Wildis Streng
Die letzte Kurve
Kriminalroman
Blut im Benzin Ein idyllischer Frühlingstag lockt die Biker der Motorradfreunde Hohenlohe auf die Straßen. Richard Wengert ahnt nicht, dass die Tour nach Langenburg zum Ostermarkt seine letzte sein wird. In einer Kurve verliert er die Kontrolle über sein Motorrad und prallt gegen einen Luxemburger Bratbirnenbaum, der ihm das Genick bricht. Schnell kommen Zweifel auf, ob es sich wirklich um einen Unfall gehandelt hat, denn der hinzugerufene Polizist bemerkt einen seltsamen Geruch, der aus dem Helm des Toten aufsteigt. Das hohenlohisch-westfälische Ermittlerduo Lisa Luft und Heiko Wüst nimmt die Ermittlungen auf. Bald wird klar, dass Richard Wengert kein Kind von Traurigkeit war. Sowohl in seinem direkten Umfeld als auch unter den Bikern hat er sich einige Feinde gemacht, die ihm nach dem Leben hätten trachten können. Auch einige Mitglieder der „Tarantel“, einer berüchtigten Crailsheimer Motorradgang, waren nicht gut auf ihn zu sprechen. Und jeder weiß, dass man sich mit der „Tarantel“ besser nicht anlegen sollte …
Wildis Streng ist in Crailsheim geboren und aufgewachsen. Nach dem Abitur studierte sie in Karlsruhe Germanistik und Malerei, seit 2006 arbeitet sie als Gymnasiallehrerin. Nach längerem Aufenthalt im Badischen lebt sie heute wieder in ihrer Heimat und unterrichtet in Crailsheim Deutsch und Bildende Kunst. In ihrer Freizeit widmet sich die überzeugte Hohenloherin der Malerei, der Fotografie und dem Schreiben. Aus ihrer Feder stammen bereits mehrere Kriminalromane rund um das sympathische hohenlohisch-westfälische Ermittlerduo Lisa Luft und Heiko Wüst. www.wildisstreng.de
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alle Rechte vorbehalten
3. Auflage 2020
Lektorat: Daniel Abt
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © christels / Pixabay
und © PRILL / shutterstock.com
ISBN 978-3-8392-6612-0
Für Anke.
Danke, dass Du meine Freundin bist!
Ein knallblauer Himmel spannte sich über die majestätische Kulisse des Haller Marktplatzes. Gut, streng genommen müsste man »des Schwäbisch Haller Marktplatzes« sagen, aber das Wort »schwäbisch« wird hier in Hohenlohe nicht gern gehört. Also verzichtet der Hohenloher meistens auf das »Schwäbisch«, es weiß ja sowieso jeder sofort, dass die Stadt in Süddeutschland gemeint ist. Jedenfalls war wunderschönes Wetter an diesem Sonntag kurz vor Ostern, und der Marktplatz, auf dem normalerweise keine Fahrzeuge erlaubt sind, war zugestellt mit Motorrädern. Denn heute fand der Motorradgottesdienst vor der Michaelskirche statt, jenem majestätischen Bauwerk, auf dessen Freitreppe alljährlich die Freilichtspiele aufgeführt werden. Allerdings wurden die 72 Stufen heute nicht von gut trainierten Schauspielern bevölkert, sondern von einigen Männern in Uniform und einem im Talar. Pfarrer Frieder Vogt aus Gammesfeld, der Sohn des berühmten Bankiers der kleinsten Bank Deutschlands, war es, der von der improvisierten Kanzel auf den unteren Stufen der Treppe die Motorradfahrer und – wie er betonte, auch die Motorradfahrerinnen – gemahnte, öfters mal in den Rückspiegel zu sehen, nach dem Nächsten. Der Wind bauschte sein schwarzes Gewand, als der Pfarrrer mahnend einen Finger hob und mit deutlichem hohenlohischen Einschlag erklärte, dass nur Gott allein sich legitimerweise nicht an den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand halte, denn er verlange von uns Menschen geradezu rücksichtslos, Rücksicht zu nehmen, und komme uns dabei gefährlich nahe. Bereits vorher hatte der Polizeimeister Werner in seinem Grußwort von den Verkehrstoten in Hohenlohe berichtet und gemeint, dass das wirklich kein schöner Anblick sei, niemals. Und dass das schon auch belastend sei für ihn und seine Kollegen. Die etwa 200 Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer saßen mit andächtig gefalteten Händen auf den Sitzen ihrer Maschinen oder standen daneben und lauschten den weisen Worten. Sie alle gaben dem Herrn Pfarrer und dem Polizeimeister natürlich ganz recht, innerlich. Und trotzdem wussten alle, dass es auch dieses Jahr wieder irgendeinen von ihnen erwischen würde. Nur konnte niemand ahnen, wie schnell das geschehen sollte.
Friedlich lag der Burgbergwald im mittäglichen Sonnenlicht da. Das Grün sprosste eifrig, der Frühling war in vollem Gange. Das Surren der neuen Windkraftanlage, die die Hohenloher spaltete, war hier, an einer der tiefsten, dunkelsten Waldstellen, nicht zu hören. Fernab des Weges streifte das Sonnenlicht eher spärlich den Boden, drang nur ab und zu durch die dichten Wipfel des Hohenloher Mischwaldes. Feuchtigkeit stieg vom Grund auf, hier und da lagen noch Tautropfen auf den Anemonen und dem wuchernden grünen Buschwerk. Die Erde roch würzig und war von einem tiefen, satten Braun. Irgendein Vogel rief, aber das irritierte den kleinen rostroten Waldbewohner mit dem buschigen Schwanz und den Pinselohren nicht. Das Eichhörnchen war längst aus seiner Winterruhe erwacht, huschte geschäftig über den Waldboden, stets auf der Suche nach Insekten und Nüssen vom Vorjahr. Immer weiter sprang es, fand ab und zu Beute, blieb in Bewegung. Dann entdeckte es unter einer Kiefer etwas, was es noch niemals zuvor gesehen hatte. Einen Pilz. Allerdings hatte er eine seltsame Form. Unten hatte der Pilz einen glatten, hellen Stiel. Aber sein Hut war dunkler, geformt wie ein Badeschwamm, unregelmäßig, mit großen Kratern, die an erstarrte Lava denken ließen. Das Eichhörnchen kam näher, vorsichtig, tastete sich heran. Schnupperte. Noch einmal. Schließlich stieß es ein kurzes missbilligendes Pfeifen aus, drehte sich um und sprang in die entgegengesetzte Richtung davon.
Christine Wengert kochte, und das tat sie wirklich, wirklich gern. Und sie war stolz darauf, dass man ihr das Hobby nicht ansah – sie achtete penibel auf ihre Figur und trieb Sport. Ihr war wichtig, gut auszusehen, hübsch zu sein. Und das nicht nur wegen Richard, nein, sie wollte mit sich selbst zufrieden sein. Ab und zu gab es trotzdem Kalorienbomben, so wie heute die selbstgemachten Serviettenknödel mit Rahmpilzen. Christine betrachtete den Korb mit den frischen Pilzen, die sie gesammelt hatte, und sog den erdig-würzigen Waldduft ein, die sie verströmten. Sie ging gern in den Wald zum Pilze sammeln, und sie kannte sich echt gut aus. Deshalb konnte sie einen Champignon von einem Knollenblätterpilz und einen Parasol vom giftigen Riesenschirmling unterscheiden. Und genau deshalb waren ihre Hände jetzt, als sie die Pilze vorsichtig mit der Bürste säuberte, ganz ruhig. Man durfte sie nicht abwaschen, denn auf diese Weise büßten sie auf jeden Fall Geschmack ein, und das wollte man ja nicht. Ganz ruhig war Christine, weil sie sich nicht im Mindesten fürchtete, weil sie keine Angst hatte, einen Fehler zu machen. Die Ausbeute war heute besonders groß und vielfältig gewesen, ihr langer Waldspaziergang hatte sich gelohnt. Sorgfältig bürstete sie einen Pilz nach dem anderen ab, Maipilze, Morcheln, Stockschwämmchen und viele mehr. Dann schnitt sie sie mit einem scharfen Messer in Scheiben, um sie anschließend in einer Pfanne mit zerlassener guter Butter anzubraten und schließlich zu einem würzigen Pilzgericht für sich und ihren Mann zu verarbeiten.
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