(Der Zeuge K. wird entlassen, Herbert Hedrich, der Verteidiger von André Eminger, ergreift das Wort.)
Verteidiger Hedrich Herr Vorsitzender, wir möchten einen Antrag stellen nach Paragraf 231c Strafprozessordnung: Wir beantragen für unseren Mandanten Herrn Eminger, dass er an den Tagen dem Prozess fernbleiben kann, an denen es nicht um ihn geht.
Staatsanwalt Schmidt Dem tritt die Generalbundesanwaltschaft entgegen. Bei einem Organisationsdelikt kann man die einzelnen Sachverhalte nicht abtrennen. Außerdem geht es darum, ob der Verdacht zutrifft, dass es eine terroristische Vereinigung war, die Herr Eminger unterstützte. (Als nächster Zeuge betritt Karl W. den Gerichtssaal.)
Karl W. Ich war auf dem Weg zur Dienststelle, zwischen 8 Uhr und 8.30 Uhr, als ich beim Stand von Herrn Şimşek vorbeifuhr und gesehen habe, wie Herr Şimşek gerade den Stand aufbaute. Gegen 14.30 Uhr war ich dort mit einem Kollegen, der inzwischen verstorben ist, auf Streife unterwegs. Ich sah, dass sich dort ein Pärchen aufhielt, mit dunkler Hautfarbe. Herrn Şimşek konnte ich nicht sehen. Kurz darauf wurden wir verständigt, dass ein Mann dort wartet, weil der Blumenmann nicht da ist. Wir sind zu dem Stand gefahren und haben uns umgeschaut. Dann hat mein Kollege die Schiebetür geöffnet und Herrn Şimşek am Boden liegen gesehen. Er lag auf dem Rücken, im Gesicht war er blutverschmiert. Von mir wurden sofort die nötigen Dienststellen informiert, die Einsatzzentrale und der Kriminaldauerdienst.
Götzl Lebte der Geschädigte noch?
Karl W. Ja.
Götzl Woran haben Sie das gemerkt?
Karl W. Er röchelte noch.
Götzl Wie ging es dann weiter?
Karl W. Der Notarzt hat den Verletzten behandelt. Mein Kollege und ich, wir sind eingerückt, um den Bericht zu schreiben.
(Der Zeuge wird entlassen, Stefan Hachmeister, der Verteidiger von Holger Gerlach, gibt eine Erklärung zum Zeugen L. ab, der am Vortag aussagte.)
Verteidiger Hachmeister Der Zeuge Polizist L. schilderte die Vernehmung meines Mandanten Holger Gerlach am 4.11. und 6.11.2011. Die Aussagen waren glaubhaft und er konnte sich an Details erinnern. Der Angeklagte Holger Gerlach hat bereits in erster Vernehmung umfangreiche und detaillierte Angaben gemacht. Seine Erklärungen erfolgten freiwillig. Die Angaben wurden später präzisiert und er belastete sich damit selbst. Der Zeuge L. sagte, es habe dem Angeklagten Gerlach nicht gefallen, dass seine Dokumente für Straftaten benutzt wurden. Er habe dem Holger Gerlach abgenommen, dass dieser nicht wusste, wozu die Dokumente verwendet wurden. Aus Sicht seiner Verteidigung ist damit klar, dass Holger Gerlach sich auf seine Freunde verlassen hatte.
(Der nächste Zeuge ist Kriminalhauptkommissar Dieter S. aus Nürnberg, der an den Ermittlungen im Mordfall Enver Şimşek beteiligt war.)
Dieter S. Ich bin gegen 16.30 Uhr am Tatort eingetroffen. Das Opfer war angeschossen und hatte schwere Verletzungen, es war tendenziell mit dem Ableben zu rechnen.
(Er zeigt eine Zeichnung, die vom Tatort angefertigt wurde.)
Das ist die Liegnitzer Straße, sie verbindet Fischbach und Altenfurt und liegt ganz nah an den Autobahnanschlüssen.
(Die Zeichnung zeigt, wo der Wagen von Enver Şimşek stand, davor waren Blumen aufgestellt auf einem Tapeziertisch, unter einem bunten Schirm. Zu sehen ist auch die Verkehrsbucht, in der Şimşeks Wagen stand, dahinter ein Fahrradweg .
Dann zeigt der Zeuge Lichtbilder, zunächst von der stark befahrenen Straße. Ein rot-gelbblauer Schirm, schwarze Plastikeimer mit den Blumen, die Sonne steht schon tief. Ein weißer VW Sprinter mit der roten Aufschrift »Şimşek Blumen«. Eine Aufnahme von Abdruckspuren von Turnschuhen im Sand. Eine weitere Aufnahme, die den Innenraum des Sprinters zeigt. Dieter S. referiert zu den einzelnen Bildern.)
Dieter S. In der Herrenhandtasche hier im Bild waren fast 7000 D-Mark drin sowie ein Pass, Papiere und die Sondernutzungserlaubnis für den Standort des Blumenstands. Im Rucksack befanden sich Toilettenartikel, Kleidung und ein Päckchen HB-Zigaretten. Wir fanden auch einen Korb mit Nahrungsmitteln, Bananen, Fladenbrot, ein Trinkbecher mit Kaffeeresten steht noch auf der Ablage. Weitere 21,50 Mark Münzgeld befanden sich in einer kleinen Plastiktüte. Auf dem nächsten Bild: Das Rote hier ist eine ganz ausgedehnte Blutlache. In der Blutlache, hier mit einer grünen 2 gekennzeichnet, liegt eine Schachtel HB und, mit 3 gekennzeichnet, ein Handy. Es gehörte Herrn Şimşek Und Nummer 1 in der Blutlache ist ein Zahn.
Im Fahrzeuginneren war eine Standhöhe von 182 Zentimeter, man kann also gut stehen. Der Wagen war innen mit Metall verkleidet. Ganz offensichtlich ist massiv Blut ausgetreten. Überall sind deutlich erkennbar Blutspritzer. Am Bindematerial, an der Blumenschere, an den Gerbera und den Lilien, das Blut ist noch frisch.
Des Weiteren sieht man hier die blutbespritzte grüne Hose des Opfers und eine Wolljacke, die massiv von Blut durchtränkt ist und ein Einschussloch aufweist. Hier ein blaues Hemd mit drei Einschusslöchern und Blutflecken.
Wir haben die Situation mit einer Styroporpuppe nachgestellt. Unser Fazit lautete: Die Schusskanäle, die wir vorfanden, können nur dann entstehen, wenn das Opfer liegt.
(Der Zeuge wird entlassen. Schon an der Tür, dreht er sich um und fragt, wem der Kuli gehört, und hebt einen Stift in die Höhe.)
Götzl Das ist meiner, den möchte ich behalten. Man muss seine Augen ja wirklich überall haben.
(Verhaltenes Lachen im Gerichtssaal.)
10. Juli 2013
Manfred Götzl, Richter. Helmut K., 53, Mitarbeiter des Polizeilichen Erkennungsdienstes in Nürnberg. Er sicherte die Spuren am Tatort im Mordfall Enver Şimşek. Günther B., 63, pensionierter Elektroingenieur aus Nürnberg. Er fuhr mit seinem Sohn am Tatort vorbei und sah vermutlich die beiden Männer, die Şimşek erschossen. Nicole Schneiders, Verteidigerin von Ralf Wohlleben. Sebastian Scharmer, Anwalt der Nebenklage.
(Adile Şimşek ist im Saal, die Witwe des ermordeten Enver Şimşek. Als erster Zeuge spricht Kriminalhauptkommissar Helmut K. Er hat Fotos vom Tatort im Mordfall Şimşek gemacht.)
Helmut K. Ich wurde am 9. September 2000 gegen 15.30 Uhr verständigt, dass ein mobiler Blumenhändler angeschossen worden war. Herr Şimşek war schon im Krankenhaus, als ich am Tatort eintraf, es hieß, er sei in Lebensgefahr. Vom Stand waren der Sonnenschirm, Blumensträuße und ein weißer Sprinter zu sehen. Die Schiebetür stand offen, eine große Blutlache auf der Ladefläche war schon von außen zu erkennen. Außerdem lagen umgestürzte Blumenkübel und Blumenreste herum. An der Schiebetür fanden wir eine 6,35-Millimeter-Kaliber-Patronenhülse, aber auch eine 7,65-Millimeter-Hülse in der Blutlache und direkt daneben. Insgesamt haben wir fünf Hülsen gefunden im Auto, in der Kleidung fand sich noch eine sechste. Bei der Obduktion von Herrn Şimşek wurden sechs Projektile gefunden. Die umgestürzten Blumenkübel stammten offenbar vom Todeskampf des Herrn Şimşek und den Rettungsmaßnahmen.
Auf dem Tisch draußen waren die Blumenkübel und Blumensträuße ausgestellt, da ist nichts aufgefallen. Auch das Führerhaus war unauffällig. Es war nichts durchsucht worden, auf der Beifahrerseite war lediglich das Handschuhfach nach unten geklappt. Dort lag eine kleine Plastiktüte mit Kleingeld. An der Schiebetür waren kaum Blutspuren. Sie war also zum Tatzeitpunkt geöffnet und die Täter mussten sie nach der Tat geschlossen haben.Wir haben alle Kübel nach DNA und Fingerspuren untersucht. Das Blut war zum Teil noch flüssig, als ich kam. Die Wandseiten des Fahrzeugs waren mit Blutspritzern bedeckt, auch die Trennwand zum Führerhaus. In der Blutlache haben wir einen Zahn von Herrn Şimşek gefunden.
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