CHRISTOPH BAUSENWEIN
GEHEIMNIS FUSSBALL
AUF DEN SPUREN EINES PHÄNOMENS
VERLAG DIE WERKSTATT
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© 2006 Verlag Die Werkstatt GmbH
Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen
www.werkstatt-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten
Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt, Göttingen
ISBN: 978-3-89533-878-6
INHALT
Vorwort
Teil I: Das Spiel
Im Stadion
Regeln
Bälle
Füße
Körper
Mannschaften
Systeme
EXKURS Abseitsregel und W-M-System
Räume
Tempo
Tore
Kampf
Kunst
EXKURS Das Jahrhundertspiel
Spannung
EXKURS Wann ist das Spiel am Ende?
Teil II: Die Geschichte
Urbi et Orbi
Nomen und Omen
Ritter und Bauern
Könige und Päpste
Medici und Nobili
Puritaner und Reformer
EXKURS Fußball im Theater
Kicker und Polizisten
Schüler und Lehrer
Pioniere und Gründer
Arbeiter und Profis
EXKURS Vereine
Gentlemen und Amateure
Zuschauer und Journalisten
EXKURS Der Sonderweg des American Football
Dribbler und Kombinierer
Deutschland und die Welt
Globe and Players
EXKURS Kleine Geschichte des Frauenfußballs
Teil III: Der Sinn
Sport
EXKURS Training
Ideale
Tanz
EXKURS Kulturen
Krieg
Gewalt
Feinde
Politik
Freunde
Ferien
Glaube
Sünde
EXKURS Sex
Symbole
Spektakel
Medien
Trends
Noch kein Abpfiff
Anhang
Mexiko: Das Spiel um Leben und Tod
China: Die Erfinder des ersten Fußballspiels
Daten zur Fußballgeschichte
Daten zur Regelgeschichte
Literatur
Fotolegenden
Zum Autor
VORWORT
Seit 1995, als die erste Ausgabe dieses Buches erschien, hat sich in Sachen Fußball enorm viel geändert. Damals galt Fußball in weiten Kreisen noch als „niedere“ Sache, ganz im Sinne des Psychologen F.J.J. Buytendijk, der vor über 50 Jahren im „gemeinen Hundstritt“ den Kern des Spiels ausmachte. Nach dem Erscheinen des Buches fragte ich bei einem „Literatur-Café“ an, ob nicht mal an einer Lesung zu Thema Fußball Interesse bestünde. Da hieß es: „Fußball?! Kann man darüber überhaupt was schreiben?“
Man konnte durchaus, das Ergebnis lag ja vor. Und man konnte auch argumentieren. Fußballerisches lässt sich sogar mit beinahe allen klassischen Kunstgattungen vergleichen. So konnte man sagen, dass die Masse in einem Stadion wie „ein großes lebendes Gemälde“ ist und es solche Gemälde auch tatsächlich gibt, dass die Könner des Spiels wie große Schriftsteller „auf dem Rasen meisterhaft durchdachte, komplexe und in sich geschlossene Skizzen, Parabeln und Kurzgeschichten“ entwerfen, dass das „künstlerische Material“ des Fußballers der Körper ist, an den wie bei Tanz und Ballett Ansprüche an Bewegung, Rhythmus und Timing gestellt werden, dass Fußballspieler das Spiel „interpretieren“ können, so wie große Schauspieler „ihre Rolle gestalten“, und schließlich, dass sich die Zuschauer vom Geschehen im Stadion in den Bann schlagen lassen wie von einem Drama im Theater. All das konnte man sagen. Doch ein kulturbeflissenes Publikum mit solchen Thesen unterhalten – das konnte man offensichtlich nicht, jedenfalls durfte man es nicht. Dazu waren die Vorurteile zu groß, der Fußball war und blieb schmutzig, proletenhaft, unintellektuell.
Heute ist das ganz anders. War der deutsche Buchmarkt zum Thema Fußball vor zehn Jahren noch absolut überschaubar, so ist heute ein Dschungel entstanden; bei der Frankfurter Buchmesse 2005 war ein ganzer Saal für das Thema reserviert. Und, angeregt durch die Weltmeisterschaft 2006, interessieren sich plötzlich nahezu alle Kulturschaffenden für das Thema, sogar eine Akademie für Fußball-Kultur wurde gegründet, und im Vorfeld des Großereignisses wurde ein noch nie da gewesenes Kulturprogramm aufgelegt: Kunst- und Foto-Ausstellungen, Lesungen, Filme, Theaterstücke und Tanzshows etc. pp. Der Hype nahm solche Ausmaße an, dass sich der „Spiegel“ zu der Frage genötigt sah: „Wer rettet den Fußball vor den Intellektuellen?“
Man muss ihn nicht retten, denn der Erfolg des Spiels war schon lange vor diesem „Kulturschock“ da. Nach dem „Big Count“ der FIFA gab es im Jahr 2000 ca. 242 Millionen Spieler und Spielerinnen. Mit 20 Millionen Vereinsspielerinnen ist Fußball dabei auch der beliebteste Frauensport der Welt. 2005 begrüßte die FIFA die Landesverbände Nr. 206 und 207 und hat damit deutlich mehr Mitglieder als die Uno. Die vorab geschätzten Zahlen für die WM 2006 lauten: 3,2 Millionen Zuschauer in den Stadien; 40 Milliarden Fernsehzuschauer (für alle Spiele), davon rund 1,6 Milliarden gleichzeitig beim Endspiel. Jeder vierte Erdenbewohner macht für (mindestens) 90 Minuten dasselbe, nämlich Fußball gucken. Das ist die mit Abstand größte Gemeinde von Gleichgesinnten, die es jemals auf diesem Globus gegeben hat.
„Woran mag es nun liegen, dass gerade das Fußballspiel sich in verhältnismäßig so kurzer Zeit eine so zahlreiche Gefolgschaft sichern konnte?“, fragte der bekannte Journalist Willy Meisl bereits im Jahre 1928, und diese Frage sollte seitdem immer wieder gestellt werden. Auch dieses Buch ist dem Versuch gewidmet, das „Geheimnis“ des Fußballs zu entschlüsseln. Ob der Versuch gelungen ist, bleibe dem Urteil des Lesers überlassen. Vorab kann aber schon mal festgestellt werden: Sicher liegt er nicht daran, dass er ein besonders gutes Sujet für Intellektuelle und Künstler abgibt. Der Fußball ist als eine „Kunst des Volkes“ (Artur Hopcraft) groß geworden, die der künstlerischen Überhöhung nicht bedarf, weil sie zugleich auch mehr und eben weit realer und lebendiger als Kunst ist. So dramatisch der Fußball ist, so ist er eben doch nicht wie ein Drama im Theater. Klassische Dramen haben alle eine ähnliche Struktur, aber immer wieder einen anderen Text, der jeweils eine bestimmte Spielhandlung vorschreibt.
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