Gerd Frey
Fantastische Erzählungen
AndroSF 120
Gerd Frey
OUTPOST
Dunkle Sonne 2
Fantastische Erzählungen
AndroSF 120
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© dieser Ausgabe: Juni 2021
p. machinery Michael Haitel
Titelbild: Lothar Bauer
Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda
Lektorat & Korrektorat: Michael Haitel
Herstellung: global:epropaganda
Verlag: p. machinery Michael Haitel
Norderweg 31, 25887 Winnert
www. p machinery.de
für den Science Fiction Club Deutschland e. V., www.sfcd.eu
ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 245 4
ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 852 4
Der vorliegende Erzählungsband »Outpost« ist die Fortführung des Erzählungsbandes »Dunkle Sonne«, der seinerzeit im Jahr 2002 beim Shayol-Verlag erschien und den man 2003 mit dem ersten Platz des Deutschen Phantastik Preises (dpp) für die beste Original-Kurzgeschichten-Sammlung auszeichnete. In Kürze wird »Dunkle Sonne« bei p.machinery neu veröffentlicht und ist dann erstmals auch als E-Book verfügbar.
»Outpost« beinhaltet sämtliche nach »Dunkle Sonne« in verschiedenen Büchern und Magazinen publizierten Kurzgeschichten und zudem die nicht in »Dunkle Sonne« enthaltenen satirischen Kurzerzählungen um den Abfallverkäufer. Diese Geschichten entstammen der Zeit meiner ersten ernsthaften Gehversuche als Autor und wurden von mir inzwischen behutsam überarbeitet, ohne jedoch den eigentlichen noch etwas rohen Charakter der Geschichten zu verändern.
Die letzte Story wiederum habe ich für ein Online-Erotikmagazin geschrieben. Es ist jedoch eher eine Erotikgeschichte mit fantastischen Elementen und könnte auch als softe Horrorgeschichte bezeichnet werden. So ganz mein Genre ist dies jedoch nicht.
Inhaltlich bietet »Qutpost« daher eine durchaus unkonventionelle Mischung aus Science-Fiction, Fantasy-Horror und Erotik.
Viel Spaß beim Eintauchen in fremde Welten –
Gerd Frey
Frühjahr 2021
»Wenn du zu jedem Frühstück so viel in dich hineinstopfst, brauchst du dich nicht zu wundern, dass du jedes Mal dein dir zugewiesenes Nahrungsmittelkontingent überschreitest und ständig Ärger mit der Verwaltung bekommst«, lästerte Maria. »Außerdem schlingst du das Zeug so gierig runter, dass einem regelrecht übel davon wird.«
»Bei vier Geschwistern musste man schnell sein«, erwiderte Juri zwischen zwei Bissen. »Meine Eltern waren arm und der Tisch nicht immer so reich gedeckt, wie bei euch in Deutschland.«
»Die Zeiten müssen lang her sein«, mischte sich Robert ein. »Astronauten zählen auch in Russland nicht zu den Geringverdienern. Inzwischen wohnen deine Eltern sicher in ihrem eigenen Häuschen am Stadtrand und halten nur noch Kontakt zu Besserverdienenden.«
Juri blickte Robert finster an und ließ schließlich die aufgerissene Packung Käsestifte auf den Teller fallen. »Was weißt du schon über meine Familie … Nichts weißt du und ein Dummkopf bist du!« Er schob den Teller von sich, stand auf und ging.
Juri verließ die Mensa, als der Alarm losschrillte. Sekunden später erschütterte ein Beben die Anlage. Die Gläser in den Regalen klirrten.
»Da muss was Großes runtergegangen sein«, rief Jemand in den aufkommenden Tumult.
Juri beeilte sich, den Kontrollraum zu erreichen. Beim Betreten stolperte er über eine an der Seite abgestellte Werkzeugkiste. Geschickt fing er den Sturz ab. Inzwischen hatte er sich gut an die geringere Marsgravitation gewöhnt.
»Die Sensoren zeigen einen Einschlag an«, hörte er die sich vor Aufregung fast überschlagende Stimme des Wachhabenden. »Knapp drei Kilometer von der Basis entfernt.«
Auf dem Panoramabildschirm war ein Ausschnitt der kargen Marsoberfläche zu erkennen. Für Juri strahlte dieser Planet beständige Hoffnungslosigkeit aus. Ein Gefühl, das seit der Landung nicht von ihm gewichen war. Als Jugendlicher hatte er den Science-Fiction-Klassiker »The Martian Chronicles« von Ray Bradbury geradezu verschlungen und inzwischen bestimmt fünf Mal gelesen. Der wirkliche Mars erwies sich für ihn jedoch als große Enttäuschung. Der Planet strahlte zwar Melancholie aus, dennoch fehlte jene besondere Magie darin. Für ihn war es eine Melancholie voll Trostlosigkeit und Bitternis.
Der Wagen mit seinen überproportionierten Ballonreifen rollte, schwankend wie ein Boot bei starkem Wellengang, über die sanft gewellte sandige Oberfläche des Planeten. Der Boden war von einer Vielzahl flacher grauer Steine bedeckt. Aufgrund der geringeren Gravitation konnten sie nicht mit voller Geschwindigkeit fahren, da der Transporter sonst bei der nächsten höheren Bodenwelle den Halt verloren hätte und umgekippt wäre. Der kleine Sonnenball stand hinter ihnen, sodass das Fahrzeug einen langen Schatten in Fahrtrichtung warf.
»Da vorn ist es«, rief Mark, der den Wagen steuerte. »Ein kleiner Krater, vielleicht vier Meter im Durchmesser.«
»Da hätte ich aber mehr erwartet«, bemerkte Robert enttäuscht. »Bei dem Rumms!«
Das Fahrzeug schwankte an die Einschlagstelle heran und wirbelte dabei kräftig den feinen Sand auf. Kurz vor dem Krater kam das Fahrzeug zum Stehen. Juri wurde auf etwas Dunkles in dessen Mittelpunkt aufmerksam.
»Das ist seltsam«, bemerkte Robert verhalten. »Juri, aktiviere deine Helmkamera! Vielleicht ist hier eine alte Vermessungssonde heruntergekommen. Schauen wir uns die Sache mal näher an.«
In einen klobigen Raumanzug gezwängt, sprang Juri zusammen mit drei anderen Männern aus dem Wagen und landete auf dem nachgiebigen Boden. Auf den meisten Marsaufnahmen, die im Umlauf waren, zeigte der Planet ein viel intensiveres Rot, als es die Wirklichkeit bot. Sogar bei den Fotografien, die in den letzten Jahren ausschließlich von bemannten Teams gemacht wurden. Juri vermutete, dass die NASA dahinter steckte, die alle Projekte, an denen sie beteiligt war, medientauglich aufbereitete. Nach der ersten Euphorie – und nachdem man mit der eigentlichen Forschungsarbeit begonnen hatte – zogen sich die Amerikaner klammheimlich aus dem Projekt zurück. Der Einzige, den sie zurückließen, war ein – immerhin sehr umgänglicher – Wissenschaftsjournalist. Auch finanziell floss kaum noch Geld von amerikanischen Konten. Die größten Zuschüsse kamen derzeit aus China und Europa.
»Schaut euch das an«, rief Robert, der nicht ganz zwei Meter vom Einschlagkrater entfernt stand. »Da bewegt sich etwas!«
Juri trat vorsichtig näher. Von ihm aus betrachtet, machte die Einschlagstelle durchaus einen Ehrfurcht gebietenden Eindruck. Das Zentrum des Kraters war mit vielen schwarzen Kugeln bedeckt. Zwischen und auf den Kugeln bewegten sich Hunderte winzige Körper, fast genauso schwarz wie die Kugeln selbst. Juri erinnerte der Anblick an Ameisenhaufen auf der Erde.
»Das glaube ich einfach nicht«, flüsterte Robert. »Was ist das für ein Zeug? … Vielleicht sollten wir versuchen, eine Probe zu nehmen.«
»Zu gefährlich!«, warf Marc dazwischen. »Stellen wir zuerst eine Beobachterkamera auf. Danach können wir immer noch eine Probenentnahme durchführen.«
»Ich würde ungern so lange warten«, widersprach Robert. »Die Probe können wir uns mit Konstantin holen – das dürfte das Sicherste sein.«
Hinter dem Namen Konstantin verbarg sich ein Georoboter mit einer kleinen Bohreinrichtung. Juri war der Geologe im Team und damit für den Einsatz von Konstantin verantwortlich.
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