzen enthielt, aber ich begann einen sandigen, mit kleinen Steinen übersäten Boden unter mir zu fühlen.
»Ich liebe dich.« Ihre Stimme neben meinem Ohr. »Ich sehe unser Kind. Ein kleines zerknautschtes Etwas mit feuerroter Haut. Ich kann es riechen und fühlen. Es liegt ganz warm in meinen Armen.«
Ihr schwach leuchtendes, weiches Gesicht. Dahinter eine glatte Linie, sie trennte Wasser und Himmel. Es war still.
Einer der drei Polizisten stieß mit einem kräftigen Tritt gegen die Tür. Holz splitterte. Er trat ein zweites Mal dagegen, die Tür schlug auf. Sie betraten mit gezogenen Waffen die Wohnung und fanden die beiden sich umschlingenden Körper im Wohnzimmer. Die Frau bewegte sich, bäumte sich auf. Einer der Polizisten feuerte auf sie. Ein Schuss durchschlug ihre Brust und zerfetzte einen Lungenflügel, der andere traf ihre Schläfe. Sie war auf der Stelle tot.
Die Polizisten trennten die beiden Körper voneinander. Den unter Drogen stehenden Mann zwängten sie in ein Häftlingshemd und verschweißten es auf dem Rücken. Er wurde wegen Verstoßes gegen das Geburtenregelungsgesetz festgenommen. Sie überprüften die restlichen Zimmer, bevor sie die Wohnung verließen und die Tür versiegelten. Zwei schleppten den Mann nach unten, der dritte informierte die Organverwertung, um die Leiche abholen zu lassen.
»Wenigstens auf die Mithilfe der Nachbarschaft kann man sich noch verlassen«, sagte der Fahrer zu den drei in den Wagen steigenden Polizisten und fuhr langsam die Straße hinunter.
Rob ging langsam den Gang entlang. Vor und hinter ihm verschluckte Dunkelheit jegliche Raumkontur. Dennoch schien die alles verschlingende Schwärze lebendig und von noch dunkleren Schatten bevölkert zu sein. Hin und wieder glaubte er, die blassen Windungen gewaltiger Eingeweide zu erkennen, und rechnete jeden Augenblick damit, von etwas Monströsem angesprungen zu werden. Der Gang schien endlos und nur die spärlich verteilten Fackeln an den rußigen Wänden vermittelten ihm den Eindruck, voranzukommen. Es roch plötzlich nach verrottenden Pflanzen und Verwesung, sodass er unwillkürlich seinen Schritt beschleunigte.
Hinter sich glaubte er etwas atmen zu hören. Ein röchelndes Geräusch, so erschreckend nah, dass sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Er drehte sich vorsichtig um und sah einen länglichen Körper von der Decke baumeln. Die bläulich schimmernde Haut war von dickknotigen Adern überspannt, und in dem fast kreisrund klaffenden Maul rotierten blitzende Metallzähne.
Der Körper, der aus einem zackigen Loch herunterhing, zuckte mit schlagenden Bewegungen vor und zurück. Rob fühlte sich bedroht. Wirklich sehr eindrucksvoll! Mark musste monatelang an dem Monster gearbeitet haben. Die Polygone waren dicht gesetzt und die Texturen brillant. Er zog seinen Energiewerfer aus der Halterung und feuerte. Ein blau gleißender Impuls jagte der Kreatur in den Kopf, zerfetzte ihn und ließ einen Hagel blutigen Körpergewebes niedergehen. Rob schüttelte sich. Manchmal ging Mark zu weit.
Rob wollte sich gerade umwenden, als noch ein Monster aus dem Loch schnellte. Er kam kaum dazu, die Waffe erneut zu heben, als ihn das Wesen erreichte. Das Maul mit den rotierenden Zähnen schnappte um die Hand, in der er den Energiewerfer hielt, sodass er gerade noch Zeit hatte, einen Schuss auszulösen. Durch sein minimiertes Schmerzempfinden merkte er kaum, wie ihm die Hand abgebissen wurde. Eine Fontäne grünen Blutes schoss aus seinem ausgefransten Armstumpf, da explodierte vor ihm das zweite Monster.
»Sehr komisch, Mark!«, rief er in die Dunkelheit. Mit der unversehrten Hand zog er die Waffe aus der dampfenden Blutmasse. Weiter den Gang entlang. Er musste den Ausgang finden oder sterben, nur so konnte man den Level verlassen.
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