1 ...6 7 8 10 11 12 ...40 Hilfe zur Wahrnehmung von Rechten kann zwar prinzipiell in einer bloßen Auskunft oder einem Rat bestehen, aber auch in weitergehenden Vertretungshandlungen gegenüber Dritten, z. B. mittels Schriftverkehr oder mündlichen Verhandlungen bzw. Besprechungen.
Die Wahrnehmung von Rechten ist jedoch zu unterscheiden von der bloßen (und nicht immer notwendigen) Hilfe bei der Wahrnehmung von „ Rechten“. Nach Sinn und Zweckder Beratungshilfe i. S. d. Beratungshilfegesetzes ist unter dem Begriff „Beratungshilfe“ immer eine notwendige, erforderliche Hilfezu verstehen. 55Die Hilfe muss daher überhaupt erforderlich sein und damit ein allgemeines Rechtsschutzinteresse bestehen. 56Ein solches kann fehlen, wenn die Beratungshilfe objektiv als nicht notwendig erachtet wird 57oder nicht sinnvoll erscheint. 58Nach der jetzt geltenden Regelung des § 1 Abs. 1 BerHG ist in solchen Fällen der bloßen und nicht immer notwendigen Hilfe bei der Rechtswahrnehmung daher Beratungshilfe unstreitig abzulehnen.
Zwar regelt das Gesetz selbst keinen Erforderlichkeitstatbestand, was die Rechtswahrnehmung betrifft (für eine Vertretungshandlung siehe insoweit § 2 BerHG). Das Merkmal der Erforderlichkeitergibt sich jedoch aus den historischen Zielendes Gesetzgebers. Zudem formuliert § 1 BerHG auch ein Mutwilligkeitskriterium. Unter dieses lassen sich daneben die Fälle subsumieren, in denen kein Rechtschutzbedürfnis für Beratungshilfe besteht. Letztlich – so das BVerfG 59– dürfen die Mittel der Beratungshilfe auch nur dann eingesetzt werden, wenn ihr Einsatz sinnvoll ist.
2.Abgrenzung zur allgemeinen Beratung
14 Sinn der Beratungshilfeist es, den Bürgerinnen und Bürgern Rechtsberatung zu gewähren, wenn Rechtsfragen im Vordergrundstehen. Rechtswahrnehmung bedeutet dabei nur die Wahrnehmung von eigenen Rechten des Rechtsuchenden selbst. Hilfe für Dritte einzuholen, welche nicht in den Bereich der Beratungshilfe fallen und bei denen die Voraussetzungen des § 1 BerHG nicht gegeben sind, scheidet naturgemäß aus. 60Auch auf etwaige Erben geht die Beratungshilfebewilligung nicht über. Diese können – bei Vorliegen der Voraussetzungen – vielmehr einen eigenen Anspruch auf Beratungshilfe geltend machen, wenn ihre Rechte betroffen sind.
Rechtswahrnehmung bedeutet aber auch, dass nicht jeder allgemeine Rat von der Beratungshilfe abgedeckt sein soll, auch wenn das Rechtsgebiet grundsätzlich in den Bereich des Beratungshilfegesetzes fällt, sondern nur dann, wenn es notwendig ist und es sich hierbei um Probleme handelt, wo juristischer Rat unumgänglich ist. 61 Allgemeine Lebenshilfefällt daher nicht unter das Beratungshilfegesetz. Hier liegt der Schwerpunkt generell nicht in der rechtlichen Erörterung. 62Genau diese wird jedoch in der Beratungshilfe gefordert (vordergründige Rechtsberatung oder komplexe juristische Rechtsfragen). 63
Es genügt auch nicht, dass die Beratung hinsichtlich rechtlicher Nebenaspektedurchgeführt wird, wie es bei vielen Lebenssachverhalten der Fall ist. Solche Konstellationen werden sich grundsätzlich nie vermeiden lassen. 64Zu denken ist hierbei an Verständigungs- oder Leseschwierigkeiten, gesundheitliche Hindernisse oder auch Sprach- und Lesebarrieren. 65Hier geht es dem Bürger weniger um die rechtlichen Aspekte, als um eine tatsächliche Hilfe.
15 Sprach - und Lesebarrierenbilden tatsächliche Hemmschwellen und Defizite, für welche die Gesellschaft anderweitige Lösungen zur Verfügung stellen muss.
Beispiel:
Der Rechtsuchende mit einem Migrationshintergrund möchte sich in einer Angelegenheit betreffend die Wohnungszuweisung nur wegen fehlender Sprachkenntnisse durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.
Solche tatsächlichen Hilfen sind nicht der Beratungshilfe zuzuordnen, sondern denjenigen Institutionen, welche Lebenshilfe leisten. 66Sofern medizinische Hindernisse bestehen, steht hierfür gegebenenfalls das Instrument der Betreuungzur Verfügung. 67Ein Fall der Beratungshilfe ist dies hingegen nicht. 68
Ebenso ist eine Beratung von Studenten der Rechtswissenschaftenim Rahmen von Hausarbeiten nicht über die Beratungshilfe möglich.
Beratungshilfe kommt auch dann nicht in Betracht, wenn die rechtlichen Aspekte weitgehend klar sind und eine Beratungsperson nur deshalb beauftragt werden soll, um deren tatsächliche Durchsetzung zu beschleunigen oder weil dessen Inanspruchnahme komfortabler erscheint. 69
Beispiel:
Der Rechtsuchende hat sich bereits durch das Jugendamt beraten lassen. Dieses hat den Unterhaltsschuldner gemäß den rechtlichen Vorgaben angeschrieben und zur Unterhaltszahlung aufgefordert. Nachdem keinerlei Reaktion erfolgte, will der Rechtsuchende nun einen Rechtsanwalt aufsuchen, der den Unterhaltsschuldner nochmals zur Zahlung auffordern soll. Hintergrund dieses Wunsches ist die Vermutung, dass der Unterhaltsschuldner auf entsprechenden Druck hin (anwaltlicher Briefkopf) schneller reagieren werde.
Beratungshilfe dient weiter nicht zur Klärung allgemeiner oder präventiver Rechtsfragen 70oder zur Erlangung von Rechtsauskünften. Vielfach wird die Beratungshilfe jedoch gerade für eine solche kostenlose, generelle Hilfseinrichtung gehalten. So ist die prophylaktische Beratung einer sorgeberechtigten Mutter über die Konsequenzen eines Vorversterbens vor Volljährigkeit der Kinder nicht über die Beratungshilfe abrechenbar. 71 Grundsätzliche Beratungenfür Arbeitnehmer, Mieter (z. B. eine Beratung über den bloßen Abschluss eines Mietvertrages, bloße Erklärungen zur Nebenkostenabrechnung), Kraftfahrer etc. fallen daher nicht unter das Beratungshilfegesetz, sofern nicht das Schwergewicht auf juristischen Fragen liegt, 72auch nicht die bloße Überprüfung einer Telefonrechnung. Solche grundsätzlichen Fragen existieren nahezu auf jedem Rechtsgebiet und sind allgemeiner Natur. Einfache Rückfragemöglichkeiten oder gar Bemühungen um Ratenzahlungen fallen nach der aktuellen Gesetzesbegründung ebenfalls unter die Fälle abzulehnender Beratungshilfe bzw. mutwilliger Inanspruchnahme dieser. 73
Beispiel:
Im Sozialbereich muss etwa bei der gewollten Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes für die Widerspruchseinlegung ein konkretes Rechtsproblem erkennbar sein. Ein Anspruch auf grundsätzliche Überprüfung von Bescheiden ohne genaue Anhaltspunkte auf einen Fehler besteht im Rahmen des BerHG nicht. Dies würde die Regelung des BerHG ad absurdum führen.
16Dies gilt auch für die anderen Bereiche, bei denen Beratungshilfe beansprucht werden soll. Sollen jedoch nur Tatsachen ermitteltwerden, ist die Beratungshilfe nicht das richtige Instrument. 74
Die Erledigung privater Korrespondenz,Übersetzungen oder Erklärungen alltäglicher Vorgänge fallen nichtunter die Beratungshilfe. Ebenso dient Beratungshilfe nichtzur Bewerkstelligung rein wirtschaftlicheroder privater Belangewie etwa die einer Umschuldung, 75solange sich nicht überwiegend Rechtsfragen ergeben. 76
Denkbar sind solche Fälle, in denen eine Beratungsperson lediglich wegen seiner Spezialisierung auf einem Fachgebiet konsultiert werden soll, um die eigentlich selbst durchsetzbaren Ansprüche ggfs. besser realisieren zu können.
Die Beratungshilfe dient auch nicht dazu, Fallgestaltungen des Geschäftslebenszu lösen (z. B. Probleme eines selbstständigen Unternehmers über sozialrechtliche Bestimmungen).
17In einfach gelagerten Fällenist es dem Rechtsuchenden zumutbar, auch ohne anwaltliche Hilfe selbstständigtätig zu werden. 77
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