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Diplomat und BND-Informant Otto von Eiselsberg (1979 in Nizza): „Stadlmayer ist mit dem Berichter durch Abstammung und Erziehung seit Kindheit verbunden.“
V-7331 ist Anfang August 1961 in München. […] Es besteht die Möglichkeit, V-7331 zu dem Gesamtkomplex Südtirol, das dem MA [Abkürzung für Mitarbeiter – Anm. d. Autors] besonders am Herzen liegt, zu befragen. Weiterhin ist es möglich, V-7331 spezielle Fragen und Themen, die der Klärung bedürfen, vorzulegen, da er über sehr gute Beziehungen zur österreichischen Regierung, resp. zur Tiroler Landesregierung in Innsbruck verfügt, die eine eingehende Klärung ermöglichen und erleichtern. 44
Otto von Eiselsberg ist innerhalb des BND für den „Strategischen Dienst“ tätig. Als Berufsdiplomat fühlt er sich berufen, die Südtirol-Krise im globalen Zusammenhang zu analysieren. So schreibt „V-7331“ im August 1961:
In Südtirol besteht ein zunehmend stärkerer Wille, sich gegen die italienische Bedrückung aufzulehnen. Diese Auflehnung wird insbesondere von solchen Personen getragen, die während des 2. Weltkrieges in der deutschen Wehrmacht gekämpft haben und vielleicht z. Z. des Dritten Reiches eine mehr als minder bedeutende Rolle in nationaler Richtung gespielt haben. Über diese emotionelle Aufstandsbewegung lagern sich im Verlauf der Zeit verschiedene andere Elemente, u. a. eine nicht ausschließbare Ostblockeinwirkung […], genauso wie es auch denkbar ist, dass z. B. die USA über Fritz Molden in den Komplex eingreift. Vor einigen Monaten wurde V-7331 von dem sog. „Gesandten Libik“ (in Wahrheit CIA-Exponent bei der US-Botschaft in Paris) auf das Südtirol-Problem angesprochen. 45
Ende 1963 kehrt Otto von Eiselsberg nach Wien ins österreichische Außenministerium zurück, wo er bis 1966 tätig ist, zuerst als Personalchef und dann als Leiter der Ostabteilung. Ende 1967 wird der BND-Informant dann zum österreichischen Botschafter in Japan ernannt. Eiselsberg bleibt bis Mai 1971 in Tokio. 46
In all diesen Jahren berichtet „V-7331“ dem BND nicht nur über Österreichs Außenpolitik oder seine Gastländer, sondern immer wieder auch über Südtirol. Der Diplomat bleibt vor allem mit Viktoria Stadlmayer und Carl Heinz Bobleter in Kontakt und meldet alles nach Pullach. Der BND führt „V-7331“ ab 1961 als „Mitarbeiter“ , was auf eine kontinuierliche finanzielle Entschädigung aus Pullach schließen lässt.
Im Frühjahr 1963 berichtet „V-7331“ über eine Aussprache mit Viktoria Stadlmayer, in der diese über Norbert Burger herzieht. Im BND-Bericht heißt es:
Er ist nach einwandfreien Informationen Verbindungsmann für ehemalige SS-Leute, die von der SBZ aus über Bayern nach Oberösterreich gesteuert werden. Von dieser Gruppe werden die Sprengstoffanschläge in Italien organisiert und durchgeführt. Mit einer Verstärkung dieser Sprengstoffanschläge ist zu rechnen, da sie ein Teilglied einer Ostaktion gegen die EWG einerseits bilden und andererseits einen italienischen Einspruch hervorrufen sollen, der die österreichische EWG-Mitgliedschaft verhindert. 47
Viktoria Stadlmayer echauffiert sich laut diesem Bericht bei Otto von Eiselsberg alias „V-7331“, dass sie „um dringenden Kontakt zur Firma gebeten habe“ , diese sich aber nicht gemeldet hätte. Innerhalb des BND ist „Firma“ die gängige Bezeichnung für den Nachrichtendienst selbst. Stadlmayer ersucht Otto von Eiselsberg, unmittelbar einen ihr bekannten Mitarbeiter des BND zu kontaktieren: „Dr. Ohlendorf“ . Im Bericht heißt es dann weiter:
Jedoch wies V-7331 wahrheitsgemäß darauf hin, dass sein letzter Kontakt zu diesem vor etwa sechs oder sieben Jahren bestanden hat und er daher kaum eine Möglichkeit sieht, ihrem Wunsch heute zu entsprechen. Die Verbindung V-7331-Ohlendorf war kein ND-Kontakt [ND = Nachrichtendienst – Anm. d. Autors], sondern im Zusammenhang mit irgendwelchen Freimaurer-Angelegenheiten entstanden. […] V-7331 kann sich Frau Dr. St. gegenüber nicht exponieren. 48
Hier fällt auf, dass der Sachbearbeiter, der über 50 Jahre später für den Autor die Akten zur Einsicht in Pullach aufbereitet, etwas geschlampt hat. Er hat nämlich vergessen, das „Frau Dr. St.“ , das für Viktoria Stadlmayer steht, wie vorgesehen zu schwärzen.
Stadlmayers Wunsch hat einen klaren Hintergrund. Dr. Gert Ohlendorf (*1910), DN „Oheimb“ und Tarnnummer „V-54“, ist einer der ältesten Mitarbeiter von Reinhard Gehlen. Der Arzt stößt als einer der Ersten bereits 1946 zur Org. „Oheimb“ arbeitet danach bis zu seiner Pensionierung 1975 für den BND, tätig in der Abteilung „Sonderverbindungen“ . Er ist es auch, der sechs Jahre zuvor auf Weisung von Reinhard Gehlen jene Operation leitet, mit der Ferdinand von Cles in die USA geschickt werden soll, um für Südtirol Stimmung zu machen. Spätestens damals dürften sich Stadlmayer und Gert Ohlendorf kennengelernt haben.
Der BND bemüht aber keinesfalls „Oheimb“, sondern es ist wiederum die Gehlen-Vertraute Annelore Krüger, die sich am 21. April 1963 mit Stadlmayer trifft. „Stasi“ kann dabei außer einigen Zeitungsberichten aber keine konkreten Beweise für die angebliche Oststeuerung der Attentate vorlegen. Zwei Jahre später wiederholt sich die Geschichte. „V-7331“ meldet am 21. Juni 1966 nach Pullach:
Die Südtirol-Referentin in der Tiroler Landesregierung, eine durchaus seriöse Persönlichkeit, Frau Dr. Victoria Stadlmayer – seit Jahrzehnten auch bekannt und befreundet mit dem Südtirol-Exponenten in der Bundesregierung in Wien, C. Bobleter – hat dem Berichter, mit dem sie ebenfalls durch Abstammung und Erziehung seit Kindheit verbunden ist – expressis verbis unter vier Augen gesagt, dass sie selbst nunmehr endlich die Beweise dafür in der Hand habe, dass es die SBZ sei, die immer wieder im Südtiroler Raum Unruhe stifte .
Vermerk über Treffen mit „Stasi“: „Übergab Berichte und Zeitungsausschnitte.“
Ihr seien die Namen zweier männlicher Personen bekannt, von denen der eine ein 20-jähriger Innsbrucker Student sei, dem ein Angehöriger der sogen. „DDR“ Ös 20.000,– versprochen habe, wenn er entweder in Südtirol einen Hochspannungsmasten sprenge oder einen Mikrofilm (Spielmaterial?) aus Triest nach Tirol schmuggle. Der Student habe, nach eingehender Befragung durch Frau Dr. Stadlmayer, den Namen des SBZ-Mannes preisgegeben. Die Südtirol-Referentin war im Zweifel, ob sie den Fall der österreichischen Staatspolizei bekannt geben und Verfolgung einleiten lassen solle – oder lieber einen zur Verfügung stehenden „Draht” nach München benützen solle. Es wurde ihr vom Berichterstatter zum Zweiten geraten – auch in Anbetracht der stark rötlich durchsetzten österr. Polizei. 49
Auch diesmal ist es die Aufgabe von Annelore Krüger, die Kohlen aus dem Feuer zu holen. „Frl. Kunze wird Stasi ins Gebet nehmen und um nähere Angaben zur Sache bitten“ , heißt es in einer handschriftlichen Anmerkung zum Bericht. Auch diesmal kommt dabei aber nicht viel heraus.
Viktoria Stadlmayer scheint von der Idee der Oststeuerung wie besessen. Im April 1968 wiederholt sie ihre Auffassung, dass östliche Kräfte hinter den Anschlägen in Südtirol stehen. Otto von Eiselsberg („V-7331“) leitet die Stadlmayer-Aussagen in einem langen Bericht nach Pullach weiter:
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