Götzl Hat sich Herr Gerlach geäußert, wie die Hierarchie in dem Trio war?
Michael L. Er meinte, Böhnhardt und Mundlos standen gleichberechtigt an der Spitze, danach Frau Zschäpe. Dann Wohlleben, und er selbst hat sich ganz unten in der Hierarchie eingeordnet. Das fand ich eigenartig, dass Freundschaft so hierarchisch strukturiert sein soll.
Götzl Hat bei den Treffen mit dem Trio Politik eine Rolle gespielt?
Michael L. Politik war kein Thema, hat er mir erzählt. Er sagte: Ich habe beide mehr als Geschäftsmänner erlebt, sie haben irgendwie raushängen lassen, was sie jetzt für Sachen machen und wie sie verdienen.
Götzl Hat Herr Gerlach etwas zu seinen eigenen politischen Aktivitäten gesagt?
Michael L. Ja, er sagte, dass er sich seit seinem 15. Lebensjahr nur mit Politik beschäftigt habe, Politik, Politik, Politik. Dann habe er festgestellt, dass das alles scheiße war. Heute ärgert mich das, dass ich da nicht genauer nachgefragt habe.
Anwalt Scharmer Zur Vernehmung am 5.11.2011: Hatten Sie da schon Kenntnisse über die Verbindungen von Holger Gerlach zur rechten Szene?
Michael L. Mir war bekannt, dass Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt zur rechten Szene gehören, bei Holger Gerlach war ich mir nicht sicher. Ich kannte den entsprechenden Vermerk vom Staatsschutz nicht. Gerlach selbst sagte, er sei auf Demonstrationen in Süddeutschland dabei gewesen. Die Freundin von Gerlach hat mich damals sehr intensiv angesprochen. Sie wollte wissen, was ihrem Freund vorgeworfen wird. Ich erklärte ihr, es habe am 4.11. einen Banküberfall in Eisenach gegeben. Ihr Freund stehe unter Verdacht, dass er Mittäter oder Beihelfer ist.
Anwältin Clemm Haben Sie Herrn Gerlach über die Leichen im Wohnmobil informiert?
Michael L. Ich habe gegenüber Herrn Gerlach zunächst nicht über die Leichen im Wohnmobil geredet. Als ich ihm dann sagte, dass Herr Mundlos tot ist, war er total geschockt. Ich habe nur von Mundlos gesprochen. Die zweite Person war noch nicht identifiziert.
Verteidiger Hachmeister Hat er überrascht gewirkt, dass sein Name im Zusammenhang mit dem Wohnmobil auftauchte?
Michael L. Er wirkte schon so, als ob er damit nicht gerechnet hat.
9. Juli 2013
Manfred Götzl, Richter. Gerwin Moldenhauer, 39, Staatsanwalt bei der Bundesanwaltschaft. Das Gericht hat ihn als Zeugen geladen, um über die Vernehmung von Holger Gerlach durch eine Richterin des BGH auszusagen. Er sagte auch am Tag 256 aus. René K., 35, einer der Handwerker, die in Zschäpes Wohnhaus in der Frühlingsstraße in Zwickau arbeiteten, bevor es dort zur Explosion kam. Er sagte auch an Tag 16 aus. Karl W., 65, Pensionär, ehemaliger Polizist in Nürnberg. Er fand am 9.9.2000 den Blumenhändler Enver Şimşek Dieter S., 60, Kriminalhauptkommissar aus Nürnberg, untersuchte den Tatort im Mordfall Enver Şimşek Stefan Schmidt, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Herbert Hedrich, Verteidiger von André Eminger. Stefan Hachmeister, Verteidiger von Holger Gerlach.
Moldenhauer Eine Vernehmung von Herrn Gerlach am BGH fand am 14. November 2011 statt. Der Haftbefehl lautete damals noch auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und wurde dann auf Unterstützung abgeändert. Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos nannte er immer die drei. Er erzählte, sie seien auf der Rückfahrt vom Urlaub bei ihm vorbeigekommen und hätten seinen Pass zufällig in der Tür seines Autos liegen sehen. Es sei ein Freundschaftsdienst gewesen, ihnen den Pass zu geben. Da hat er mich angelogen.
Sein Anwalt Hachmeister sagte mir später am Telefon, dass Holger Gerlach weitere Angaben machen werde. Der Pass sei bewusst für Böhnhardt hergestellt worden, dennoch habe sich sein Mandant aus der Szene gelöst.
Götzl Herr Gerlach hat dazu ausgesagt, ich zitiere: »Ich bin seit sieben Jahren aus der Nummer raus. Wenn ich gewusst hätte, was die machen, wäre ich letzte Woche doch noch stiften gegangen.«
Moldenhauer Er meinte damit, dann wäre ich doch längst weg gewesen, wenn das so stimmte.
Über die Besuche der drei in Hannover erzählte er, sie seien sehr harmonisch gewesen. Man habe Kuchen gegessen, Karten gespielt, einmal auch die Stadt angeschaut. Die beiden Uwes hat er bewundert, als Macher, als starke Typen, Ideengeber, wegen ihres Tatendrangs. Er hat zu ihnen aufgeschaut. Die hatten Charakterstärke, meinte er. Er sagte, sie hätten ihm erzählt, dass sie sich eine legale Existenz aufgebaut hatten, einen Laden, mithilfe des Vaters Mundlos.
Er sagte aus, dass die drei einmal jährlich vor oder nach ihrem Urlaub bei ihm vorbeikamen. Sie hatten ständig neue Autos, einmal auch einen nagelneuen BMW. Das erklärte er sich damit, dass die beiden Uwes vermögende Eltern hatten, und eben ihren Computerladen. Er habe ihre Telefonnummern oder Anschriften nicht gehabt. Böhnhardt habe ihn gefragt, ob sie den Reisepass haben könnten. Er solle ihnen vertrauen, es hätte doch mit dem Führerschein auch keinen Ärger gegeben. Sein Anwalt, Herr Hachmeister, hat mich, wie gesagt, später angerufen und korrigiert, dass der Pass bewusst für Böhnhardt erstellt wurde.
Schließlich sagte er auch noch über den Bombenfund in der Garage 1998 aus: Er meinte, im Nationalen Widerstand hätten damals alle gedacht, dass Böhnhardt und Mundlos es waren, die die Bombenattrappen gelegt hatten.
Götzl Vor dem BGH fand ja dann auch eine zweite Vernehmung statt, am 24. Februar 2012. Erzählen Sie doch mal.
Moldenhauer Da ist viel dazwischen passiert. Herr Gerlach hat umfassende Aussagen gemacht zum Waffentransport. Daraufhin wurde der Haftbefehl gegen ihn erweitert. Er war kooperativ, und als Quittung hat er die Erweiterung des Haftbefehls bekommen. Er war erschüttert. Er war richtig niedergeschlagen. Er sagte: Ich bin, wie mein bisheriger Lebensweg zeigt, nicht gewalttätig. Er musste es sich hochwürgen, die einzelnen Sachen. Da kam dann auch raus, dass er eine Sporttasche mit einem Jutebeutel von Wohlleben bekommen hat, und dass er die Tasche dann in die Polenzstraße in Zwickau gebracht hat.
Er will nicht gewusst haben, dass da eine Waffe drin war. Im Zug habe er interessehalber den Beutel befühlt, er habe nicht gedacht, dass Wohlleben ihn mit der Waffe Zug fahren lässt. Er sagte: Ich ging von der Unschuldsvermutung für meine Freunde aus. Er sagte auch, dass er keine Möglichkeit sah, die Waffe loszuwerden, ohne sich und andere einer Gefahr auszusetzen: Ich konnte sie nicht aus dem Zug werfen, ich konnte nicht zur Polizei gehen. Was hätte ich machen sollen?
Er gab zu, dass es eine Bewaffnungsdiskussion in der Szene gab. Er habe den dreien aber nicht zugetraut, dass sie Menschen ermorden würden. Die Freundschaft mit Wohlleben sei über den Waffentransport zerbrochen. Er sagte: Heute weiß ich, dass ich damals sehr naiv war. Für ihn seien die Diskussionen über Gewaltanwendung nur Diskussionen gewesen und nicht mehr.
Insgesamt muss man zur Vernehmung sagen: Es war eine Zangengeburt, die Angaben kamen scheibchenweise raus, er tat sich nicht leicht damit. Er hat zum Ausdruck gebracht, dass er nicht stellvertretend für andere verurteilt werden möchte.
(Als nächster Zeuge betritt René K. den Gerichtssaal.)
René K. Am 4.11.2011 arbeitete ich dort (im Haus in der Frühlingsstraße in Zwickau) mit einem Kollegen, meinem Schwager. Wir haben im obersten Stockwerk renoviert. An der Klingelanlage stand der Name Dienelt dran, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Am Montag und Dienstag hat der Elektriker dort gearbeitet. Ich war größtenteils mit Entkernungsarbeiten in der Wohnung beschäftigt und der Dämmung im Bad.
Später wurden mir bei der Polizei Lichtbilder von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe vorgelegt. Ich habe sie wiedererkannt. Ich denke, das waren die zwei Herrn. Sie haben immer nur freundlich gegrüßt. Der Böhnhardt hat mal nachgefragt, wann bei ihnen der Termin in der Wohnung wäre und ob er seinen Bürosessel entsorgen kann in unserem Container.
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